Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eichen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 357358
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Eichen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 357–358. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eichen (Version vom 29.05.2021)

[357] Eichen (lat. Ovulum), in der Botanik s. v. w. Samenknospe (s. d.).

Eichen (Aichen, Verifizieren), das amtliche Abgleichen und Berichtigen der für den Verkehr und den Gebrauch bestimmten Maße und Gewichte; Eichungsamt, Eichungsstelle, die hierzu eingesetzte Behörde; Eichmeister, Eichungsinspektor, Verifikateur, der hiermit beauftragte Beamte; Eichordnung, die Zusammenstellung der beim E. zu beobachtenden gesetzlichen Vorschriften; Eichgebühren, die für das E. an die Eichämter zu entrichtende Vergütung; Eichschein, die amtliche Bescheinigung über die erfolgte Eichung und die Entrichtung der Eichgebühren. Je nach der Beschaffenheit der zu eichenden Maße und Gewichte ist die dabei vorzunehmende Manipulation eine verschiedene. So werden auf hölzerne Gefäße die Eichzeichen oder Stempel eingebrannt, auf gläserne eingeschliffen, auf metallene eingeprägt, nachdem zuvor durch Vergleichung der zu eichenden Maße und Gewichte mit den Normalmaßen und -Gewichten die Übereinstimmung der erstern mit den letztern konstatiert worden ist. Freilich ist eine absolute Übereinstimmung kaum erreichbar; auch bei der sorgfältigsten Vergleichung mit den besten Apparaten kann es nicht ausbleiben, daß die geeichten Gegenstände von dem Normalgewicht oder -Maß um ein Minimum abweichen. Ebendeshalb ist in den Eichordnungen regelmäßig eine sogen. Fehlergrenze aufgestellt, welche das Maximum der zulässigen Abweichung von den Normalen genau bezeichnet. Nach der deutschen Reichsgesetzgebung werden in Ansehung der Normale folgende Unterscheidungen gemacht: 1) das Urmaß und Urgewicht, 2) die Hauptnormale, 3) die Eichungsnormale. In letzterer Beziehung wird noch zwischen Gebrauchsnormalen und Kontrollnormalen unterschieden. Nach der zum Reichsgesetz erhobenen Maß- und Gewichtsordnung vom 17. Aug. 1868 gilt als Urmaß derjenige Platinstab, welcher im Besitz der königlich preußischen Regierung befindlich und im J. 1863 mit dem im damaligen kaiserlichen Archiv zu Paris aufbewahrten Mètre des archives verglichen worden ist. Ebenso gilt als Urgewicht ein im Besitz der königlich preußischen Regierung befindliches Platinkilogramm, welches im J. 1860 mit dem Kilogramme prototype zu Paris verglichen wurde. Von diesem Urmaß und Urgewicht werden nun von der Normaleichungskommission zu Berlin den Aufsichtsbehörden der Eichungsstellen beglaubigte Kopien geliefert. Auf Grund derselben stellen dann diese Aufsichtsbehörden die sogen. Hauptnormale her, nach welchen die Kontrollnormale der einzelnen Eichungsstellen richtig erhalten werden. Diese letztern führen nämlich einmal Gebrauchsnormale, nach welchen die Richtigkeit der zu eichenden Verkehrsgegenstände bei den Eichungsarbeiten beurteilt wird, und Kontrollnormale, welche zur Berichtigung der Gebrauchsnormale an der Eichungsstelle dienen.

Die Oberleitung des Eichungswesens steht einer besondern Reichsbehörde, der Normaleichungskommission in Berlin, zu. Diese Behörde, deren Zuständigkeit sich auf das ganze Reichsgebiet, mit Ausnahme von Bayern, erstreckt, hat alle die technische Seite des Eichungswesens betreffenden Gegenstände zu regeln, die bezüglichen allgemeinen Vorschriften zu erlassen, die Taxen für die von den Eichungsstellen zu erhebenden Gebühren festzustellen und darüber zu wachen, daß das Eichungswesen nach übereinstimmenden Regeln, wie solche in der Eichordnung gegeben, und dem Interesse [358] des Verkehrs entsprechend gehandhabt werde. In dieser Hinsicht ist die Eichordnung vom 16. Juli 1869 maßgebend, zu welcher verschiedene Nachtragsbestimmungen ergangen sind. Für Bayern besteht eine besondere Normaleichungskommission in München. Die Errichtung der einzelnen Eichungsämter ist den Bundesregierungen überlassen und nach Maßgabe der Landesgesetzgebung zu bewirken; dasselbe gilt von den Aufsichtsbehörden der Eichungsstellen. Die Eichungsämter müssen mit den nötigen Normalen, Stempeln, Siegeln und allen Apparaten und Hilfsmitteln, welche bei Anwendung der Normale erforderlich, versehen sein, und zwar können die Gebrauchsnormale von der Eichungsstelle selbst beschafft oder von der Aufsichtsbehörde geliefert werden. Die Lieferung der bei jeder Eichungsstelle zu haltenden Kontrollnormale erfolgt entweder durch die Normaleichungskommission oder durch die betreffende Aufsichtsbehörde, welche sich im Besitz von Hauptnormalen befindet. Zur Herstellung und Beglaubigung der Hauptnormale sind außer der Bundeseichungskommission nur solche Eichungsbehörden befugt, welche beglaubigte Kopien des Urmaßes und Urgewichts besitzen. Die Vergleichung der Hauptnormale auf ihre fortdauernde Richtigkeit wird in längern Zwischenräumen von der Normaleichungskommission vorgenommen.

