Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Geissel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 28
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Geissel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 28. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Geissel (Version vom 16.02.2023)

[28] Geissel, Johannes von, Kardinal und Erzbischof von Köln, geb. 5. Febr. 1796 zu Gimmeldingen in der Rheinpfalz als Sohn eines armen Winzers, wurde 1815 in das Mainzer Klerikalseminar aufgenommen, 1818 zum Priester geweiht und erst als Kaplan in Hambach, dann als Lycealprofessor in Speier angestellt. Hier beschäftigte er sich lebhaft mit der belletristischen Tageslitteratur, dichtete selbst und war ein beliebter Gesellschafter; daneben trieb er auch ernstere Studien, von denen zwei Monographien zeugen: „Der Kaiserdom zu Speier“ (Mainz 1826–1828, 3 Bde.) und „Die Schlacht von Hasenbühl und das Königskreuz bei Göllheim“ (1836); 1837 wurde er deshalb zum korrespondierenden Mitglied der Münchener Akademie ernannt. Nachdem er 1826 zum Kanonikus, 1836 zum Domdechanten befördert worden, erfolgte 1837 seine Berufung auf den bischöflichen Stuhl von Speier, den er bis 1841 verwaltete. Seiner gemäßigten Haltung wegen wurde er 1841 als Koadjutor nach Köln berufen, um an Stelle des in freiwilliger Verbannung lebenden Erzbischofs Clemens August die Diözese zu leiten und den kirchlichen Frieden wiederherzustellen; 1846 wurde er Erzbischof von Köln. Die Regierung kam seinen Wünschen bereitwilligst entgegen, und Friedrich Wilhelm IV., dem er in mancher Hinsicht geistesverwandt war, schenkte ihm seine besondere Gunst; er verlieh ihm auch den Schwarzen Adlerorden. So gelang es G. mit Hilfe des Staats schnell, von den Unterrichtsanstalten, namentlich der theologischen Fakultät in Bonn, alle freisinnigen Lehrer hermesianischer und Güntherscher Richtung zu entfernen; von fanatischen Papisten wurden nun die jungen Kleriker in jesuitischem Geist zu knechtischer Unterwerfung erzogen. Unter Geissels Leitung versammelten sich 1848 die deutschen Bischöfe in Würzburg und forderten und erlangten Unabhängigkeit der Kirche von der Staatsgewalt. Zur Belohnung erhielt G. von der römischen Kurie 1850 den Kardinalshut. Das Dogma von der unbefleckten Empfängnis verkündete er 1854 mit großem Pomp. Auf dem 1860 von ihm abgehaltenen Provinzialkonzil wurde auch die Infallibilität des Papstes für eine Lehre der Kirche erklärt. Die Klöster und geistlichen Unterrichtsanstalten mehrten sich in erstaunlicher Weise. Die Jesuiten erlangten eine Macht, die G. selbst oft unbequem wurde. Und dabei wußte G. doch noch freisinnig zu erscheinen und das gute Einvernehmen mit dem Staat bis zu seinem Tod aufrecht zu erhalten. Er starb 8. Sept. 1864. Unter seinem Nachfolger Melchers ist die Saat, die G. gesäet, aufgegangen. Seine Biographie von F. X. Remling (Speier 1873) ist eine ultramontane Verherrlichung. Vgl. „Schriften und Reden von Johannes Kardinal v. G.“, herausgegeben von Dumont (Köln 1869–76, 4 Bde.), der auch die „Diplomatische Korrespondenz über die Berufung des Bischofs J. v. G.“ (Freiburg 1880) herausgab.