Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Fechtkunst“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 8991
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Fechtkunst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 89–91. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Fechtkunst (Version vom 31.03.2023)

[89] Fechtkunst (franz. Escrime, engl. [art of] Fencing) bezeichnet sowohl die Lehre vom Fechten als die Fertigkeit im Gebrauch der blanken Waffen zum Kampf, speziell im Kampf zu zweien. Sie wird nicht mit Unrecht eine Kunst genannt, denn wenn man dieselbe auch durch Übung nach ihren Regeln sich aneignen kann, so setzt doch die Erlangung eines gewissen Grades von Vollkommenheit eine individuelle geistige und körperliche Veranlagung voraus. Insofern die F. ein Mittel ist, die Gewandtheit und Sicherheit der Bewegung des Körpers zu fördern, Muskeln und Nerven zu stählen, den persönlichen Mut zu heben, die Willenskraft und Entschlossenheit zu stärken, bildet sie einen hervorragenden Teil der Gymnastik.

Zum Fechten im allgemeinen dienen alle blanken Kriegswaffen: Degen, Pallasch, Säbel, Lanze, Bajonettgewehr, im besondern aber und als Übungswaffen zum Erlernen der F. das Rapier. Die Art der Waffe bedingt auch die Art des Fechtens; man unterscheidet hiernach Waffen für den Stoß und Waffen für den Hieb und dem entsprechend das Stoßfechten und das Hiebfechten, wobei nicht ausgeschlossen ist, daß der Degen nicht auch gelegentlich zum Hieb, der Säbel zum Stoß verwendet werden könnte.

Das Rapier besteht aus der Klinge und dem Gefäß. Das Stoßrapier (Stoßfechtel, Florett, Fleuret) hat eine zwei-, auch dreischneidige (letzteres mit Hohlschliffen heißt Parisien), scharf zugespitzte Klinge. Beim Übungsrapier ist die Klinge jedoch meist vierkantig und endet vorn in einen belederten Ball. Die Klinge des Haurapiers (Hieber, Schläger) ist meist eine Rückenklinge, aber breiter und stärker als die des Stoßrapiers, für die Übung stumpf, für den Ernstkampf vorn auf eine gewisse Länge geschärft. Das Gefäß besteht aus dem zum Handschutz dienenden glocken- oder tellerförmigen Stichblatt, dem Griff und dem Bügel, der sich quer über die Glocke als Parierstange fortsetzt. Die Länge des Rapiers soll der Größe des Fechters angemessen sein. Die Klinge, von der Spitze bis zum Gefäß, soll etwa die Länge des ausgestreckten Armes von der Spitze des Mittelfingers bis zum Hals, 80–90 cm, haben. Man teilt sie der Länge nach in vier gleiche Teile, die, vom Gefäß beginnend, die ganze und halbe Stärke, ganze und halbe Schwäche, diese also in die Spitze auslaufend, heißen. Während die Schwäche derjenige Teil der Klinge ist, mit dem man den Gegner zu treffen sucht (daher Offensivteil), werden mit der Stärke die Stöße und Hiebe des Gegners aufgefangen oder abgelenkt, pariert, daher Defensivteil. Der Schwerpunkt der Waffe soll innerhalb der ganzen Stärke liegen. Es sei bemerkt, daß die Fechtersprache, ähnlich wie die des Jägers und aller mehr oder weniger in engem Rahmen sich bewegenden, sportsmäßig betriebenen Beschäftigungen, angefüllt ist mit technischen Ausdrücken fechterischer Bedeutung, häufig sogar von provinzieller Beschränkung; dieser entsprechen nicht selten die Lehrbücher der F. Soweit diese Ausdrücke der Kunstsprache nachstehend keine Erwähnung haben finden können, ziehe man die einzelnen Fechtschulen zu Rate.

