Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Garten“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 917919
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Garten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 917–919. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Garten (Version vom 20.10.2023)

[917] Garten, ein Stück Land, auf welchem Gewächse mit besonderer Sorgfalt gezogen werden, sei es zu materiellem, sei es zu ästhetischem Genuß; in ersterm Fall nennen wir ihn Nutzgarten, und er ist entweder [918] Gemüse- (s. d.), Arznei-, Obst- (s. d.), Handels- (s. d.), botanischer oder Versuchsgarten. Den zu ästhetischem Genuß nennen wir Lustgarten, sei es nun ein Park (s. d.) oder ein kleinerer Hausblumengarten. Letzterer sollte vom Nutzgarten durch eine sichtbare Grenze getrennt sein, weil in diesem nicht immer die Ordnung und Reinlichkeit herrschen werden, welche von ersterm stets gefordert werden darf. Zum Hausblumengarten wähle man in nächster Nähe des Wohnhauses ein nicht sumpfiges Stück Land mit guter, fruchtbarer Erde, hinlänglich Sonne und Schutz gegen kalte Winde. Die Blumen zeigen ihre Pracht und Lieblichkeit nicht, wenn sie massenhaft beisammenstehen, sondern nur, wenn sie, harmonisch geordnet, sich vom grünen, samtgleichen Rasen (s. d.) abheben und hier einige nicht oft wiederkehrende Punkte, Gruppen, bilden, die mit Bäumen, Blütensträuchern und einfachen Blattpflanzen abwechseln. Wohl können Blumen auch auf den Rabatten des Gemüse- und des Obstgartens angebracht werden, aber nur, um bei Bedarf in den Blumengarten versetzt oder zu Sträußen u. dgl. abgeschnitten oder für den Samenbau gepflegt zu werden. Der Hausblumengarten, mit einem vielgebrauchten englischen Wort auch Pleasure-ground genannt, soll ein abgeschlossenes und abgegrenztes (eingerahmtes) Bild gewähren voller Ruhe, Einheit und Harmonie, die durch zweckmäßige Verteilung von Licht und Schatten (durch die Bepflanzung) darzustellen sind. Man umgebe den G. mit einem Kranz höherer Bäume als Obergehölz, zwischen und vor denen mehr oder weniger kostbare, schön blühende Sträucher, zur Herstellung des Schlusses, als Untergehölz zu verteilen sind, die aber doch die Aussicht auf eine vielleicht vorhandene hübsche Partie der Nachbarschaft nicht verdecken sollen und die in rigolten Boden zu pflanzen sind. Um diese Sträucher luftig und die Partie geschlossen zu erhalten, werden sie jährlich beschnitten (s. Beschneiden); auch ist der Boden zwischen ihnen im Frühjahr mit dem abgefallenen Laub umzugraben und während des ganzen Jahrs von Unkraut rein zu halten. In der Mitte von solchem G. bilde man einen möglichst großen Rasenteppich (s. Rasen) mit einigen besonders schön blühenden oder schön beblätterten Bäumen und Sträuchern als Einzel- (Solitär-) Pflanzen. Hier sind auch die Rosen, einzeln oder in Gruppen, anzubringen. Um die Farbenkontraste im Bild zu steigern, sind hier auch die meist dunkelgrünen Koniferen einzeln oder in Gruppen anzuwenden, ebenso die Laubgehölze mit weißen, gelben oder roten Blättern oder solche mit hängenden Zweigen; doch dürfen dergleichen Kontraste nur sparsam vorkommen, weil sie sonst die wünschenswerte Einheit des Bildes stören. Diese unterbreche man auch nicht durch zu viele und schlangenähnliche Wege, sondern begnüge sich je nach der Größe des ganzen Gartens mit einem breiten Fahrweg dicht am Wohnhaus vorbei nach dem Hof, sowohl zur Anfahrt als auch für Holz-, Kohlenfuhren etc., sowie einem zweiten, dem sogen. Promenadenweg, breit genug (2 m), daß drei Personen nebeneinander gehen können (zur Vermeidung des sogen. Gänsemarsches), beide möglichst im langgezogenen doppelten Bogen (Hogarthsche Schönheitslinie). Die Wege sind möglichst fest und trocken anzulegen, beide Kanten in der Wasserebene, die Mitte etwas erhöht; 25 cm Steinkohlenasche unter einer dünnen Lage Schlick (Abraum von chaussierten Straßen) mit einer dünnen Decke gelbroten Kieses in Lehm genügt dem Zweck vollkommen. Das Unkraut auf den