Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eulenspiegel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 909910
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Eulenspiegel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 909–910. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eulenspiegel (Version vom 01.04.2023)

[909] Eulenspiegel, Till, bekannter deutscher Schalksnarr, zu Kneitlingen bei Schöppenstädt im Braunschweigischen gegen Ende des 13. Jahrh. geboren, zog, von früher Jugend auf lose Streiche spielend, in der Welt umher, erst im Niedersächsischen und Westfälischen, dann auch in Italien und in Polen, wo er mit dem Hofnarren des Königs Kasimir d. Gr. einen Wettstreit hatte. Er starb 1350 in Mölln unfern Lübeck, wo noch heute unter einer Linde sein Leichenstein mit einem Spiegel und einer Eule zu sehen ist. Da man aber auch zu Damme in Belgien einen Leichenstein mit Eulenspiegels Namen fand, worauf 1301 als sein Todesjahr angegeben ist, so kam man auf die Vermutung, daß E. eine fingierte Person sei. Indessen macht eine Stelle in der Hettlingschen Sassenchronik (1455 geschrieben) mehr als wahrscheinlich, daß der berühmte Schalksnarr dieses Namens wirklich 1350 in Mölln an der Pest starb, während der in Damme verstorbene vielleicht der Vater desselben [910] war. Wenn nun auch die historische Existenz eines E. nicht abzuweisen ist, so ist doch das Volksbuch, welches seine Abenteuer und Streiche überliefert, eine Sammlung schon längst bekannter heimischer und fremder Sagen und Schwänke, die zum Teil vom Pfaffen Amis und Pfaffen vom Kalenberg auf E. übertragen worden sind. Die ursprünglich niederdeutsche Fassung des überaus häufig gedruckten Volksbuches ist nicht mehr vorhanden; aus ihr entstand die älteste hochdeutsche Bearbeitung, welche vielleicht von Thomas Murner herrührt (zuerst Straßb. 1515, erst jüngst im Britischen Museum entdeckt; Neudruck, Halle 1885; sodann Straßb. 1519; neue Ausgabe von Lappenberg, Leipz. 1854). Der nächstälteste Druck, etwa 1520–30, ist kölnisch (nicht niedersächsisch), aus Servais Kruffters Offizin (photolithographische Nachbildung, Berl. 1865). Eine Bearbeitung des Stoffes in Versen gab Fischart („Der E. reimenweis“, Frankf. 1571). Übersetzt wurde das Volksbuch ins Böhmische, Polnische, Italienische, Englische (als ein Miracle-play: „A merge fest of a man that was called Howleglas“, bei W. Copland und in Farricks „Old plays“, Bd. 10), ins Niederländische, Dänische, Französische und Lateinische. Eine gute Erneuerung desselben veröffentlichte Simrock („Ein kurzweilig Lesen von Till E. Nach den ältesten Quellen“, Frankf. 1878). Nachahmungen, die an den Namen und Charakter des E. anknüpfen, sonst aber ganz selbständig auftreten, erschienen mehrere, so in neuester Zeit: „Till E., modernes Heldengedicht“ von Böttger (Leipz. 1850) und „Till E. Redivivus, ein Schelmenlied“ von J. Wolff (Berl. 1875). – Den Namen E. (l’Espiègle) trägt auch ein sehr seltenes Kupferblatt von Lucas van Leiden.