Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eichenrinden“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 359360
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Eichenrinden. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 359–360. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eichenrinden (Version vom 09.05.2021)

[359] Eichenrinden. Die Rinde aller Eichen ist reich an Gerbstoff, aber wegen der früh eintretenden Borkenbildung erhält man nicht von allen Arten eine zu technischen Zwecken verwendbare Rinde. Von den mitteleuropäischen E. sind die der Trauben- oder Wintereiche (Quercus sessiliflora Sm.) und der Stiel- oder Sommereiche (Q. pedunculata Ehrh.) am wichtigsten. Außerdem kommen die Zerreiche (Q. cerris L.) im südlichsten und südöstlichsten Teil des Gebiets und die Weiß- oder Schwarzeiche (Q. pubescens Willd.), die etwas weiter nach W. und N. geht, in Betracht. Diese Eichen halten mit Ausnahme der Zerreiche ihre Rinde bis zum 25. Jahr wenigstens stellenweise borkenfrei, und da solche glatte Rinde der bis armsdicken Eichenstangen bedeutend gerbstoffreicher, ärmer an schädlichem braunen Farbstoff, reicher an Stärke etc. ist, so werden seit 500–600 Jahren Eichenschälwälder (s. Eiche) gebaut, welche bei einer Umtriebszeit von 15–20 Jahren möglichst viel dieser trefflichen Rinde liefern. Die Eichenschälwälder verbreiteten sich aus der Siegener Gegend rheinauf- und abwärts, drangen nach Belgien, Frankreich, England vor und fanden später auch in Holland, Nord- und Süddeutschland sowie in Österreich Anwendung. Man entnimmt die Rinde den stehenden oder den gefällten Stangen, oder man entschält die stehenden Stangen so weit hinauf, wie dies leicht gelingt, und nimmt dann die weitere Schälung nach der Fällung vor. Die Rinde der Zweige ist weniger wertvoll, wird aber häufig ebenfalls gewonnen. In vielen Gegenden Deutschlands, Österreichs, Rußlands etc. wird auch die Rinde älterer Stämme benutzt, aber in der Regel noch am Stamm von der Borke befreit. Nicht zur Schälzeit gefällte Stämme und Lohden lassen sich schwer schälen, man wendet jetzt aber mit großem Vorteil die Dampfschälmethode mit trocknem überhitzten Dampf an, durch welche jeder Verlust an Gerbstoff vermieden wird und die Rinde auch sonst nicht Schaden leidet, so daß voraussichtlich bei weiterer Vervollkommnung der Apparate die Schälung zur Saftzeit ganz verschwinden wird. Die Güte der Rinde ist von mancherlei Verhältnissen abhängig. Der Gerbstoffgehalt gleichalteriger Stangen wächst mit ihrer Dicke, und alle Momente, welche das Wachstum der Lohden begünstigen, verbessern daher die Rinde. Auch sonnige Lage, südliche Exposition wirken günstig; im allgemeinen liefern wärmere Länder bessere Schälrinden, die [360] beste aber soll die englische sein, dann folgen die des Moselgebiets, des Rheingaues, Saargebirges und Odenwaldes. Bei der Ernte ist die Rinde vor Beschädigung sorgfältig zu schützen. In bergigen Gegenden liefert die Traubeneiche, in der Ebene die Stieleiche die beste Rinde; ganz im allgemeinen sind beide Eichen gleichwertig, doch herrscht thatsächlich die Stieleiche in Schälwäldern vor. Im Mittel enthält die Rinde der untern Hälfte der Lohden 15,5, die der obern 13,3 Proz. Gerbstoff.

Von der süd- und südwesteuropäischen Kermeseiche (Q. coccifera L.) werden die Stammrinde und die viel gerbstoffreichere Wurzelrinde, letztere unter dem Namen Garouille oder Rusque in Algerien gewonnen, als Gerbmaterial benutzt. Ferner liefern die Innenrinde der Korkeiche (Q. suber L.), in Algerien, Sardinien, Spanien und Südfrankreich, die Steineiche (Q. Ilex L.), in Algerien und Südeuropa, wertvolles Gerbmaterial. Letztere wird in Südfrankreich im Niederwaldbetrieb mit kurzer Umtriebszeit kultiviert und die gerbstoffreiche Rinde besonders zum Gerben des Sohlleders benutzt. Die Rinden andrer europäischer Eichen sind von geringer Wichtigkeit, während in Nordamerika zahlreiche Eichen wertvolle Rinden liefern. Am häufigsten benutzt man die Rinde von Q. Prinus, aber nur mittlere und ältere Rinden, aus denen auch Extrakte bereitet werden. Vgl. Neubrand, Die Gerbrinde (Frankf. 1869).