Wegen zerstört man durch Überbrausen mit einer Lauge, welche man erhält durch Kochen, bei beständigem Umrühren, von 1 Teil Schwefel mit Ätzkalk in 25 Teilen Wasser, und die durch Wasser noch mehr verdünnt wird. In den Rasenteppich gehören auch die Blumen, verhältnismäßig aber nur wenige (die Teppichbeete in den sogen. Floragärten gehören nicht hierher), um das Bild nicht allzu bunt zu machen und um Arbeit mit dem Putzen und Erneuern zu sparen (viel Blumen, viel Arbeit oder unsauberes Aussehen des ganzen Gartens). Zwei oder drei Blumengruppen mit je zwei, höchstens drei Blumenarten und Farben, auch einige Gesträuchpartien, vielleicht mit Blumen eingefaßt (hierzu passen die mehrjährigen Blumenpflanzen, die Stauden, ganz besonders gut), das reicht gewöhnlich aus, um ein ansprechendes, mit Farben nicht überladenes Bild zu schaffen. Aber man beachte die Farben der Blumen und stelle sie mit Verständnis für die Farbenharmonie nebeneinander. Darüber nur folgendes: Wir kennen nur drei Grundfarben: Rot, Blau und Gelb. Man denke sich dieselben gleichmäßig abgegrenzt auf einer Kreisfläche; alle drei oder je zwei von ihnen bilden einen sogen. charakteristischen Kontrast, von dem das Auge sich unbefriedigt wegwendet. Legt man um die Kreisfläche die drei Mischfarben: Grün aus Gelb und Blau, Violett aus Blau und Rot, Orange aus Rot und Gelb, so geht jeder Kontrast verloren, es entsteht der Mischmasch. Anders gestaltet sich aber das Bild, wenn wir die Grundfarbe der Kreisfläche neben die ihr gegenüberliegende Mischfarbe des Farbenkranzes stellen: Gelb neben Violett, Rot neben Grün, Blau neben Orange, so entsteht ein harmonischer Kontrast, der das Auge befriedigt, ihm wohlthut. Diese Regel beachte man bei allen Blumenzusammenstellungen, bei Sträußen, Blumentischen und im Garten; sie wird sich aber selten konsequent durchführen lassen, und man verwende deshalb viel weiße Blumen, denn Weiß hebt alle Disharmonie

auf, Weiß verdirbt nichts, Weiß macht jeden Fehler wieder gut. Zum bessern Verständnis diene nebenstehende Figur. Die Blumengruppen selbst, von möglichst einfacher, runder oder ovaler Form, oder im Stern vereinigt, werden 1/2 m tief ausgegraben, mit leichter, aber nahrhafter, doch nicht fetter Gartenerde gefüllt und vor jedesmaligem Bepflanzen mit sandiger sogen. Mistbeeterde gedüngt, aber nicht zu stark, um nicht das Wachstum auf Kosten des Blühens zu befördern. – Außer einer Sommerlaube im Schatten der Bäume, im kühlsten Teil des Gartens gelegen, bekleidet mit wildem Wein (Ampelopsis), amerikanischem Wein (Vitis odoratissima hybrida u. a.), Caprifolium (Geißblatt), Clematis, namentlich den Jackmannschen Hybriden u. dgl., bringe man an der sonnigsten Stelle, geschützt vor kalten Winden, auch noch eine Winterlaube an, deren Wand man mit Moos auspolstern, und deren Gitterwerk man an der sonnigsten Stelle mit dem chinesischen Süßstrauch (Wistaria oder Glycine chinensis) oder Traubenwein u. dgl. bekleiden kann, und in deren Nähe man die frühsten Frühlingsblumen anbringt, z. B. von Sträuchern: Seidelbast (Daphne), Kornelkirschen (Cornus mascula), Mandelbaum (Amygdalus communis) u. a.; von Zwiebelgewächsen: Tulpen, Hyazinthen, Krokus, Tazetten, Schneeglöckchen, Jonquillen, Maiblumen etc., die Anfang November dreimal so tief, als sie selbst groß sind, zu pflanzen oder [919] eigentlich nur einzulegen sind. Als Schutz gegen zu frühes Austreiben (der geringste Frühlingsfrost zerstört ihre zarte Blüte) empfiehlt sich eine Winterdecke von trocknem Laub und Fichtenreisig, die aber erst aufzulegen, wenn der Erdboden ziemlich hart gefroren ist. – Die Wände des Wohnhauses können mit Spalierobstbäumen, an der Südseite mit Weinstöcken bepflanzt, bez. bekleidet werden. Für die Bekleidung von in nächster Nähe des Wohnhauses aufzustellenden Veranden, Pergolen u. dgl. empfiehlt sich der Isabella- oder Constantiaweinstock als sehr schnellwüchsig, sehr wohlriechend und sehr fruchtbar. Litteratur und die verschiedenen Gartenstile s. unter Gartenbau.