Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Dextrīn“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 921922
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Dextrīn. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 921–922. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Dextr%C4%ABn (Version vom 08.01.2023)

[921] Dextrīn (Dextringummi, Stärkegummi, Gommeline, künstliches Gummi, Dampfgummi) C6H10O5, ein zur Gruppe der Kohlehydrate gehörender Körper von gleicher prozentischer Zusammensetzung mit Stärkemehl, Holzfaser (Cellulose) und Zucker, findet sich sehr verbreitet im Pflanzenreich, vielleicht in den meisten Pflanzensäften, besonders in denjenigen Pflanzenteilen, in welchen neue Zellen gebildet werden, so daß man es als den eigentlichen bildungsfähigen Pflanzenbestandteil, aus welchem zunächst die Zellhaut sich bildet, betrachten kann. Die Getreidesamen enthalten etwa 4–6 Proz. D., aber beim Keimen steigt diese Menge um die Hälfte und mehr. Auch im tierischen Körper ist D. weit verbreitet, und sehr reich daran ist das Pferdefleisch. Wie sich das D. in Pflanzen und Tieren bildet, weiß man nicht; aber sehr leicht entsteht es aus Stärkemehl beim Erhitzen auf 160–200°, und daher findet es sich in der Brotrinde. Noch leichter bildet es sich, wenn die Stärke vor dem Erhitzen mit sehr wenig Salpetersäure befeuchtet wurde, oder wenn man sie mit verdünnter Schwefelsäure kocht. Ebenso leicht bildet es sich bei Einwirkung der im Malz enthaltenen Diastase (s. d.) auf Stärkemehl; es entsteht daher in großer Menge beim Einmaischen in der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei und ist auch ein Bestandteil des fertigen Biers. Zur Darstellung erhitzt man Stärkemehl in schräg liegenden, rotierenden eisernen Cylindern oder unter Umrühren in flachen eisernen Kasten auf etwa 200°. Das auf diese Weise erhaltene Röstgummi (Léiogomme, fälschlich Léiocome) ist bräunlichgelb und deshalb für manche Zwecke nicht recht geeignet. Ein ganz weißes, in Wasser vollkommen lösliches D. erhält man dagegen, wenn man Stärkemehl mit 0,2 Proz. starker Salpetersäure, die hinreichend verdünnt werden muß, befeuchtet, an der Luft, dann bei 80° trocknet, mahlt, siebt und etwa 1–1½ Stunden auf 100–110° erhitzt. Das Präparat ist äußerlich von Stärkemehl nicht zu unterscheiden und vollkommen frei von Salpetersäure. Bisweilen wird Getreide mit Wasser und sehr wenig Schwefelsäure erhitzt, die Lösung mit Kalk neutralisiert und nach dem Absetzen des schwefelsauren Kalks zur Sirupskonsistenz verdampft. Solchen Dextrinsirup (Gummisirup) erhält man auch durch Behandeln von Stärkemehl mit Malzauszug; doch bildet sich hierbei stets viel Traubenzucker, welcher die Haltbarkeit des Dextrins beeinträchtigt. Reines D. erhält man durch Erwärmen von Kartoffelstärkemehl mit Wasser und Oxalsäure im Wasserbad, bis Jodlösung eine Probe nicht mehr bläut. Dann wird die Lösung mit gefälltem kohlensauren Kalk neutralisiert, nach zwei Tagen filtriert und im Wasserbad verdampft. Das D. des Handels enthält etwa 60–72 Proz. reines D., 2–9 Proz. Zucker, 13–20 Proz. Unlösliches und 6–14 Proz. Wasser. Reines D. gleicht im Äußern dem arabischen Gummi, ist amorph, farb-, geruch- und geschmacklos, leicht löslich in kaltem Wasser, nicht in Alkohol und verdankt seinen Namen der Eigenschaft, die Ebene des polarisierten Lichts nach rechts (dexter) abzulenken, während arabisches Gummi sie nach links ablenkt. Durch Jod wird es schwach amarantrot gefärbt, verdünnte Säuren verwandeln es in Traubenzucker, und beim Kochen mit Salpetersäure entsteht Oxalsäure. D. ist nicht direkt gärungsfähig; wenn die Lösung aber zugleich Traubenzucker enthält, so zerfällt bei der Gärung ein großer Teil des Dextrins, wie der Zucker, in Alkohol und Kohlensäure. Man [922] benutzt das D. wegen seiner Billigkeit statt des Gummi arabikum zum Verdicken von Beizen und Farben im Zeugdruck, zum Appretieren und Steifen von Zeugen, als Kettenschlichte, in der Bunt- und Luxuspapierfabrikation, zum Tapetendruck, zur Filzbereitung, zur Anfertigung von Buchdruckerwalzen und Tupfballen, als Mundleim (es klebt weniger gut als arabisches Gummi), zur Bereitung der Tinte, in der Chirurgie als Verbandmittel, in der Pharmazie als Zusatz zu Pflanzenextrakten, um diese in Pulverform dispensieren zu können, und zur Darstellung einer Art von englischem Pflaster. Es wird auch zu feinerm Backwerk benutzt. Das D. hat denselben Nahrungswert wie Stärkemehl, ist aber leichter verdaulich. Vgl. Wagner, Stärke-, Dextrin- und Traubenzuckerfabrikation (Braunschw. 1876–77).