Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Funktion“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 788
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Funktion. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 788. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Funktion (Version vom 09.04.2022)

[788] Funktion (lat.), Thätigkeit, Verrichtung, besonders amtliche; auch Verrichtung eines körperlichen Organs; funktionieren (fungieren), Amtsgeschäfte verrichten, in F. sein; Funktionär, einer, der in F. begriffen ist. In einem besondern Sinn wird das Wort F. in der Mathematik gebraucht. Um denselben verständlich zu machen, ist zunächst der Begriff einer stetig veränderlichen Größe (einer Variabeln) zu erklären. Man versteht unter einer solchen eine Größe, welche alle innerhalb eines bestimmten Intervalls gelegenen Werte successive annehmen kann, ohne beim Übergang von einem Wert zum andern irgend einen dazwischenliegenden zu überspringen, im Gegensatz zu einer konstanten Größe, welche einen bestimmten Wert unter allen Umständen behauptet. Sind nun beliebig viele veränderliche Größen mit Konstanten durch eine (algebraische oder transcendente) Gleichung verbunden, so sagt man, jede dieser Veränderlichen sei eine F. der übrigen, und schreibt, wenn , , , … die veränderlichen Größen bedeuten,

.

Hat man bloß zwei Veränderliche, so kann man die F. geometrisch durch eine ebene krumme Linie darstellen, indem der Abscisse eine oder eine Reihe von Ordinaten entspricht. Ebenso entspricht einer F. von drei Veränderlichen eine Oberfläche; bei mehr als drei Veränderlichen aber muß man auf das geometrische Bild verzichten. Bei einer F. von variabeln Größen läßt sich, wenn für derselben die Werte bekannt sind, die noch übrige te berechnen; ist z. B. in der drei Variable enthaltenden F.:

, so ist . Geometrisch würde dies heißen: zieht man durch den Mittelpunkt einer Kugel eine Gerade bis zur Kugelfläche, so wird dieselbe in diesem Punkt halbiert. Die neuere Wissenschaft vermochte mit dieser Definition, wie sie zuerst von Euler aufgestellt wurde, nicht auszureichen. Es möge, um dies zu erläutern, an folgendes Beispiel aus der Physik erinnert werden. Man weiß, daß jedem Temperaturgrad ein ganz bestimmtes Maß der Spannkraft des Wasserdampfs entspricht; in diesem Sinn ist also letztere eine F. der Temperatur, und trotzdem hat es noch nicht gelingen wollen, eine den Zusammenhang beider darstellende analytische Formel auszumitteln. Man sagt deshalb jetzt mit Lejeune-Dirichlet: die Variable ist dann eine F. der Variabeln , wenn zu jedem bestimmten Wert von innerhalb eines gewissen Intervalls ein bestimmter Wert von sich angeben läßt. Vgl. Hankel, Über die unendlich oft oszillierenden und unstetigen Funktionen (Tübing. 1870); Weierstraß, Abhandlungen aus der Funktionenlehre (Berl. 1886). Die besten Lehrbücher des ganz neu erstandenen Zweigs der Mathematik, der Funktionentheorie, welcher besonders durch Cauchy und Riemann ins Leben gerufen wurde, sind: Neumann, Vorlesungen über Riemanns „Theorie der Abelschen Integrale“ (Leipz. 1865); Thomä, Abriß einer Theorie der komplexen Funktionen (2. Aufl., Halle 1873); Durège, „Theorie der Funktionen einer komplexen veränderlichen Größe“ (3. Aufl., Leipz. 1882); Casorati, Teorica delle funzioni di variabili complesse (Pavia 1870); Du Bois-Reymond, Allgemeine Funktionentheorie (Tübing. 1882, Bd. 1).