[Das Stoßfechten.] Die Gegner nehmen ohne Rücksicht auf die Haltung der Waffe Stellung (Position), mit der Waffe die Auslage. Der rechte Fuß steht etwa 11/2 Fußlängen so vor dem gequerten linken, daß beide ungefähr einen Winkel von 120° bilden; beide Kniee sind gebeugt, doch so, daß der Körper mehr auf dem linken Fuß ruht, der rechte hin- und herschwingen (balancieren) und stampfend niedergesetzt werden kann (Stampftritt, Appell); der rechte (Fecht-) Arm ist gestreckt, die linke Hand liegt vor der Brust, nahe dem Kinn; dem Gegner ist die rechte Körperseite zugewendet. Die Entfernung, in welcher die Gegner sich gegenüberstehen, heißt Abstand (Mensur); die Mensur ist eng, wenn die gekreuzten Klingen sich in den Stärken, mittel oder normal, wenn sie sich in der Mitte, und weit, wenn sie in den Schwächen sich berühren, binden. Üben die Klingen einen Druck gegeneinander aus, so hat man belegt (engagiert, stringiert); hebt man die Berührung auf, so heißt dies abgehen (degagieren). Man kann im Lauf des Kampfes seinen Abstand ändern, indem man sich dem Gegner nähert, avanciert; geschieht es durch Vorsetzen des rechten Fußes (Attirieren) und Strecken des linken Kniees, so ist es ein Ausfall; eine Passade ist es, wenn hierbei der linke vor den rechten Fuß gesetzt wird, um dem Gegner zu folgen. Die entgegengesetzten Bewegungen sind das Retirieren, Rompieren, das Brechen der Mensur. Wendungen des Körpers unter gleichzeitigem Heranziehen des linken Fußes an den rechten oder Herumschlagen desselben im Halbkreis, um dem Stoß des Gegners auszuweichen, heißen Viertel-, halbe oder ganze Volten.

Die Stöße sowohl als die Deckungen (Paraden) werden zunächst nach der Faustlage benannt, mit der sie ausgeführt werden. Die Faustwendungen werden

Fig. 1.
Primlage.
Fig. 2.
Sekundlage.
Fig. 3.
Terzlage.
Fig. 4.
Quartlage.

durch Drehung im Handgelenk ausgeführt, wobei man vier Hauptlagen der Faust unterscheidet. Bei der Primlage (Fig. 1) liegt der Daumen oben (Lion nennt sie „Speich“), sie ist die Faustlage bei der Auslage; in der Sekundlage (Fig. 2) liegt der kleine Finger oben (Ellenhaltung bei Lion), in der Terzlage (Fig. 3) der Handrücken (Rist bei Lion), in der Quartlage (Fig. 4, Kamm bei Lion) die Finger. Zwischen den Hauptlagen werden noch als Mittellagen Halbterz und Halbquart, oder Tief- und Hochterz, oder Tief- und Hochquart unterschieden. Kein Stoß läßt sich mit Aussicht auf Erfolg nach einem Körperteil führen, den die Waffe des Gegners bedeckt, sondern nur dahin, wo sie ihn, absichtlich oder zufällig, ungeschützt läßt; solche Stellen heißen Blößen. In die Blöße sucht der Gegner hineinzustoßen. Jeder Kampf besteht aus Angriff und Verteidigung, so auch das Fechten. Gegen den Stoß des Angreifers verteidigt sich der Gegner, indem er die Spitze der auf ihn eindringenden Klinge von ihrem Weg so weit abzulenken sucht, daß sie an seinem Körper vorbeisticht. Gelingt ihm dies, so hat er den Stoß pariert, sich gedeckt. Stoß und Parade stehen sich also gegenüber, [90] und die F. lehrt nicht nur, einen Stoß zu führen, sondern auch ihn zu parieren. Das Ziel der Stöße ist der zunächst liegende Körperteil des Gegners, die rechte Schulter und die Brust. Daher kommt es, daß man alle Stöße, die andre Körperteile treffen, Saustöße oder Bastardstöße nennt, obgleich dem Ernstkampf schwerlich vorgeschrieben werden kann, seinen Gegner nicht durch einen Saustoß zu bezwingen.

