Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Erle“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 791792
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Erle. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 791–792. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Erle (Version vom 01.12.2024)

[791] Erle (Eller, Else, Alnus Gärtn., s. hierzu Tafel „Erle“), Gattung aus der Familie der Kupuliferen, Bäume und Sträucher mit länglichen, rundlichen oder herzförmigen, gezahnten oder gesägten Blättern, gestielten Laubknospen, monözischen Blüten in Kätzchen und entfernt an die Zapfen der Nadelhölzer erinnernden eirundlichen Früchten, die bis spät ins nächste Frühjahr hängen bleiben. Die gemeine, rote oder schwarze E. (Roterle, Schwarzerle, Urle, Alnus glutinosa L., s. Tafel), mit unbehaarten, in der Jugend klebrigen Zweigen, rundlichen, ausgeschweift gezahnten, nur im Winkel der Nervenäste bärtigen, selten auf diesen selbst behaarten, gestielten Blättern, ist ein schlanker Baum von 4–25 m Höhe und findet sich in ganz Europa bis ins südliche Skandinavien, in Nordafrika, im Orient, in Sibirien und Japan. Die E. liebt nassen, humusreichen Boden,

[Beilage]

[Ξ]

Erle.
Schwarzerle (Alnus glutinosa).
1. Triebspitze mit den nächstjährigen vorgebildeten männlichen und weiblichen Kätzchen. – 2. Männliches Blütenkätzchen. – 3, 4, 5, 6. Eine dreiblütige Kätzchenschuppe, von vorn, von der Seite (an einem Stück der Spindel ansitzend, von unten und von hinten gesehen. – 7, 8. Eine vierzipfelige einzelne Blüte von der Seite und von oben, mit 4 Staubbeuteln. – 9. Weibliches Blütenkätzchen. – 10. Weibliche Blütenschuppe mit den 2 zweiteiligen Blütchen. – 11. Letztere allein. – 12, 13, 14. Zapfenschuppe von innen (mit den 2 Früchten), von außen und von vorn gesehen. – 15. Eine Frucht. – 16. Diese, quer durchschnitten. – 17. Die reifen Fruchtzäpfchen. – 18. Ein entleertes Fruchtzäpfchen. – 19. Eine Triebspitze mit 3 Knospen. – 20. Querdurchechnitt des Zweigs. (Nur 1, 2, 17, 18, 19, 20 sind in natürlicher Größe gezeichnet.)

[792] ist daher eine treue Begleiterin der Bäche und Flüsse und bildet namentlich im nordöstlichen Deutschland die Erlenbrücher, in welchen die gewöhnlich weitläufig stehenden Bäume aus sumpfigem Boden hervorwachsen. Ihre Kronenabwölbung beginnt mit dem 20.–30. Jahr; später zeigt sie nur langsamen Zuwachs, erreicht aber auf gutem Standort in 80–100 Jahren einen runden, vollholzigen Stamm von 25 m Höhe bei 60–90 cm Durchmesser. Sie besitzt eine lang anhaltende, große Ausschlagsfähigkeit, namentlich am Wurzelstock; während ihr der Wurzelausschlag fast gänzlich abgeht. Das Holz ist weich, leicht spaltbar, fest, ziemlich grob, frisch gehauen gelbrot, nach dem Trocknen hell rostrot, im Wasser sehr, im Trocknen wenig dauerhaft. Die E. leidet nicht selten durch Windbruch und durch den Erlenrüsselkäfer, dessen Larve im Holz lebt; von Krankheiten wird der Baum dagegen kaum heimgesucht. Man benutzt Erlenholz zu Wasserbauten, Brunnenröhren, Wasserleitungen, Holzschuhen, vorzüglich aber als Brennholz; der Erlenmaser steht denen der Birke und Rüster wenig nach; die Rinde dient in Slawonien und einigen Orten Rußlands zum Gerben, gelegentlich auch zum Färben. Der Same ernährt im Winter eine große Menge samenfressender Vögel, als Erlen- und Bergzeisige, Stieglitze etc. Die graue E. (weiße, weißgraue oder rote E., A. incana L.) hat stets behaarte, nie klebrige Zweige, breit elliptische, doppelt gezahnte, anfangs durchaus, später nur auf dem Mittelnerv und seinen Hauptästen der grau- oder etwas blaugrünen Unterfläche behaarte Blätter und eine glatte, silbergraue Rinde, ist durch fast ganz Europa und Nordasien verbreitet, geht weiter nach Norden, steigt im Gebirge höher als die vorige und findet sich auch in den nördlichen Staaten Nordamerikas. Sie wächst meistens strauchartig, erreicht aber als Baum eine Höhe von 10 m. Sie liebt weniger nassen Böden und treibt zahlreiche Wurzelbrut. Das Holz ist heller als bei der vorigen, etwas feiner und dichter, feinzelliger; frisch gefällt, riecht es nach Möhren. Man benutzt es wie das der Roterle. Die Weißerle spielt in der nordischen Mythologie eine große Rolle: aus ihr ging die Frau hervor, aus der Esche der Mann. Die Alpenerle (Birkenerle, Drossel, A. Alnobetula Ehrh., Betula alpina Borkh., A. viridis Dec.), in den mitteleuropäischen und italienischen Gebirgen, ein hübscher Strauch der Alpen von 2–4 m Höhe, in der Kultur bisweilen ein kleiner Baum, hat in der Jugend behaarte Zweige und eirundliche, rautenförmige, unregelmäßig gesägte, auf beiden Flächen gleichfarbige Blätter und steht in eigentümlicher Weise zwischen den Gattungen Birke und E. Im Habitus gleicht sie der letztern, während die Einzelheiten der Blüten mehr zu den Birken hinneigen. Sie bildet auf den höchsten Gebirgskämmen gewissermaßen ein Laubholzseitenstück zur Krummholzkiefer. Das Holz ist weiß, zäh, mittelmäßig hart und dient als Brennholz.

