Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Gabelentz“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 817818
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Gabelentz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 817–818. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Gabelentz (Version vom 03.07.2021)

[817] Gabelentz, 1) Hans Conon von der, namhafter Sprachforscher, geb. 13. Okt. 1807 zu Altenburg, studierte auf den Universitäten zu Leipzig und Göttingen Kameral- und Rechtswissenschaften und orientalische Sprachen, trat 1830 in den altenburgischen Staatsdienst und wurde 1831 zum Kammer- und Regierungsrat befördert. Seit 1847 Landmarschall im Großherzogtum Weimar, wohnte er 1848 dem Vorparlament zu Frankfurt bei und trat dann für die sächsischen Herzogtümer in die Zahl der 17 Vertrauensmänner ein. Später war er interimistischer Bundestagsgesandter bis zur Auflösung des Bundestags im Juli 1848. Ende November d. J. zum Ministerpräsidenten in Altenburg ernannt, gab er im August 1849 seine Entlassung. 1850 ging er als Mitglied des Staatenhauses für Altenburg zu dem Erfurter Parlament; 1851 wählte ihn die Landschaft des Herzogtums Altenburg zum Präsidenten. G. starb 3. Sept. 1874 auf seinem Familiensitz Lemnitz bei Triptis. Die Frucht eines mehrjährigen Studiums sind seine „Éléments de la grammaire mandchoue“ (Altenb. 1833). In der von ihm mitbegründeten „Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes“ lieferte er Aufsätze über das Mongolische und publizierte dann in Verbindung mit J. Löbe eine neue kritische Ausgabe der gotischen Bibelübersetzung des Ulfilas nebst Grammatik, Wörterbuch und lateinischer Übersetzung (Leipz. 1843–46, 2 Bde.). Später wendete er sich den Sprachen des finnischen Sprachstammes zu, der erste in Deutschland, der dieselben nach rationalen Grundsätzen bearbeitete. Er veröffentlichte in der erwähnten Zeitschrift (Bd. 2) eine mordwinische Grammatik und (Bd. 4) „Vergleichung der beiden tscheremissischen Dialekte“, bald darauf „Grundzüge der syrjänischen Grammatik“ (Altenb. 1841). Auf einem für uns fast neuen Sprachgebiet bewegen sich seine „Kurze Grammatik der tscherokesischen Sprache“ in Höfers „Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache“ (Bd. 3), die „Beiträge zur Sprachenkunde“, von denen die drei ersten Hefte (Leipz. 1852) Grammatiken der Dajak-, Dakota- und Kiririsprache enthalten, sowie seine „Grammatik mit Wörterbuch der Kassiasprache“ (das. 1857). Ferner erschienen in den „Abhandlungen“ der Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig (1860): „Die melanesischen Sprachen nach ihrem grammatischen Bau etc.“ (wovon 1873 der zweite Teil nachfolgte) und „Über das Passivum“ (Leipz. 1860); endlich gab er die Mandschu-Übersetzung der chinesischen Werke: „Se-schu“, „Schu-king“ u. „Schi-king“ mit mandschu-deutschem Lexikon (das. 1864) heraus. Auch die „Mitteilungen“ der Geschichts- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes enthalten von ihm zahlreiche und wertvolle Beiträge zur Kenntnis der Geschichte seines engern Vaterlandes. Nach seinem Tod erschien noch: „Geschichte des großen Liao, aus dem Mandschu übersetzt“ (Petersb. 1877). Die Zahl der Sprachen, die G. mehr oder weniger gründlich erforscht, und von denen er einen großen Teil zuerst wissenschaftlich bearbeitet hat, betrug über 80; seit 1846 war er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.

2) H. Georg Conon von der, ebenfalls Sprachforscher, Sohn des vorigen, geb. 16. März 1840 zu Poschwitz bei Altenburg, studierte 1859–63 in Jena und Leipzig Kameral- und Rechtswissenschaften, trat 1864 am Bezirksgericht zu Dresden in den sächsischen Staatsdienst und wurde später nach Leisnig versetzt. 1871–72 war er kommissarisch als Dezernent an der Präfektur zu Straßburg und als Adlatus des Kreisdirektors zu Mülhausen im Elsaß angestellt und bekleidete seit 1873 eine Assessorstelle beim Bezirksgericht zu Dresden, bis er 1878 als außerordentlicher Professor der ostasiatischen Sprachen an die Universität Leipzig berufen wurde. Für die Sprachwissenschaften früh begeistert, hatte G. schon als Knabe nacheinander Holländisch, Italienisch, Neuseeländisch, bald auch Chinesisch getrieben. Kaum [818] 17 Jahre alt, wandte er sich der indochinesischen Sprachvergleichung zu, stellte Lautgesetze unter diesen monosyllabischen Sprachen auf und faßte das Ergebnis in einer 1859 im Archiv des Altenburger Gymnasiums deponierten Arbeit zusammen. Seitdem hat er sich, außer mit Sanskrit, Zend etc., namentlich mit Chinesisch, Japanisch, Mandschu und Taumpakewa-Alifurisch beschäftigt. Arbeiten von ihm über das Konjugationssystem der Dajaksprache wie über das des Mandschu, Beiträge zu der mandschuischen und japanischen Litteratur und die vergleichende Syntax betreffende Aufsätze finden sich in der „Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft“, in der „Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft“ etc. Außerdem veröffentlichte er eine übersetzte und erläuterte Ausgabe des chinesischen metaphysischen Werkes „Thai-Khithu“ (Dresd. 1876) und, als sein Hauptwerk, die „Chinesische Grammatik“ (Leipz. 1881), der die „Anfangsgründe der chinesischen Grammatik“ (das. 1883) nachfolgten, sowie „Beiträge zur Kenntnis der melanesischen, mikronesischen und papuanischen Sprachen“ (mit A. B. Meyer, das. 1882).