Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eichhorn“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 360361
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Eichhorn. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 360–361. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eichhorn (Version vom 18.11.2021)

[360] Eichhorn, 1) Johann Gottfried, Orientalist und Historiker, geb. 16. Okt. 1752 zu Dörrenzimmern im Fürstentum Hohenlohe-Öhringen, studierte in Göttingen, ward Rektor zu Ohrdruf, 1775 Professor der orientalischen Sprachen zu Jena und 1788 zu Göttingen, wo er namentlich auch über die politische Geschichte alter und neuer Zeiten und über Litteraturgeschichte las. Er ward daselbst 1813 Mitdirektor der königlichen Societät der Wissenschaften, 1819 Geheimer Justizrat und starb 25. Juni 1827. Von seinen Werken sind zu nennen: „Urgeschichte“ (hrsg. von J. Ph. Gabler, Nürnb. 1790–93, 2 Bde.); „Die hebräischen Propheten“ (Götting. 1816–20, 3 Bde.); „Allgemeine Geschichte der Kultur und Litteratur des neuern Europa“ (das. 1796–99, 2 Bde.; unvollendet); „Übersicht der französischen Revolution“ (das. 1797, 2 Bde.); „Litterärgeschichte“ (das. 1799; Bd. 1, 2. Aufl. 1813; Bd. 2, 1814); „Geschichte der Litteratur von ihrem Anfang bis auf die neuesten Zeiten“ (das. 1805–13, 6 Bde.; Bd. 1, 2. Aufl. 1821, unvollendet); „Weltgeschichte“ (das. 1799–1814, 5 Bde.; 3. Aufl. 1818–20); „Geschichte der drei letzten Jahrhunderte“ (das. 1803–1806, 6 Bde.; 3. Aufl. 1817–18); „Geschichte des 19. Jahrhunderts“ (das. 1817) u. a. In seinen Bearbeitungen der „Historisch-kritischen Einleitung in das Alte Testament“ (Leipz. 1780–83, 3 Bde.; 4. Aufl., Götting. 1824, 5 Bde.) und der „Einleitung in das Neue Testament“ (das. 1804–14, 3 Bde.; neue Aufl. 1820–27, 5 Bde.) lieferte er das erste Beispiel einer rein litterarhistorischen, auf Kenntnis des Altertums und Morgenlandes gegründeten Behandlung der biblischen Urkunden im Zusammenhang. Gleichwohl haben seine berühmtesten Entdeckungen, wie die kühne Urevangeliumshypothese, jetzt meist nur noch historischen Wert. Er gab auch das „Repertorium für biblische und morgenländische Litteratur“ (Götting. 1777–86, 18 Bde.) und die „Allgemeine Bibliothek der biblischen Litteratur“ (Leipz. 1787–1801, 10 Bde.) heraus.