Eine forstwirtschaftliche Bedeutung besitzen für das mittlere Europa nur A. glutinosa und A. incana, erstere als der Waldbaum der feuchten Senken und des Bruchbodens im norddeutschen Flachland, letztere als der lebenszähe forstliche Dienstmann, der überall am Platz ist, wo man schnell bedeutende Massen geringen Brennholzes erziehen will, in den feuchten Seifen (Schlanken, Schluchten) der Bergländer sowohl als auch auf den trocknern Böden des Vorgebirges u. Flachlandes. Beide Erlenarten sind ausgezeichnet durch ihr Ausschlagvermögen und ihren sehr raschen Wuchs; die beste Bewirtschaftungsart für Erlenbestände ist der Niederwaldbetrieb, der auch als der im allgemeinen herrschende zur Zeit angesehen werden kann. Dem Schwarzerlen-Niederwaldbetrieb wird eine Schlageinteilung und ein meist 20–30jähriger Umtrieb zu Grunde gelegt. Erstere muß so gelegt werden, daß jeder Schlag zugänglich ist, was in den Moorböden Norddeutschlands nicht immer ganz leicht ist. Die Abfuhr des geschlagenen Holzes durch vorliegende junge Schläge bei Frostwetter verursacht großen Schaden, da das Erlenholz überaus brüchig ist. Einzelne im Hochwald zerstreut liegende Erlenniederungen werden gewöhnlich in Verbindung mit den sie umgebenden Hochwaldbeständen in der Art bewirtschaftet, daß sie bei Gelegenheit der periodischen Durchforstungen mit abgetrieben werden. Der Hieb in den Erlenniederwaldungen erfolgt meist bei Frost, da die Brücher sonst nicht zugänglich sind. Alles Holz wird gerückt, d. h. an festen Wegen, auf höhern Rücken, auf Dämmen etc. zusammengebracht, wo es bis zum Verkauf stehen bleibt. Die Kultur der Schwarzerle erfolgt am besten durch Pflanzung. Man erzieht die Pflanzen in besondern Saatkämpen. Fast jedes Jahr bringt Samen, der jedoch nur ein Jahr lang keimfähig bleibt. Man sammelt ihn Ende November. 1 hl Samen wiegt etwa 30 kg. Den Boden im Saatkamp stark zu lockern, ist zumeist nicht ratsam, da der feuchte und gelockerte Boden stark auffriert. Der Same wird meist breitwürfig gesäet und schwach mit Erde bedeckt. Man säet pro Ar 1,5–1 kg Samen. Die Pflänzchen müssen gegen das überwuchernde Gras geschützt werden. Sie sind ein- bis zweijährig direkt aus der Saatschule verpflanzbar, doch hat man in neuester Zeit starke ein- oder zweijährige Erlenpflänzlinge noch einmal im Pflanzkamp verschult und verspricht sich von dieser Züchtung große Erfolge. Die Weißerlen-Niederwaldungen werden gewöhnlich in kürzerm, 12–24jährigem Umtrieb bewirtschaftet.