Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Forstschulen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 447448
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Forstschulen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 447–448. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Forstschulen (Version vom 22.11.2023)

[447] Forstschulen. Nach Ziel und Einrichtung sind zu unterscheiden forstliche Hochschulen, forstliche Mittelschulen und niedere F. Die forstlichen Hochschulen erstreben die höchste forstwissenschaftliche Ausbildung und die Fortbildung der Forstwissenschaft, stützen die forstliche Lehre auf die derselben zu Grunde liegenden Wissenschaften (Grundwissenschaften), die Mathematik, die Naturwissenschaften, die Volkswirtschaftslehre und die Staatslehre, sind bemüht, das forstliche Wissen auf seine letzten Gründe zurückzuführen, sind reich ausgestattet mit Lehrkräften und Lehrmitteln und erfordern eine höhere Schulbildung (die Reife von einem humanistischen Gymnasium oder einem Realgymnasium). Sie sind teils selbständige Fachhochschulen (Forstakademien), welche einerseits den Unterricht in den Grundwissenschaften auf die forstliche Anwendung beziehen und in dieser Richtung teils beschränken, teils erweitern und vertiefen, und welche anderseits die forstliche Lehre in umfassender Weise an einen Unterrichtswald anlehnen, teils sind sie mit landwirtschaftlichen oder bergmännischen Fachschulen, teils mit polytechnischen Hochschulen oder Universitäten vereinigt. Forstakademien bestehen für Preußen in Eberswalde und in Münden; für das Königreich Sachsen in Tharandt; für Sachsen-Weimar in Eisenach; für Frankreich in Nancy seit 1824; für Rußland bei St. Petersburg seit 1813; für Schweden in Stockholm; für Spanien in San Lorenzo del Escorial, 1846 zu Villaviciosa bei Madrid errichtet, 1869 reorganisiert und nach San Lorenzo verlegt; für Italien seit 1869 zu Vallombrosa bei Florenz. Forst- und landwirtschaftliche Hochschulen sind vorhanden für Österreich zu Wien (Hochschule für Bodenkultur), seit 1875 nach Aufhebung der Forstakademie zu Mariabrunn, für Rußland zu Moskau. Mit polytechnischen Hochschulen ist der forstliche Unterricht verbunden für Baden in Karlsruhe, für die Schweiz in Zürich, mit der Universität für das Großherzogtum Hessen in Gießen, für Bayern in München, für Württemberg in Tübingen. Als Vorbereitungsschule für den forstlichen Universitätsunterricht in München dient seit 1878 die Forstlehranstalt in Aschaffenburg, welche bis dahin den forstlichen Gesamtunterricht erteilte.

Forstliche Mittelschulen erstreben eine forsttechnische Ausbildung für den Wirkungskreis der örtlichen Betriebsverwaltung, ohne eine allseitige Ausbildung in den Grundwissenschaften zu gewähren und die Fortbildung der Wissenschaft als Ziel zu verfolgen. Sie verlangen keine Gymnasialreife und wenden eine vorzugsweise auf praktische Schulung gerichtete Unterrichtsmethode an. Es gehören dahin in Österreich die F. zu Eulenberg (Mähren) seit 1852, zu Weißwasser (Böhmen) seit 1855, zu Lemberg (Galizien) seit 1874, für Finnland zu Evois seit 1862.

Niedere F. (Försterschulen) sind zur Ausbildung von Förstern bestimmt, die keine selbständige Verwaltung führen, sondern Forstschutzbeamte und Aufsichtsbeamte bei der Betriebsausführung sind. Sie erfordern die Vorbildung einer guten Volksschule und erteilen den Unterricht nach rein empirischer Methode. In Preußen bestehen seit 1878 Försterschulen zu Groß-Schönebeck und Proskau, außerdem sind 1880 bei sämtlichen Jägerbataillonen forstliche Fortbildungsschulen für den Försterdienst eingerichtet. In Österreich bestehen niedere F. zu Aggsbach in Niederösterreich (seit 1876, anstatt der 1875 aufgehobenen Forstschule in Hinterbrühl errichtet), ferner zu Wildalpen in Steiermark (seit 1874).

