Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Dissociation“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 1021
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Dissociation. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 1021. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Dissociation (Version vom 12.06.2021)

[1021] Dissociation (lat.), Trennung, Auflösung; in der Chemie die Zersetzung der Körper durch Wärme unterhalb der Temperatur, bei welcher eine vollständige Zerlegung stattfindet. Wie das Wasser schon unterhalb des Siedepunktes Dampf entwickelt, so liefern manche chemische Verbindungen unterhalb der Zersetzungstemperatur gasige Zersetzungsprodukte, bis diese eine gewisse, für die herrschende Temperatur konstante Spannung angenommen haben. Erhitzt man z. B. kohlensauren Kalk im Vakuum, so beginnt er Kohlensäure abzugeben, deren Spannung bei 860° 85 mm und bei 1040° 520 mm Quecksilber beträgt. Wird die Temperatur erniedrigt, so wird auch wieder ein Teil der Kohlensäure absorbiert, bis endlich bei der Ausgangstemperatur der anfängliche Zustand wiederhergestellt ist. Die D. der chemischen Verbindungen entgeht daher auch vollständig der Beobachtung, wenn man die Dissociationsprodukte, ohne sie zu trennen, erkalten läßt; denn sie vereinigen sich alsdann wieder, und der erkaltete Körper erscheint unverändert. Verdampft man Salmiak, so besteht der Dampf bei einer gewissen Temperatur aus Chlorwasserstoff und Ammoniak, welche sich bei niederer Temperatur wieder zu Salmiak verbinden. Bei der D. wird Wärme aufgenommen, und wenn die Zersetzungsprodukte sich wieder zu der ursprünglichen Verbindung vereinigen, so wird diese Wärme wieder frei. Gibt man bei der höhern Temperatur Gelegenheit zur Diffusion, so trennen sich die Dissociationsprodukte, und man findet dann, daß z. B. Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, Kohlensäure in Kohlenoxyd und Sauerstoff, Salzsäure in Chlor und Wasserstoff dissociiert werden. Häufiger liegen die Temperaturgrenzen für die D. und die Wiedervereinigung der Zersetzungsprodukte so nahe bei einander, daß die D. nur unter Anwendung besonderer Bedingungen erkannt werden kann. Die D. ist für die theoretische Chemie von großer Bedeutung und verspricht noch sehr erhebliche Resultate zu geben. Für technische Zwecke hat man sie zur Konstruktion von Pyrometern und Thermometern benutzt. Eine glasierte, luftleere Porzellanröhre, welche reinen kohlensauren Kalk erhält, wird in dem Ofen, dessen Temperatur bestimmt werden soll, erhitzt und der Druck der sich entwickelnden Kohlensäure an einem mit dem Porzellanrohr verbundenen Manometer gemessen. Für niedere Temperaturen ist ein ähnlicher Apparat, aber eine chemische Verbindung anzuwenden, die sich sehr viel leichter zersetzt als kohlensaurer Kalk. Eine solche ist Chlorcalciumammoniak, bei welchem die Spannungen des zwischen 0 und 46° frei werdenden Ammoniaks von 120–1551 mm schwanken.