In Bezug auf den Angriff des Gegners unterscheidet man Vor-, Mit-, Gegen- oder Nachstöße. Man kommt z. B. dem Stoß des Gegners durch einen Vorstoß zuvor, trifft ihn mit einem Mitstoß (a tempo, Tempostoß) zugleich, deckt sich durch einen Gegenstoß, während er stößt, und läßt den einfachen oder Doppel-Nachstoß (Riposte, Reprise) seinem Anstoß sofort folgen. Ein Stoß ist fest, wenn dabei unausgesetzt auf die Klinge des Gegners ein stärkerer Druck ausgeübt

Fig. 5.
Benennungen der Hiebe:
ab Kopf- oder Primhieb – ba Sekundhieb – ef Gesichtsterz – fe Gesichtsquart – cd Mittelterz – dc Brustquart – gh steile Terz – hg Tief- oder Bauchquart – ik Schulterquart – ki Tiefterz.

wird, um sie beiseite zu drängen; er ist flüchtig, wenn man sie kaum berührt. Der Druck gegen die Klinge des Gegners, das Stringieren, Binden oder Belegen derselben, wird als eins der vorzüglichsten Mittel angewendet, um sich eine Blöße zu verschaffen. Denselben Zweck verfolgen die Battute, ein Streifschlag gegen die feindliche Klinge, die Ligade, eine Schleuderbewegung, um die Waffe des Gegners zur Seite zu schleudern, sowie das Winden, eine kreisende Bewegung hart an der Klinge des Gegners und rund um dieselbe herum, wobei sowohl der Stoß an Kraft gewinnt, als die Blöße sich erweitert. Wenn zwischen gleich gewandten Fechtern dem Gegner die Deckung gegebener Blößen stets mit Sicherheit gelingt, sobald der Angreifer sie benutzen will, dann droht das Gefecht zum Stillstand zu kommen. Zur Belebung desselben dienen die Finten oder Scheinstöße; sie bezwecken eine Täuschung des Gegners dadurch, daß man ihn glauben macht, es solle ein Stoß in die von ihm gegebene Blöße geschehen. Dieser Stoß wird aber nicht ganz ausgeführt, sondern nur angedeutet; pariert der Gegner denselben, so gibt er sich eine anderweitige Blöße, in die nun schnell der wirkliche Stoß geführt wird. Eine solche Finte ist eine einfache; wird aber die durch eine solche Finte geöffnete Blöße nochmals fintiert, so entsteht eine doppelte Finte. Finten sind daher ihrem Wesen nach Doppelstöße, die schnell aufeinander folgen. Ist einer der Fechtenden durch einen Stoß getroffen, sitzt ein Stoß, oder ist ihm bei einer Ligade die Waffe entwunden, er also entwaffnet, desarmiert, so ist ein Gang beendet. Aus solchen freien Gängen besteht das Kontrafechten oder Kürfechten. Während des Fechtens ist der Blick unverwandt nach dem Stichblatt des Gegners gerichtet. Es gilt für kunstvoller, sich gut zu verteidigen, als mit Angriff und Verteidigung zu wechseln. Das Parieren der Klinge des Gegners mit der linken Hand ist wohl erlaubt, nicht aber das Festhalten derselben, was sich übrigens bei scharfen Klingen von selbst verbietet. Beide Hände sind mit ledernen Stulphandschuhen bekleidet.

