Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Erdbeere“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 737738
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Wiktionary: Erdbeere
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Erdbeere. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 737–738. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Erdbeere (Version vom 17.10.2023)

[737] Erdbeere (Fragaria L.), Gattung aus der Familie der Rosaceen, meist weich- oder seidenhaarige Kräuter mit perennierendem, dickem, holzigem, fadenförmige Ausläufer treibendem Wurzelstock, grundständigen, langgestielten, meist dreizähligen Blättern, weißen Blüten, meist in Trugdolden an der Spitze des aufrechten, armblätterigen Schaftes, und bei der Reife saftig fleischigem, eine Scheinbeere bildendem Fruchtboden, der auf seiner Oberfläche die Nüßchen als kleine Körnchen trägt. Die wenigen Arten sind in den gemäßigten und alpinen Klimaten der nördlichen Erdhälfte, Südamerikas und auf den Maskarenen heimisch. Die gemeine E. (wilde oder Walderdbeere, Knickbeere, F. vesca L.) hat oberseits weichhaarige Blätter, einen bei der Fruchtreife zurückgekrümmten Kelch, an den Blütenstielen angedrückte Haare und findet sich in Wäldern und Gebüschen fast durch ganz Europa; in den Gärten der aromatischen Früchte halber bisweilen angepflanzt. Eine Abart, die Monatserdbeere (Felsen- und [738] Alpenerdbeere, F. semperflorens Hayne), blüht vom Mai bis September, trägt sehr wohlschmeckende, große, kugelförmige Früchte, wird in Gärten kultiviert, liefert wenigstens zwei Ernten. Die Hügelerdbeere (Knackbeere, Bresling, portugiesische E., F. collina Ehrh.), mit am Fruchtboden anliegendem Kelch und wagerecht abstehendem Flaum an den Blütenstielen, wächst auf trocknen, sonnigen Anhöhen, an Rainen in Deutschland und in der Schweiz. Die hochstengelige E. (große Wald-, Moschus-, Muskateller-, Zimterdbeere, F. elatior Ehrh.) gleicht der ersten Art, ist aber größer und stärker, hat einen bei der Fruchtreife abstehenden und leicht zurückgebogenen Kelch, ist an den Blütenstielen wagerecht abstehend behaart, diözisch und findet sich in lichten Gebirgswäldern, besonders Laubhölzern, Europas. Die Früchte haben ein eigentümliches, moschusähnliches Aroma. Die virginische E. (Scharlach-, Himbeererdbeere, F. virginiana Mill.), mit abstehendem Kelch, angedrückten Haaren an den Blütenstielen und den oberseits kahlen Blättern, stammt aus Virginia und findet sich hier und da in Deutschland, besonders in Weinbergen, verwildert. Sie trägt reichlich und früh, die Früchte sind mittelgroß oder klein, mit festem Fleisch, sehr wohlschmeckend. Die großblumige E. (Ananaserdbeere, F. grandiflora Ehrh., F. Ananasa Duch.), mit der Frucht angedrücktem Kelch, abstehend behaarten Blütenstielen und sehr großer, fleischiger, aber etwas wässeriger Frucht, aus Nordamerika stammend, wird in Europa in zahlreichen Formen kultiviert. Dasselbe gilt von der Chile-Erdbeere (F. chiloënsis Ehrh.), mit geschlitztem, dem reifen Fruchtboden angedrücktem Kelch, die aus Chile stammt, die größten, sehr gewürzigen Früchte trägt, im Winter aber leichten Schutz verlangt. Die indische E. (F. indica Andr.), mit gelben Blüten und süßlicher Frucht ohne Aroma, wird selten gebaut.

