Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Flußpferd“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 412
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Flußpferd. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 412. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Flu%C3%9Fpferd (Version vom 24.04.2023)

[412] Flußpferd (Hippopotamus L.), Säugetiergattung aus der Ordnung der Huftiere, der Unterordnung der paarzehigen Dickhäuter und der Familie der Plumptiere (Obesa) mit der einzigen Art H. amphibius L. (Nilpferd). Dies ist ein plumpes, unförmliches Tier, 4 m lang, 1,5 m hoch, bis 2500 kg schwer, mit 45 cm langem Schwanz, fast viereckigem Kopf, langer, hoher, vorn sehr breiter, aufgeschwollener Schnauze, kleinen Ohren und Augen, kurzem, kräftigem Hals, langgestrecktem, schwerfälligem, dickem Körper, in der Mitte herabhängendem Bauch, unverhältnismäßig kurzen Beinen, vier Hufen an jedem Fuß und kurzem, dünnem, am Ende mit kurzen, drahtähnlichen Borsten versehenem Schwanz. Die gebogenen Eckzähne des Unterkiefers werden bei alten Männchen 4–6 kg schwer, bis 80 cm lang, ragen aber nicht aus der Schnauze hervor. Die über 2 cm dicke Haut ist vielfach durchfurcht, höchst spärlich mit kurzen Borsten bewachsen, eigentümlich kupferbraun, an der Oberseite dunkler, an der Unterseite heller und ziemlich regelmäßig bräunlich und bläulich gefleckt, oft auch heller und fast weiß. Die Haargefäße der Haut schwitzen bei Erregung des Tiers eine dünnflüssige, blutartige Absonderung aus. Seine Stimme ist ein tiefes, weithin hallendes Brüllen, bei ruhigem Lagern ein Grunzen. Das F. findet sich in allen größern Strömen und Seen des innern Afrika, im Nil gegenwärtig nicht mehr diesseit des 18. Breitengrades, während es in Süd-, Ost- und Westafrika viel weiter nach der Küste herabgeht als im Norden, sogar ins Meer hinaus und nach Sansibar schwimmt. In Flüssen mit wechselndem Wasserstand unternimmt es förmliche Wanderungen. Das F. verläßt das Wasser nur ausnahmsweise, um sich auf den Sandbänken zu sonnen, und des Nachts, wenn der Strom selbst nicht reich an Pflanzen ist, um im Wald oder auf Feldern zu weiden. Es lebt gesellig, ist am Tag träge, in der Nacht munter, schwimmt sehr gut, ist äußerst gefräßig und reizbar und greift auf seinen Weidegängen alle sich bewegenden Gestalten an. Dadurch wird es sehr gefährlich und durch das Zerstampfen und Vertilgen großer Pflanzenmassen zu einer wahren Landplage. Es zermalmt Rinder, weicht auf den Weidegängen auch dem Menschen nicht aus und vermag in der Wut selbst Schiffe von mittlerer Größe zu gefährden. Es wirft im ersten Drittel der Regenzeit nach 7–8monatlicher Trächtigkeit ein Junges, und die Mutter greift zur Verteidigung desselben selbst am Tag Schiffe und Menschen an. Man fängt das F. in Falllöchern oder harpuniert es; eine Büchsenkugel durchdringt kaum die Haut. Fleisch und Fett sind sehr geschätzt, besonders von jungen Tieren; die geräucherte Zunge gilt als Leckerbissen. Die Haut wird zu Peitschen verarbeitet, die Zahnsubstanz wie Elfenbein benutzt. Das F. war den Alten wohl bekannt und wird in den ägyptischen Schriften Flußschwein genannt, es muß damals sehr häufig gewesen sein und wurde, wie Inschriften und bildliche Darstellungen beweisen, viel gejagt; aber schon im 4. Jahrh. n. Chr. kam es in Ägypten nicht mehr vor. Allgemein wird der Behemoth im Buch Hiob auf das F. bezogen. Im spätern Judentum knüpften sich an den Behemoth ähnliche phantastische Fabeleien wie an den Leviathan. In Rom führte zuerst Marcus Scaurus 58 v. Chr., dann Augustus und andre Kaiser ausgewachsene Tiere in Kampfspielen und Triumphzügen vor. Seitdem gelangte bis zur Mitte des 16. Jahrh. und dann wieder bis in die neueste Zeit keins dieser Tiere nach Europa. 1859 kamen die beiden ersten Flußpferde nach Deutschland, in Amsterdam haben sich Flußpferde fortgepflanzt. Alle diese Tiere wurden jung eingefangen, nachdem die Mutter erlegt war. Man zieht sie mit Kuhmilch auf. Den Afrikanern gilt das F. gar nicht als ein von Allah erschaffenes Wesen, sondern als ein Kind der Hölle. Der H. major Cuv. aus dem Diluvium des mittlern und südlichen Europa war nur wenig von dem jetzt lebenden verschieden. In den Tertiärbildungen Ostindiens kommen mehrere Arten vor.