Was die Geschäfte der Eichungsstellen im einzelnen anbelangt (Eichordnung, § 79 ff.), so haben dieselben einmal die ihnen zur Eichung und Stempelung überbrachten, für den öffentlichen Verkehr bestimmten neuen Gegenstände, deren Eichung in ihren Geschäftskreis fällt, ohne Berücksichtigung des Ursprungsorts der Gegenstände auf ihre Richtigkeit den Vorschriften der Eichordnung entsprechend zu prüfen und abzustempeln, sofern dieselben größere als die noch zulässigen Abweichungen von der Richtigkeit nicht zeigen. Außerdem sind die Eichungsstellen verpflichtet, an den Gegenständen, die bei jener Prüfung noch nicht stempelfähig befunden worden, solche Berichtigungsarbeiten auszuführen, welche sich innerhalb der Grenzen der im Verkehr noch zulässigen Abweichungen halten, und für welche sie die erforderlichen Einrichtungen besitzen, indem weiter gehende Berichtigungsarbeiten der Privatverständigung der Beteiligten überlassen bleiben. Endlich hat jede Eichungsstelle solche bereits im Verkehr befindliche und mit dem Eichungsstempel versehene Gegenstände, zu deren Prüfung sie eingerichtet ist, auf erhaltene Veranlassung entweder auf ihre Richtigkeit im Sinn der Eichordnung (Nacheichung) oder auf die äußersten Grenzen der im öffentlichen Verkehr zu duldenden Abweichungen von der absoluten Richtigkeit (Revision) zu prüfen. Zeigt der Gegenstand bei der Revision eine geringere als die im Verkehr noch zulässige größte Abweichung, und ist sein früherer Stempel noch genugsam kenntlich, so kann ohne weiteres die Zurückgabe erfolgen; im entgegengesetzten Fall ist er entweder zu berichtigen und neu zu stempeln, oder durch Vernichtung des frühern Beglaubigungzeichens für den Verkehr als untauglich zu kennzeichnen. Die Eichungsstellen erheben für die Eichungsarbeiten die ihnen nach Maßgabe der Eichgebührentaxe vom 24. Dez. 1874 und den hierzu erlassenen Nachtragsbestimmungen zukommenden Gebühren, neben welchen sie aber auch noch die Auslagen für etwa verwendetes Material in Ansatz bringen können. Über die von ihnen vorgenommenen Prüfungen haben die Eichungsämter Eichscheine oder Befundbescheinigungen auszustellen, auf denen zugleich über die Gebühren und Auslagen Quittung erteilt wird. Was insbesondere die Bezeichnung des Raumgehalts der Schenkgefäße anbetrifft, so hat das deutsche Reichsgesetz vom 20. Juli 1885 bestimmt, daß alle Schenkgefäße (Gläser, Krüge, Flaschen etc.), welche zur Verabreichung von Wein, Obstwein, Most oder Bier in Gast- oder Schenkwirtschaften dienen, mit einem bei der Aufstellung des Gefäßes auf einer horizontalen Ebene den Sollinhalt begrenzenden, eingeschnittenen, eingeschliffenen, eingebrannten oder eingeätzten Strich (Füllstrich) und in der Nähe des Striches mit der Bezeichnung des Sollinhalts nach Litermaß versehen sein müssen. Der Bezeichnung des Sollinhalts bedarf es nicht, wenn derselbe 1 oder 1/2 Lit. beträgt. Zugelassen sind nur Schenkgefäße, deren Sollinhalt einem Liter oder einer Maßgröße entspricht, welche vom Liter aufwärts durch Stufen von 1/2 L., vom Liter abwärts durch Stufen von Zehnteilen des Liters gebildet wird. Außerdem sind Gefäße zugelassen, deren Sollinhalt 1/4 L. beträgt. Auf fest verschlossene Flaschen und Krüge sowie auf Schenkgefäße von 1/20 L. und weniger finden diese Bestimmungen keine Anwendung. Auch Fässer sind zum E. zugelassen, und zwar wird der Raumgehalt jetzt regelmäßig nicht mehr mit dem Visierstab durch Ausmessen der Hauptdimension, sondern durch Ausmessen mit Wasser bestimmt. Der Raumgehalt in Litern wird in die Fässer eingebrannt. Auch bei Schiffen pflegt man von dem E. derselben (Schiffseiche) als der amtlichen Feststellung ihrer Tragfähigkeit zu sprechen (s. Meßbrief).