[Das Hiebfechten.] Die Hauptregeln und Benennungen sind beim Hiebfechten dieselben wie beim Fechten auf den Stoß. Die Benennungen der Hiebe sind aus Fig. 5 ersichtlich. Die richtige Mensur ist die, wenn die Spitze des Rapiers bei ausgestrecktem Arm die Brust des Gegners berührt. Die Fechter bekleiden sich mit lang bestulpten, gefütterten Fechthandschuhen und einer aus Eisendraht geflochtenen Gesichtsmaske. Die Auslage ist entweder halb Terz, halb Quart oder, wie auf Universitäten bei enger Mensur üblich, die Spitze der Klinge nach unten gekehrt, verhängte Auslage. Der vordere Fuß wird stark gestreckt, der hintere nach links gebogen. Der linke Arm liegt auf dem Rücken. Die Bewegungen der Faust müssen auch hier, wie beim Stoßfechten, im Handgelenk stattfinden, jedoch so, daß dabei stets die Schneide des Rapiers dem Gegner zugekehrt ist; alle Hiebe müssen mit völlig geradem, gestrecktem Arm erfolgen; durchaus fehlerhaft ist es daher, den Arm zu biegen oder zu erheben, um mit aller Kraft loszuhauen. Alle übrigen Bewegungen: das Avancieren, Retirieren, die Volten wie die Vor-, Mit-, Gegen- und Nachhiebe, die Finten, kommen hier ebenso zur Anwendung wie beim Stoßfechten; auch die Doppelhiebe sind hier zwei oder mehr rasch hintereinander geführte Hiebe, und der Atempohieb ist ein Gegenhieb. Auch ein Universalhieb wird angewendet, bei welchem die Spitze der Klinge eine liegende ∞ beschreibt; dieser Form nach (Schlingenlinie) wird der Hieb auch Lemniskate genannt. Solcher Hieb wird unter stetem Zugehen auf den Gegner in einem fort vor seinem Gesicht ausgeführt, um ihn zum Rückzug zu zwingen oder seine Attacke abzuhalten. Auf den Universalhieb gründet sich das namentlich in Frankreich gebräuchliche Batonnieren, das Stockfechten. Man bedient sich hierzu eines etwa 1,75 m langen, kräftigen Stockes, der mit beiden Händen beim Fechten gehalten wird. Es fand schon in den römischen Heeren sorgsame Pflege und war vor mehr als zwei Jahrhunderten eine fast im ganzen Frankreich volkstümliche Kunst, während es jetzt nur noch in den nördlichen Provinzen in breitern Volksschichten sich heimisch findet. Hier lernte es der sächsische Hauptmann v. Schmitz während der Okkupation nach dem Befreiungskrieg kennen und übertrug dasselbe auf das Bajonettgewehr. Nach seiner Rückkehr entwickelte er hieraus 1818 die Lehre vom Bajonettieren oder Bajonettfechten, die Benutzung des Gewehrs zum Stoß und zur Parade für Angriff und Verteidigung im Einzelkampf. Nach heutiger Ansicht hat es nur gymnastischen Zweck, soll es den Körper kräftigen und das Vertrauen zum Gewehr als blanker Waffe wecken, so daß sich der Mann im Augenblick der Gefahr so helfen kann. Das Bajonettfechten besteht aus Stößen und Paraden mit fester und beweglicher Mensur, Nach-, Gleit- und Wurfstößen, Finten, zusammengesetzten Paraden mit beweglicher Mensur und dem freien Kontrafechten.

Das Fechten mit krummen Säbeln geschieht im allgemeinen nach den Regeln für das Hiebfechten; hat der Säbel weder Glocke noch Korb, so müssen die Hiebe mit der halben Stärke aufgefangen werden. Die Natur der krummen Klingen gestattet keine senkrechten und wagerechten Hiebe, weil sie meist flach fallen, [91] sondern nur schräge, sogen. Zwischenhiebe, steile und tiefe Terz, hohe und tiefe Quart. Der zu Pferd sitzende Kavallerist wendet gegen bajonettierende Infanteristen den Eskadronhieb an, der aus mehreren aufeinander folgenden Zirkelhieben besteht.

Das Fechten mit der Lanze ist ein Stoßfechten. Die gefällte Lanze liegt mit ihrem untern Ende in der Achselhöhle und wird mit der rechten Hand wagerecht gehalten. Dies ist die Auslage der Lanze, in welche dieselbe sowohl nach dem Stoß als nach der Parade zurückgeführt wird. Zum Stoß, der nach allen Seiten geschehen kann, wird sie erst etwas zurückgezogen und dann kräftig vorgeschnellt, während die Paraden nur in kurzen Schlägen mit der Lanze nach der Waffe des Angreifers bestehen.