Forstarbeiterschulen (Waldbauschulen), Anstalten, in welchen Knaben nach Absolvierung der Volksschule zu Waldarbeitern, Kultur- und Holzhauermeistern für den Forstbetrieb herangezogen werden. Wenn sie gleichzeitig von Anwärtern für die untern Forstbeamtenstellen (Unterförsterstellen) besucht werden, so stehen sie den Försterschulen (s. oben) nahe. Doch unterscheidet sie von diesen immer die geringere Ausdehnung des Lehrstoffs. Der Unterricht in ihnen beschränkt sich meist auf die eigentlichen Waldbaumaßregeln, deren praktische Ausführung gelehrt und namentlich geübt wird (Kulturbetrieb, Holzhauereibetrieb, Bau der Waldwege und Holzbringungsanstalten), außerdem auf die hauptsächlichsten Maßregeln des Forstschutzes (Verbauungen in Gebirgsthälern, Wasserbauten etc.).

Für die Forsthochschulen in Deutschland beträgt die Studienzeit 2 (Preußen, Eisenach), 21/2 (Sachsen etc.), 3 (Hessen), bez. 4 Jahre (Baden, Bayern). Die rasch steigenden Anforderungen, welche an die Bildung des Forstmannes gestellt werden müssen, haben in neuerer Zeit den Gedanken angeregt, den forstakademischen Unterricht an die allgemeinen Hochschulen zu verlegen. Diese Frage hat nicht allein die spezifisch forstlichen Kreise, sondern auch die Landesvertretungen (z. B. in Bayern) lebhaft beschäftigt. Vgl. Danckelmann, Forstakademien oder allgemeine Hochschulen? (Berl. 1872); Lothar Meyer, Die Zukunft der deutschen Hochschulen etc. (Bresl. 1874). Die ersten F. sind in Deutschland entstanden und zwar in Gestalt von praktischen Lehranstalten, welche von Privatleuten errichtet und von einem einzigen Lehrer geleitet wurden, als sogen. Meisterschulen. So die von dem Oberforstmeister Zanthier in Ilsenburg um 1765 begründete, einst weit berühmte Meisterschule; die in Böhmen durch v. Ehrenwerth errichtete; die des Oberförsters v. Uslar in Harzburg (1790); die in Hungen (1789–97) unter G. L. Hartig, welche noch 1797–1806 in Dillenburg fortbestand; die Meisterschule von H. Cotta in Zillbach (1785–1811). Weitere derartige Schulen bestanden in Ruhla unter G. König (1809–30), zu Gernsbach unter dem Oberforstmeister Drais (1795–1800), zu Dessau unter v. Gorschen (1798), in Homburg v. d. Höhe unter Forstmeister Lotz (1812–18), in Rothenburg a. T. unter Wittwer (1819), in Bessungen bei Darmstadt unter K. [448] Heyer (1810), in Bothnang (Württemberg) unter Oberförster Jeitter (1795–97), in Karlsruhe unter Forstrat Laurop (1809–20), in neuerer Zeit auch noch in Remplin (Mecklenburg) unter Forstmeister Garthe (1822–34), in Hohensolms unter Klipstein (1810–1820), in Weilmünster (Nassau) unter Oberförster Genth (1822). Die erste öffentliche Forstschule ward zu Berlin 1770 durch den Minister v. Hagen ins Leben gerufen, deren einziger Lehrer der Botaniker Gleditsch bis zu seinem Tod (1786) war. Seit 1787 leitete der Oberforstmeister v. Burgsdorf den forstlichen Unterricht. Die Schule bestand bis 1802. Von da bis 1821 gab es in Preußen keine öffentliche Forstlehranstalt; nur an der Berliner Universität wurden von G. L. Hartig forstwissenschaftliche Vorträge gehalten, wie auch schon früher von Kameralisten an andern Universitäten. 1821 wurde im Anschluß an die Berliner Universität eine Forstakademie errichtet und Fr. W. L. Pfeil als Professor der Forstwissenschaften berufen. Die Anstalt wurde 1830 nach Neustadt-Eberswalde (jetzt Eberswalde) verlegt. Vgl. Danckelmann, Die Forstakademie Eberswalde (Berl. 1880). Dem Beispiel Preußens folgte 1772 Herzog Karl von Württemberg, indem er der von ihm 1770 begründeten Militärakademie zu Solitüde eine Forstschule anfügte. Als die Akademie 1775 nach Stuttgart verlegt und „hohe Karlsschule“ genannt wurde, erhielt sie die Forstschule als eine besondere Fakultät; Stahl, nach ihm v. Hartmann lasen hier Forstwissenschaft. 