Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eisvogel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 487488
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Eisvogel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 487–488. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eisvogel (Version vom 20.01.2023)

[487] Eisvogel (Alcedo L.), Gattung aus der Ordnung der Klettervögel und der Familie der Eisvögel (Alcedinidae), Vogel mit langem, dünnem, geradem, von der starken Wurzel an nach und nach zugespitztem, an den scharfen Schneiden ein wenig eingezogenem Schnabel, kurzem Hals, kurzen Flügeln, in denen die zweite und dritte Schwinge am längsten sind, sehr kurzem Schwanz, sehr kleinen, kurzen Füßen, an denen die beiden äußern der drei Vorderzehen bis zum zweiten Gelenk verwachsen sind, und zu einer kleinen Holle verlängerten Hinterkopffedern. Der E. (Ufer-, Wasser-, Seespecht, Martinsvogel, A. ispida L., s. Tafel „Klettervögel“), 17 cm lang, 27–28 cm breit, auf Oberkopf und Hinterhals grünschwarz, meerblau schmal quergebändert, Schultern, Flügeldecken und Außenfahne der braunschwarzen Schwingen dunkel meergrün, die mittlern Teile der Oberseite schön blau, ein Streifen über den dunklern Zügeln, ein Längsfleck am untern Augenrand bis hinter die Ohrgegend, die Unterseite und die untern Schwanz- und Flügeldecken lebhaft zimt-rostrot, Kinn und Kehle gelblichweiß, ein breiter Streifen, der sich an der Schnabelwurzel herabzieht, die Enden der obern Brustseitenfedern, die seitlichen Schwanzdecken und die Schwanzfedern dunkelblau; das Auge ist braun, der Schnabel schwarz, die Wurzel des Unterschnabels rot, der Fuß lackrot; er findet sich in ganz Europa bis Dänemark, Livland, Esthland, im westlichen Mittelasien und Nordwestafrika, lebt bei uns einzeln an bewaldeten Flußufern und Bächen mit klarem Wasser, in den Alpen bis 1800 m, und bleibt, wenn das Wasser bei schnellem Lauf nicht zufriert, selbst im Winter, während er unter minder günstigen Verhältnissen wandert und dann bis Griechenland und Nordostafrika geht. Er hält sich stets sehr versteckt, schläft unter einer überhängenden Uferstelle oder in einer Höhlung, fliegt reißend schnell über das Wasser hin, nährt sich von kleinen Fischen, Krebsen und Kerbtieren, ist sehr gefräßig und stößt von seinem Sitz am Ufer aus pfeilschnell auf vorüberschwimmende Fische. Unverdauliche [488] Teile seiner Nahrung speit er in Gewöllen aus. Er hackt an trocknen, schroffen Uferrändern ein 60 cm tiefes Loch von 5 cm Durchmesser, erweitert es am hintern Ende, pflastert es mit Fischgräten und legt hier im Mai oder Juni 6–7 sehr große, weiße Eier (s. Tafel „Eier I“, Fig. 1), welche das Weibchen in 14–16 Tagen ausbrütet. Jung eingefangene Vögel gewöhnen sich leicht, alte nicht immer an die Gefangenschaft. Bei den Alten war der E. Gegenstand vieler Mythen und Fabeleien (vgl. Halkyone). Er baute angeblich sein Nest auf dem Wasser aus Fischgräten, versah es mit einer Thür, die nur er zu öffnen vermochte, und brütete im Dezember an heitern Tagen (Halkyonische Tage). Das Weibchen sollte dem Männchen mit treuer Liebe anhängen, es im Alter mit sich herumtragen und bis zum Tod füttern, aber nach dem Tode des Männchens unter kläglichem Gesang ebenfalls sterben. Der tote E. sollte den Blitz ablenken, Frieden in das Haus, Windstille aufs Meer bringen und wurde gleichsam als Kompaß benutzt; daher verglich Shakespeare die Hofschranzen mit dem E., der in seinen Bewegungen der Richtung des Windes folgt. Er ist als winterlicher Vogel dem St. Martin, dem heiligen Totengräber, geweiht und bestreut bei Shakespeare unbegrabene Leichen mit Totenblumen. – Im Pelzhandel versteht man unter E. das pelzähnliche Gefieder des Eistauchers.