[Geschichte.] Die F. ist uralt; schon bei den Griechen und Römern fand man Fechtmeister (armaturae doctores). Bekannt sind die Fechterschulen in den spätern Zeiten der römischen Republik und des Kaiserreichs, in welchen Sklaven in der F. unterrichtet und zu den öffentlichen Fechterspielen abgerichtet wurden. Wie gründlich die F. im römischen Heer betrieben wurde, berichtet Vegetius. Weitere Ausbildung erfuhr die F. durch das Ritter- und Turnierwesen des Mittelalters, welche mit dem Waffenrecht auch bei den Bürgern der größern Städte Eingang fanden. Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrh. vollzog sich unter dem Druck der großen Fortschritte im Feuerwaffenwesen ziemlich schnell der Übergang von der mittelalterlichen zur neuern Fechtweise. Wie sich aber seit Beginn des 12. Jahrh. alles in Zünfte, Gilden oder Innungen vereinigte, so finden sich schon frühzeitig dem Bürgerstand angehörige privilegierte Fechtergesellschaften. Die älteste derselben war in der Reichsstadt Frankfurt a. M. unter dem Namen der Brüderschaft von St. Markus vom Löwenberg unter einem Hauptmann und vier Meistern zusammengetreten. Sie erhielt vom Kaiser Friedrich III. am 10. Aug. 1487 zu Nürnberg den ersten Privilegiumsbrief für das Deutsche Reich, der zuletzt von Rudolf II. zu Prag 10. Juli 1579 erneuert wurde. Wenn ihnen gegenüber einer als Fechter auftreten wollte, so hieben diese „Marxbrüder“ ihn alsbald so zusammen, daß er sich ihnen entweder in die Schule gab, oder ganz vom Fechten abstand. Dadurch kam die Frankfurter Fechtschule sehr in Ruf, so daß auch, wer der Waffen kundig war und in Deutschland eine Fechterschule halten wollte, in der Herbstmesse nach Frankfurt zu ziehen pflegte. Dort ward er von den Meistern des Schwertes probiert, d. h. der Hauptmann und die vier Meister fochten öffentlich vor den Augen der Bürger mit ihm. Bestand er bei der Probe, so ward er mit dem großen Prunkschwert kreuzweise über die Lenden geschlagen, wofür er 2 Goldgulden für die Brüderschaft aufs Schwert legte, und empfing dann die „Heimlichkeit“, die in allerlei Kunstgriffen bei der Führung des Schwertes bestand. Nun durfte er das Wappen der Marxbrüder, einen Löwen, führen und in ganz Deutschland das Fechten lehren. Nach ihrem Muster bildeten sich auch andre Fechtervereine, so der der Veitsbrüder in Prag, denen Kaiser Rudolf II. 7. März 1607 den Privilegiumsbrief verlieh; sie führten in ihrem Wappen eine Schreibfeder und auf dem Helm darüber einen geflügelten Greif, daher ihre Obern „Meister des langen Schwertes über die Gesellschaft der Freifechter von der Feder“ hießen, und hatten St. Veit zum Schutzpatron. Aus ihrem Wappen leitete sich ihr volkstümlicher Name der „Federfechter“ ab. Ihr Hauptmann nebst Lade und Urkunden waren in Prag, der Oberhauptmann beider Gesellschaften als ihr Vertreter und Anwalt aber beständig im kaiserlichen Hoflager. Beide Gesellschaften hatten gleichen Fechtbrauch und gleiche Fecht- und Ringgesetze. Über eine dritte Partei, die sogen. Luxbrüder, mangeln bestimmte Nachrichten; doch sollen von ihnen die sogen. Klopffechter abstammen, die auf den Jahrmärkten umherzogen und sich mit ihren Fechterkünsten für Geld sehen ließen. Wie aus dem Fechtbuch des Straßburger Freifechters J. Meyer vom Jahr 1570 hervorgeht, war das „Rapierfechten“ erst neuerlich in Aufnahme gekommen; Fechtwaffen waren noch das Schwert, der Dolch, Spieß, die Hellebarde und der Dusack, eine griff- und stichblattlose, schwertartige Waffe, die mit langem Eisenhandschuh gehandhabt wurde. Anfang des 16. Jahrh. verbreitete sich von Toledo aus der leichte „spanische Degen“, zunächst nach Italien, wo er sich auf den Universitäten einbürgerte, von hier im Lauf eines Jahrhunderts durch die dort studierenden jungen Leute vom Adel überall in Deutschland und Frankreich bekannt und bald die bevorzugte Waffe der Fechter wurde. Mit der Verbreitung der Feuerwaffe kamen die Fechtergesellschaften der Bürger und Handwerker in Verfall, und an ihre Stelle traten die Schützenkompanien. Dagegen erhielt sich das Fechten als Bestandteil einer ritterlichen oder adligen Erziehung an den Kadetten- und Militärschulen und auf den deutschen Universitäten, wo man das Recht in Anspruch nahm, den Degen als Zeichen des Adels zu tragen. Der Degen, den man damals und später auf Universitäten trug, war der sogen. Renkontredegen, zum Hieb und Stoß gleich brauchbar, obgleich er vorzugsweise zum Stoßen gebraucht wurde. Privilegierte Fechtschulen für die deutschen Universitäten, auf denen die F. forthin am meisten blühte, entstanden erst im 17. Jahrh., als Wilhelm Kreußler aus Nassau, der 1618 in Frankfurt Marxbruder geworden war, in Jena privilegierter Fechtmeister ward. Er ist der eigentliche Gründer des deutschen Stoßfechtens, welche Kunst sich von Jena aus auf die andern deutschen Universitäten und bis ins Ausland verbreitete. Weiter ausgebildet wurde sie namentlich von dessen Schülern und den Gebrüdern Roux (s. unten). Dieser theoretischen Fortbildung des Stoßfechtens ungeachtet ist dasselbe doch in Rücksicht auf seine Gefährlichkeit praktisch auf den meisten deutschen Universitäten, seit 1843 auch in Jena und Erlangen, abgekommen und dafür das Hiebfechten ausschließlich eingeführt worden. Dagegen werden in Frankreich noch heute alle Duelle mit blanker Waffe (sogar bei Streitigkeiten unter den Unteroffizieren) mit dem Stoßdegen ausgefochten.