Aus diesen Grundformen sind durch die Kultur eine Menge Varietäten und Bastarde entstanden, welche zum Teil große, vortreffliche Früchte liefern. Sie gedeihen am besten in etwas sandigem, humosem Lehmboden, der eine warme Lage hat. Man rigolt 66 cm tief und düngt mit halbverrottetem, lockerm Dünger. Im August oder Anfang September oder im zeitigen Frühjahr werden höchstens ein Jahr alte Pflanzen, womöglich Erstlinge, die sich zunächst der Mutterpflanze an den ersten Knoten der Ausläufer gebildet haben, gepflanzt, weil diese reichere Erträge liefern. Sie werden auf besondern Schulbeeten gekräftigt und, nachdem sie gut bewurzelt sind, einzeln, 40–60 cm voneinander, je nach der Größe der Früchte, in Reihen und Verband auf die Pflanzbeete gebracht. Die Beete bedeckt man zwischen den Pflanzen vorteilhaft mit alter Lohe, Sägespänen etc. Die sich später bildenden Ranken werden nach der Entwickelung eines jungen Pflänzchens an dem ersten Knoten 2–3 cm von der Mutterpflanze abgeschnitten. Während des Fruchtansatzes gießt man mehrmals mit flüssigem Dünger. Im Herbst gibt man eine Oberdüngung durch Stallmist oder künstlichen Dünger, im zweiten und dritten Jahr werden die Pflanzen angehäufelt, und nach der dritten Ernte beschafft man eine Neupflanzung.

Erdbeersorten für die Tafel.

1) Monatserdbeeren: Janus, La Meudonnaise, Quatre saisons de Versailles, Gaillon rouge, Blanche d’Orléans, Gaillon blanc. 2) Moschuserdbeeren: Belle Bordelaise, Royal Hautbois. 3) Scharlacherdbeeren: May Queen, Krösus. 4) Chile-Erdbeeren: Belle de Nantes, Jeanne Hachette, v. Roon, Lucida perfecta, Lucia. 5) Ananaserdbeeren: a) Sehr früh reifende: Avenir, Deutsche Kronprinzessin, Eliza, Early prolific, Marguerite, Président, Prinzeß Dagmar, Sir Joseph Paxton. b) Mittelfrühe: Miß Nicholson, Amateur, British Queen, Carolina superba, Deutsche Kaiserin, Deutscher Kronprinz, La Constante, Duc de Malakow, Duke of Edinburgh, Empreß Eugenie, Eugen Fürst, Fairy Queen, v. Stein, Germania, Her Majesty, La petite Marie, Lucas, Perfection, Präsident Wilder, Rudolf Goethe, La Savoureuse, Sir Harry, Triomphe de Paris, White pine apple. c) Spät reifende: Admiral Dundas, Alwine, Aromatic, Barnes’ large white, Bijou, Boule d’or, La Châlonnaise, Direktor Fürer, Graf Bismarck, Graf Moltke, M. Radcliffe, Sir Charles Napier, Souvenir de Kieff, Unser Fritz. d) Sehr spät reifende: Baron Brisse, La Delicieuse, Dr. Hogg, Helene Gloedu, Reus van Znidwijk, Rifleman.

Erdbeeren verdienen viel mehr, als bisher bei uns geschehen, im großen kultiviert zu werden. Die Amerikaner haben Feldkultur eingeführt und erzielen die lohnendsten Erträge; bei Aberdeen in Schottland wurden schon 1864 etwa 1000 Ztr. geerntet, und auch bei Staufenberg im Badischen hat man mit großem Vorteil die Kultur im großen aufgenommen und vom Morgen einen Ertrag von 560 Gulden erzielt. – Walderdbeeren enthalten 12,85 Proz. feste Stoffe, und von diesen sind 6,75 Proz. im Saft gelöst; der Rest besteht aus 5,48 Cellulose, 0,3 Pektose und 0,3 Salzen. Von den löslichen Bestandteilen sind 3,9 Proz. Zucker, 1,49 freie Säure, 0,59 eiweißartige Stoffe, 0,097 Pektin und 0,67 Salze. Dagegen enthalten Garten- (Ananas-) Erdbeeren 12,53 Proz. feste Bestandteile, von denen 9,66 im Saft gelöst sind, nämlich 7,57 Zucker, 1,33 freie Säure, 0,36 eiweißartige Stoffe, 0,12 Pektin und 0,48 Salze. Die unlöslichen Bestandteile sind 1,81 Cellulose, 0,90 Pektose und 0,15 Asche. Sollen Erdbeeren eingemacht werden und dabei ihr Aroma behalten, so dürfen sie nicht erhitzt werden. Man schichtet sie mit reinstem Zuckerpulver, welches bald zu Sirup zerfließt. In solcher Weise zubereitete Erdbeeren halten sich an einem kalten Ort ziemlich lange; erhitzt man sie in verschlossenen Gläsern in kochendem Wasser, so werden sie freilich haltbarer, büßen aber auch an Aroma ein. Vgl. Göschke, Das Buch der E. (Berl. 1874).