MKL1888:Gógol-Janówskij
[471] Gógol-Janówskij, Nikolai Wasiljewitsch, einer der hervorragendsten russ. Schriftsteller und der bedeutendste russische Humorist, geb. 19. März (alten Stils) 1809 im Flecken Sorotschinzy im Gouvernement Poltawa, wurde im Lyceum des Fürsten Besborodko zu Neshin erzogen und versuchte sich bereits damals als Schriftsteller, so in der Novelle „Gebrüder Twerdislawitsch“, dem Trauerspiel „Die Räuber“ und der Ballade „Die beiden Fischlein“, in welcher er mit rührender Innigkeit sein und seines Bruders Schicksal schilderte. Nachdem er sich 1829 nach St. Petersburg gewendet, erhielt er im folgenden Jahr die Stelle eines Subalternbeamten im Apanagendepartement, die ihm jedoch wenig zusagte, und die er noch vor Jahresschluß aufgab. In dieser Zeit schrieb er seine erste bedeutende Erzählung: „Abende auf dem Meierhof unweit Dikanka“, und einige kleinere Sachen, welche die Aufmerksamkeit der litterarischen Welt auf ihn lenkten. Er lernte Puschkin kennen, mit dem er in engsten Verkehr trat, und wurde auf Verwendung des Schriftstellers P. A. Pletnjow ohne weitere Vorbereitung zum Oberlehrer der russischen Litteratur am patriotischen Institut zu Petersburg ernannt. Nachdem er diese Stelle bald wieder aufgegeben, erhielt er 1834 eine Anstellung als Adjunktprofessor an der Universität. Aber auch hier mußte er schon im nächsten Jahr seinen Abschied nehmen und widmete sich nun ganz der Litteratur. In dieser Zeit bis zu seiner 1836 unternommenen ersten ausländischen Reise erschienen einige seiner besten humoristischen Erzählungen: „Arabesken“, „Das Porträt“, „Newskij Prospekt“, „Die Mär von dem Streit zwischen Iwan Iwanowitsch und Iwan Nikiforowitsch“, „Die Nase“ etc., und das bedeutendste russische Lustspiel: „Der Revisor“, in welchem er die Bestechlichkeit u. Borniertheit der provinzialen russischen Beamtenwelt mit rücksichtsloser Schärfe geißelt. Bei der Aufführung erregte das Stück in den Kreisen der russischen Büreaukratie einen solchen Sturm von Unwillen, daß G. es nur der persönlichen Einmischung des Kaisers Nikolaus verdankte, daß kein Verbot der fernern Aufführung erfolgte. Von 1836 an verbrachte er die folgenden zehn Jahre meist im Ausland, wo er auch sein Hauptwerk schuf: „Tote Seelen“, ein unvollendet gebliebenes Sittengemälde voll köstlicher satirischer Typen. Im J. 1848 machte G., der mittlerweile das Opfer eines inhaltsarmen religiösen Mystizismus geworden war, eine Reise nach Jerusalem und kehrte dann nach Moskau zurück, wo er, geplagt von mystischen Halluzinationen und Gewissensskrupeln, 21. Febr. (alten Stils) 1852 einem Nervenfieber erlag. G. war eine genial angelegte realistische Dichternatur, die, einer umfassendern, tiefern geistigen Ausbildung ermangelnd, nach den Jahren frischer, unbewußter Schaffenskraft auf den Irrweg einer verderblichen einseitigen Gedankenrichtung geriet, in der sein mächtiges Talent zu Grunde ging. Ein trauriges Denkmal dieser Verirrung sind die 1847 herausgegebenen „Auserlesenen Stellen aus dem Briefwechsel mit seinen Freunden“, in welchen er geistigen Stillstand, religiöse Asketik, absolute politische Unterordnung unter die Staatsgewalt predigt. Nächst den „Toten Seelen“ ist Gogols bedeutendstes Werk die kleinrussische Erzählung „Taraß Bulba“, ein mit dramatischer Kraft und feuriger Farbenpracht ausgeführtes Gemälde des alten Kosakentums in der Ukraine. Nächst Puschkin und Turgenjew ist G. der populärste russische Schriftsteller. Seine Werke werden fortwährend neu aufgelegt und wurden auch mehrfach ins Deutsche übersetzt (neuerdings in Reclams „Universalbibliothek“ und in der „Kollektion Spemann“). Eine Gesamtausgabe derselben mit des Dichters Briefwechsel erschien zu Moskau (1856–57) in 6 Bänden.