1782 errichtete Herzog Karl auch eine Försterschule zu Hohenheim. Beide Anstalten verfielen mit seinem Tod (1793). Erst 1818 wurde für die württembergischen Feldjäger wieder ein geordneter Unterricht eingerichtet, 1826 aber die Forstakademie in Hohenheim errichtet, welche Gwinner bald zu hoher Blüte hob. Seit 1881 ist der forstliche Unterricht mit der Universität Tübingen verbunden. In Bayern wurde 1786 der erste Versuch gemacht, eine Forstschule auf wissenschaftlicher Grundlage zu errichten, aber ohne Erfolg. Die Schule wurde 1790 eröffnet, Däzel und Grünberger als Lehrer bestellt; aber den Schülern fehlte die rechte Vorbildung, und die Schule gelangte zu keiner Blüte. Als Aschaffenburg 1814 an Bayern kam, wurde die seit 1807 dort bestehende Forstschule beibehalten, 1819 und 1824 reorganisiert, dann aufgehoben und erst 1843 wieder errichtet. Seit 1878 ist der forstliche Unterricht in Bayern derartig geteilt, daß die dortigen Aspiranten auf den Staatsforstdienst die ersten beiden Jahre auf der Forstschule in Aschaffenburg und die beiden letzten Jahre an der Universität zu München studieren müssen. In Sachsen wurde die Cottasche Meisterschule in Zillbach, welche mit ihrem Meister 1811 nach Tharandt gewandert war, 1816 zur landesherrlichen Forstakademie erhoben und nahm bald eine hervorragende Stelle unter den forstlichen Unterrichtsanstalten ein, welche sie bis auf die Gegenwart behauptet hat. Auch aus andern Meisterschulen entwickelten sich forstliche Mittelschulen und öffentliche Forsthochschulen. Zu Mittelschulen erhoben sich die Meisterschulen in Dillenburg und Homburg. Andre forstliche Mittelschulen entstanden in Kiel (1785) für das dänische Jägerkorps, wo Aug. Niemann lehrte (der Verfasser des sogen. Landesvaters), in Schwarzenberg unter Forstmeister Friedel (1800), in Eichstätt (1804), in Waldau (Kurhessen), später in Fulda (1798 erichtet, 1816 nach Fulda verlegt) unter E. Fr. Hartig. Zu einer Forsthochschule entwickelte sich die Königsche Meisterschule in Ruhla, welche 1808 begründet und 1830 als Staatsanstalt nach Eisenach verlegt wurde. (Vgl. Grebe, Die großherzoglich sächsische Forstlehranstalt zu Eisenach, Eisenach 1880.) Seit 1795 hatte Johann Matthäus Bechstein auf der Kemnate bei Waltershausen in Thüringen eine Privatforstschule errichtet, welche 1800 als landesherrliche Forstakademie nach Dreißigacker bei Meiningen verlegt ward und unter Bechsteins Direktion bis 1822 blühte, von da an bis 1843 noch kümmerlich vegetierte und dann aufgehoben wurde. Die Forstschule des Polytechnikums in Karlsruhe wurde 1832, die in Braunschweig 1838 errichtet und Th. Hartig an letztere als Lehrer der Forstwissenschaften berufen. 1877 wurde die Forsthochschule in Braunschweig aufgehoben. In Hannover bestand 1821–49 eine forstliche Mittelschule in Verbindung mit dem Feldjägerkorps in Klausthal, später in Münden. Seit 1868 besteht in letzterer Stadt die zweite preußische Forstakademie. In Kurhessen entwickelte sich die Forstschule in Fulda 1825 zu einer Revierförsterschule, welche bis 1866 in Melsungen bestand. Endlich wurde 1825 in Gießen eine Forstlehranstalt errichtet und 1831 mit der Universität verbunden; an derselben lehrten Hundeshagen, Karl Heyer u. Gustav Heyer. Zur Geschichte des Forstunterrichtswesens in Deutschland vgl. Bernhardt, Geschichte des Waldeigentums, der Waldwirtschaft und Forstwissenschaft (Berl. 1872–75, 3 Bde.).