2) Johann Albrecht Friedrich, preuß. Staatsmann und Rechtsgelehrter, geb. 2. März 1779 zu Wertheim a. M. als Sohn eines gräflich Löwensteinschen Kammerrats, studierte 1796–99 die Rechte und Geschichte in Göttingen, ward 1800 Auskultator bei der kleveschen Regierung, 1801 Auditeur und Regimentsquartiermeister in Hildesheim, 1806 Assessor beim Kammergericht zu Berlin, 1810 Kammergerichtsrat und zugleich Syndikus bei der neuerrichteten Universität zu Berlin. Er gehörte zu dem Kreis patriotischer Männer, welche an Preußens Wiedergeburt arbeiteten und seine Erhebung vorbereiteten. 1813 war er Mitglied des Ausschusses für Landwehr und Landsturm zu Berlin und folgte im August d. J. als Freiwilliger dem Blücherschen Hauptquartier bis zur Einnahme von Leipzig. Hier wurde er vom Minister vom Stein zum Mitglied der Zentralverwaltung der gegen Frankreich verbündeten Mächte über die eroberten deutschen Lande ernannt. Die Wirksamkeit dieser Verwaltung beschrieb er in der anonym erschienenen Schrift „Die Zentralverwaltung der Verbündeten unter dem Freiherrn vom Stein“ (Deutschland 1814). 1815 beauftragt, den Staatsminister Altenstein in der Verwaltung der besetzten französischen Provinzen zu unterstützen, machte er sich sehr verdient um die Wiedererlangung der geraubten deutschen Schätze der Wissenschaft und Kunst sowie um die Liquidation der zahllosen Privatreklamationen aus Preußen und andern deutschen [361] Ländern an Frankreich. Er ward sodann Geheimer Legationsrat im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, später auch vortragender Rat bei dem Staatskanzler v. Hardenberg und 1817 Mitglied des Staatsrats. E. gehörte von 1817 bis 1840 zu den verdienstvollsten und einflußreichsten Staatsmännern, welche die Grundlagen der spätern Machtentwickelung Preußens damals geschaffen haben. Er bearbeitete besonders die deutschen Angelegenheiten, erwarb sich um die Gründung des Zollvereins die größten Verdienste und war unausgesetzt dafür thätig, Preußens Einfluß auf die andern deutschen Staaten zu verstärken. 1831 wurde er zum Direktor im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und im Oktober 1840 zum Wirklichen Staatsminister und Minister für die geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten ernannt. In Übereinstimmung mit den Wünschen Friedrich Wilhelms IV. suchte er als Minister die Kirchlichkeit im Volk zu heben. Er begünstigte die durch die Hengstenbergsche „Kirchenzeitung“ vertretene Partei, in deren Sinn die meisten Besetzungen höherer Lehr- und Verwaltungsämter erfolgten, und rief dadurch vielfach Unwillen und Protestadressen an den König, an manchen Orten auch Austrittserklärungen von Geistlichen und die Stiftung der sogen. Freien Gemeinden hervor. Dagegen gelang es ihm nicht, eine Synodalverfassung der evangelischen Kirche zu stande zu bringen. Er bot durch Errichtung der katholischen Abteilung in seinem Ministerium die Hand zu der Emanzipation der katholischen Kirche von der Aufsicht des Staats; die ultramontane und die pietistisch-orthodoxe Partei gelangten unter und durch E. zu einer die Staatsinteressen schädigenden Bedeutung. Ein vortrefflicher Politiker im Auswärtigen Amt, hat er als Kultusminister wenig Erfreuliches geleistet. Nach dem Ausbruch der Bewegung von 1848 nahm er 19. März seine Entlassung. 1850 war er Mitglied des Erfurter Staatenhauses. Er starb 16. Jan. 1856 in Berlin.

3) Karl Friedrich, Rechtsgelehrter, besonders ausgezeichnet als Forscher im Gebiet der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Sohn von E. 1), geb. 20. Nov. 1781 zu Jena, studierte in Göttingen, unternahm 1801–1803 Reisen nach Wetzlar, Regensburg und Wien, habilitierte sich 1803 in Göttingen als Privatdozent, ward 1805 als Professor nach Frankfurt a. O. und 1811 nach Berlin berufen. Nachdem er in den Freiheitskriegen als einer der ersten Freiwilligen mitgefochten, betrat er nach geschlossenem Frieden von neuem seinen Lehrstuhl in Berlin, von wo er 1817 wieder nach Göttingen übersiedelte. Hier lehrte er deutsches Recht, Kirchenrecht und Staatsrecht, zog sich aber 1829 wegen Kränklichkeit auf sein Landgut bei Tübingen zurück. 1832 folgte er nochmals einem Ruf an die Universität Berlin, arbeitete dort zugleich als Geheimer Legationsrat im auswärtigen Ministerium, widmete sich seit 1833 ganz dem praktischen Staatsdienst, ward Obertribunalsrat, 1838 Mitglied des Staatsrats, 1842 der Gesetzgebungskommission, 1843 Oberjustizrat, fungierte 1838 bis 1846 nominell als Spruchmann beim Bundesschiedsgericht und 1843–44 als Mitglied des Oberzensurgerichts. Nachdem er 1847 seinen Abschied genommen, lebte er zurückgezogen in Köln und starb 4. Juli 1854 daselbst. Seine Hauptschriften sind: „Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte“ (Götting. 1808–23, 4 Tle.; 5. Ausg. 1843–44); „Einleitung in das deutsche Privatrecht mit Einschluß des Lehnrechts“ (das. 1823, 5. Ausg. 1845); „Grundsätze des Kirchenrechts“ (das. 1831–33, 2 Bde.). Auch ein Trauerspiel: „Chriemhildens Rache, nach dem Nibelungenlied bearbeitet“, erschien von ihm (Götting. 1824). 1815 begründete er mit Savigny und Göschen die „Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft“. Vgl. Siegel, Zur Erinnerung an K. F. E. (Wien 1881); Frensdorff, K. F. E. (Götting. 1881); Schulte, K. F. E., nach seinen Aufzeichnungen, Briefen etc. (Stuttg. 1884).