Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Dippel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 1009
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Dippel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 1009. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Dippel (Version vom 13.04.2021)

[1009] Dippel, Johann Konrad, Alchimist und Chemiker, geb. 10. Aug. 1673 auf dem Schloß Frankenstein unweit Darmstadt, studierte zu Gießen Theologie, hielt in Straßburg physisch-chiromantische Vorlesungen, mußte aber schuldenhalber entweichen, worauf er nach Darmstadt zurückkehrte und in seiner „Orthodoxia orthodoxorum“ zu den Pietisten übertrat. Bald darauf wurde er aber Freigeist und erklärte sich in seinem „Papismus protestantium vapulans“ voll bittern Spottes gegen das orthodoxe Kirchentum. Fortan verfolgte ihn der Haß der erbitterten Geistlichkeit sein ganzes Leben hindurch. Im J. 1698 begann er Medizin zu studieren, verfiel aber in alchimistische Träumereien, beschäftigte sich in Berlin 1704 bis 1707 mit der pharmazeutischen Chemie und machte großes Aufsehen mit der Erfindung seines tierischen Öls als eines Universalmittels. Abfälle von der Bereitung dieses Öls, ein Alkali, worüber dasselbe destilliert worden war, führten den Färber Diesbach in Berlin zur Entdeckung des Berliner Blaus. Wir finden D. sodann in Amsterdam als Arzt von großem Ruf, bis ihn seine Schrift „Alea belli muselmanici etc.“ nötigte, nach Altona zu entfliehen, wo er sich als dänischer Kanzleirat so unklug über die Regierung äußerte, daß er 1719 seiner Würden entsetzt und bis 1726 auf Bornholm gefangen gehalten wurde. 1727 gewann er als Arzt Eingang am schwedischen Hofe, verscherzte sich aber auch diese Stellung durch sein Einmischen in politische Händel und seine theologischen Schriften. Er starb 25. April 1734 auf dem Schloß Wittgenstein, nachdem er die letzten Jahre zum Teil in Berleburg verlebt hatte. Seine Träumereien abgerechnet, war er einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit und ein Vorläufer der Aufklärung. Bekämpfte er die kirchlichen Dogmen, so setzte er doch das Wesen der Religion in Liebe und Selbstverleugnung. Seine Schriften, deren Zahl sich auf 70 beläuft, sind aufgeführt in Strieders „Geschichte der hessischen Gelehrten“, Bd. 3. Die meisten gab er unter dem Namen Christian Democritus heraus. Eine neue Gesamtausgabe erschien Berleburg 1747, 3 Bde. Vgl. Bender, J. K. D., der Freigeist aus dem Pietismus (Bonn 1882).