Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Geist“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 33
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Geist. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 33. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Geist (Version vom 01.12.2021)

[33] Geist, ein sehr vieldeutiges Wort, in den meisten Sprachen s. v. w. Hauch (lat. spiritus, griech. pneuma), weil die ein- und ausgeatmete Luft als überall verbreitetes Lebensprinzip galt, wird im metaphysischen, psychologischen Sinn und als logisches Abstraktum gebraucht. In metaphysischer Beziehung bezeichnet G. ein wirkliches, intelligentes, immaterielles Wesen mit oder ohne Verbindung mit einem Leib. Im erstern Fall heißt er reiner G., in dem besondern Fall der Verbindung mit einem materiellen (irdischen), dem des Menschen ähnlichen Körper wird er als Seele bezeichnet; zwischen beiden steht die Idee der Verbindung eines immateriellen Geistes mit einem gleichfalls immateriellen (nicht-irdischen) Körper (Ätherleib), die gleichfalls G. (im dämonologischen Sinn als guter, böser G., Engel, Teufel, abgeschiedener G., Gespenst etc.) genannt wird. Im psychologischen Sinn wird nicht nur G. und geistiges Leben als Gegenstand der innern von dem Leib und leiblichen Leben als solchem der äußern Erfahrung, sondern in jenem selbst wieder G. im engern Sinn und Gemüt (Kopf und Herz) als vorstellendes einer- und fühlendes und strebendes Leben anderseits unterschieden. Im engsten Sinn aber wird der Ausdruck G. beschränkt auf das höhere, unter der Herrschaft logischer, ästhetischer und ethischer Normalgesetze stehende, im Gegensatz zu dem niedern, nach mechanischen Naturgesetzen ablaufenden psychischen Leben. In diesem Sinn wird dem G. verständiges Denken, richtiges Beurteilen und grundsätzliches Wollen und Thun beigelegt, demselben Erkenntnis, Geschmack und Charakter zugeschrieben. So aufgefaßt, gilt der G. für die Quelle der Wissenschaft, der Kunst und des ganzen sittlichen Lebens, welches, da die (logischen, ästhetischen und ethischen) Normalgesetze für alle dieselben sind, durch die wachsende Herrschaft derselben allmählich in allen zu gleichen Ergebnissen (Übereinstimmung der Erkenntnis, des Geschmacks, der Wollens- und Handlungsweise) führen muß. Darin, daß der G. nach Normalgesetzen verfährt, liegen der Anspruch und die Zuversicht desselben auf die Macht, die „früher oder später den Widerstand der stumpfen Welt besiegt“ (Goethe). Die monistische (spinozistische, pantheistische) Weltansicht faßt diese Identität der Normalgesetze für alle als substantielle Identität Eines Allgeistes in allen auf, so daß die Einzelnen nur als (vorübergehende) Organe erscheinen, mittels deren und in denen der Eine G. denkt, urteilt und will. Die monadistische (Leibnizsche, individualistische) Weltansicht dagegen sieht in dem „Allgeist“ nur ein logisches Abstraktum, das für sämtliche Einzelgeister identische Gesetz ihres Denkens, Fühlens und Wollens, das, als solches nicht wirklich, durch die demselben gehorchenden Geister unaufhörlich verwirklicht wird. In diesem entgegengesetzten Sinn reden beide Ansichten von einem G. der Menschheit, des Volkes, der Zeit, indem erstere darunter einen wirklichen G., die substantielle Einheit der Menschen, der Volks- oder Zeitgenossen, letztere dagegen die gemeinsamen, leitenden Ideen versteht, von welchen die Menschen überhaupt oder die Angehörigen desselben Volkes und derselben Zeit sich erfüllen lassen. Vom G. der Zeiten gilt übrigens meist Goethes Wort, daß er „der Herren eigner Geist sei, in dem die Zeiten sich bespiegeln“. Analog ist der Ausdruck G. einer Gesellschaft, unter dem sowohl die unter den Mitgliedern derselben herrschende und sich allmählich aus dem Zusammenleben derselben erzeugende Gesinnung als auch Wesen und Zweck einer solchen Verbindung im Gegensatz zu der äußern Form, in der sie erscheint, verstanden wird. Überhaupt drückt G. den Kern, das Wesentliche, Bedeutende im Gegensatz zum „Buchstaben“, der Schale, der unwesentlichen Form (G. eines Buches, eines Gesetzes etc.) aus. Endlich ist G. (esprit) noch das leicht Bewegliche, alles Durchdringende, gegenüber der toten und trägen Materie. Was durch Lebendigkeit, Neuheit des Gedankens, eindringliche Kraft, phantasievolle Frische uns überrascht, fesselt, fortreißt, davon sagen wir, es begeistere uns; kühne Ideen, sinnreiche Kombinationen, witzige Einfälle, treffende Vergleichungen, originelle, ja paradoxe Ansichten nennen wir geistreich, während Inhaltleeres, Lebloses, Gewöhnliches geistlos heißt (ein geistloses Buch, geistloses Gespräch).

Geist, August, Maler, geb. 15. Okt. 1835 zu Würzburg, lernte erst bei seinem Vater, dann seit 1853 bei Fritz Bamberger in München. Ausgeführte Bilder von ihm sind selten, aber seine zahlreichen Skizzen gehören zu den hervorragendsten Schätzen aller Skizzensammler. Von München aus besuchte er zum Zweck von Naturstudien besonders die Alpenvorlande; 1865–67 verweilte er in Italien, von wo er mit einer reichen Sammlung von Studien zurückkehrte. Doch die Ausbeutung derselben war ihm nicht vergönnt, da er schon 15. Dez. 1868 in München starb. Seine Motive, die er sehr häufig der Fränkischen Schweiz entnahm, zeichnen sich durch wohldurchdachte Komposition und sorgfältige Zeichnung aus. Er hat auch 13 Stahlradierungen, Burgen aus Franken darstellend, ausgeführt.