Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Echinoideen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 290291
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Echinoideen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 290–291. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Echinoideen (Version vom 13.01.2023)

[290] Echinoideen (Echinoidea, Seeigel), Klasse der Echinodermen, Tiere von meist kugelförmiger oder ellipsoidischer, selten scheibenförmiger Gestalt. Die Arme, welche die Asteroideen (Seesterne) und Krinoideen (Liliensterne) auszeichnen, fehlen ihnen gänzlich. Die Schale des Körpers besteht aus 20 (bei ausgestorbenen Formen aus mehr) wie die Meridiane einer Kugel gruppierten Reihen von Kalkplättchen, die fast immer unbeweglich sind, und von denen immer je zwei nebeneinander gelegene die Poren zum Durchtritt der Saugfüßchen tragen, die zwei folgenden aber ihrer entbehren. Die bei den sogen. regulären Seeigeln anscheinend vorhandene fünfstrahlige Symmetrie ist in Wirklichkeit eine zweiseitig-symmetrische; noch deutlicher ist diese, wenn Mund oder After exzentrisch liegen (wie bei den Herzigeln, s. unten). Der Regel nach befindet sich nämlich der Mund am Pol der Bauchseite, der After nahezu an dem der Rückenseite. Die Schale ist mit zahlreichen Höckern besetzt und trägt bewegliche, manchmal sehr große Stacheln; zwischen ihnen liegen die Saugfüßchen und die zangenartigen Greiforgane (Pedicellarien). Die Ortsveränderung kommt dadurch zu stande, daß sich die Saugfüßchen der vorangehenden Seite durch Wasseraufnahme aus dem Wassergefäßsystem (s. Echinodermen) über die Stacheln hinaus verlängern, sich an fremde Gegenstände anheften und den Körper, welcher auf den Spitzen der Stacheln balanciert, nach sich ziehen. Die Zerkleinerung der Nahrung (Krebse, Fische etc.) besorgt bei den meisten E. ein besonderer Kauapparat, die sogen. Laterne des Aristoteles (s. Tafel „Echinodermen“), eine mehrere Zentimeter hohe, aus Kalkstäben gebildete, hohle Pyramide mit eigentümlich eingelenkten, meißelartigen Zähnen, welche den zwischen ihnen befindlichen Gegenstand langsam zerstückeln. Der Darm macht mehrere Windungen und ist an der Innenfläche der Schale durch häutige Fäden befestigt. Wegen des Nerven-, Wasser- und Blutgefäßsystems s. Echinodermen. Die Geschlechtsorgane sind fast immer in der Fünfzahl vorhanden und münden durch ebenso viele Öffnungen am Rückenpol der Schale aus. Keine Echinoidee ist zwitterig. Die Entwickelung erfolgt mit bedeutender Metamorphose; die Larven haben die Form des Pluteus. Nur sehr selten ist bei dem Muttertier eine [291] Bruthöhle vorhanden, in der sich die Jungen, ohne erst die Larvenform zu durchlaufen, entwickeln.

Die E. leben in allen Meeren, meist in der Nähe der Küsten, indessen auch in großen Tiefen. Einige vermögen sich in Felsen Löcher zu ihrem Aufenthalt zu bohren. Fossil treten sie (Echiniten) schon im Silur auf, weichen aber von den spätern und den noch lebenden bedeutend ab; erst in der Sekundärzeit erlangen sie die auch heute noch vertretene Form. Am stärksten entwickelt sind sie in der Kreide und der Tertiärformation. Man unterscheidet drei Ordnungen: Reguläre E. (Regularia), mit zentralem Mund, Zähnen und Kaugerüst, meist zentralem, selten seitlichem After. Hierher Cidaris Des. (Turbanigel, s. Tafel „Juraformation I“), welche bereits im Devon auftritt und durch mehrere Arten noch jetzt vertreten ist; ferner Palaeocidaris Des., im Kohlenkalk (s. Tafel „Steinkohlenformation I“), Hemicidaris Ag. (s. Tafel „Juraformation I“), vorzüglich im Jura, Echinus Des. mit dem gemeinen Seeigel (E. esculentus L., s. Tafel „Echinodermen“), welcher 8 cm im Durchmesser erreicht, um ganz Europa, auch häufig in der Nordsee vorkommt, und dessen Eierstöcke vielfach roh gegessen werden. Die Ordnung der Schildigel (Clypeastridea) umfaßt E. mit flachem, schildförmigem Körper; der Mund mit Kauapparat liegt zentral, der After exzentrisch. Hierher die fossilen Discoidea Klein (s. Tafel „Kreideformation“) und Scutella Lam. (s. Tafel „Tertiärformation I“) etc. Die dritte Ordnung bilden die Herzigel (Spatangidea), von mehr oder minder herzförmiger Gestalt, mit exzentrischem Mund und After, ohne Zahnapparat; hierher die Kassiduliden und die echten Herzigel (Spatangidae). Vgl. Agassiz, Monographie des Échinodermes vivants et fossiles (Neuchâtel 1838–1842); Lovén, Über den Bau der E. (Berl. 1873); A. Agassiz, Revision of the Echini (Cambr. 1872–74).