Vgl. J. A. K. Roux: Anweisung in der deutschen F. auf Stoß und Hieb (Jena 1798), Anweisung zum Hiebfechten (Fürth 1803), Die deutsche F. (Stoßfechten; 2. Aufl., Leipz. 1817); Joh. Wilh. Roux, Anleitung zur F. nach mathematisch-physikalischen Grundsätzen (Jena 1808); F. A. W. L. Roux (Sohn des vorigen): Anweisung zum Hiebfechten (2. Aufl., das. 1849), Die Kreußlersche Stoßfechtschule (das. 1849), Deutsches Paukbuch (2. Aufl., das. 1867); Ludw. Cäsar Roux (Sohn des vorigen), Die Hiebfechtkunst (das. 1885); Riemann, Anweisung zum Stoßfechten (Leipz. 1834); Segers, Das Hiebfechten (2. Aufl., Bonn 1837); Rothstein, Das Stoß- und Hiebfechten (Berl. 1863); Lübeck, Lehr- und Handbuch der deutschen F. (das. 1869); Hergsell, Die F. (Wien 1881); Lion, Das Stoßfechten (Hof 1882); Montag, Neue praktische Fechtschule (2. Aufl., Berl. 1884); Weiland, Handbuch der F. (Wiesb. 1885); F. Schultze, Die F. mit dem Haurapier (Heidelb. 1885).