MKL1888:Galvanotropismus
[346] Galvanotropismus nennt Verworn die Erscheinung, daß niedere Organismen, z. B. Ciliaten und andre Infusorien, einem konstanten galvanischen Strom ausgesetzt, vom positiven Pol (Anode) zum negativen (Kathode) wandern. Bringt man z. B. auf einen Objektträger mit zwei unpolarisierbaren Elektroden einen Tropfen Wasser, der eine Ciliate, z. B. Paramoecium aurelia, in möglichst großer Zahl enthält, so sieht man im Augenblick der Stromschließung schon mit bloßem Auge sämtliche Tiere die Anode verlassen und sich in dichten Scharen an der Kathode sammeln. Hier bleiben sie während der ganzen Dauer des Stromes, während die andre Seite leer bleibt. Gleich nach der Öffnung des Stromes kehren sie zur Anode zurück. Daß es sich bei dieser Erscheinung nicht um ein passives Davongeführtwerden mit strömenden Wasserteilchen handelt, beweist unter anderm der Umstand, daß, wenn man durch Ätherisieren die Wimperbewegung der Tierchen aufhebt, auch nicht die geringste Bewegung nach einem Pole zu stattfindet. Der G. ist also eine Lebenserscheinung. Werden die unpolarisierbaren Elektroden durch einfache Kupferelektroden ersetzt, so schwimmen die Protisten nach geschehener Stromschließung wie gewöhnlich zur Kathode, werden aber durch die sich dort bildenden giftigen Zersetzungsprodukte in schnelle Achsendrehung versetzt und sterben gewöhnlich, schon bevor sie die Kathode erreichen. Nach kurzer Zeit sind sie sämtlich tot in der Nähe der Kathode gesammelt. Vgl. Verworn, Psycho-physiologische Protistenstudien (Jena 1891). – Als G. bei Pflanzen haben Elfving und Brunchorst die Krümmungen der Wurzeln bezeichnet, die eintreten, wenn durch Wasser, in welchem sie wachsen, ein elektrischer Strom geht. Hierbei scheint indessen nur die negative Krümmung, d. h. die Abwendung von dem Strom, als G. bezeichnet werden zu dürfen.