Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Desintegrator“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 709710
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Desintegrator. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 709–710. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Desintegrator (Version vom 05.02.2024)

[709] Desintegrator (Schleudermühle), von Carr erfundene Maschine zur Zerkleinerung aller Arten nicht faserigen Materials, besteht aus zwei gegenübersitzenden Scheiben ab (Fig. 1 u. 2), welche sich mit großer Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung um eine horizontale Achse c drehen und mit in konzentrischen Kreisen stehenden Stäben dd versehen sind, die fast von einer Scheibe bis zur andern reichen, aber nur an dem einen Ende befestigt sind. Das zu zerkleinernde Material wird der Maschine nahezu im Mittelpunkt der Scheiben zugeführt und alsbald durch die Zentrifugalkraft nach außen getrieben. Dabei langt es nach immer wiederholtem heftigen Zusammenprallen mit den Stäben zerkleinert an der Peripherie der Scheiben an. Der D. wirkt also lediglich durch Stoß, denn da die Stäbe sich nicht gegenseitig berühren, so kann von einem Mahlen durch Reibung zwischen zwei Flächen nicht die Rede sein. In einem D. von 1,25 m Durchmesser ist bei 400 Umdrehungen in der Minute die Geschwindigkeit jedes Schlagstabes im innersten Ring 16 m, im zweiten 19, im dritten 22 und im vierten 25 m pro Sekunde. Trifft nun ein Teilchen, von einem Schlagstab des innern Ringes zurückgestoßen, auf einen Schlagstab des zweiten Ringes, der in entgegengesetzter Richtung sich bewegt, so wird es mit einer Geschwindigkeit von , also 3 m, auf den dritten wieder in entgegengesetzter Richtung sich bewegenden Stab prallen und von diesem mit einer Geschwindigkeit von , also 19 m, auf den vierten Stab geschleudert werden,

Fig. 1. Fig. 2.
Desintegrator.

von welchem es endlich mit , also 6 m, Geschwindigkeit die Maschine verläßt und von der hölzernen Umhüllung aufgefangen wird. Durch diese wiederholte teilweise Aufhebung der Geschwindigkeiten wird die Kohäsion des in die Maschine gebrachten Materials überwunden. Die Leistung ist eine so außerordentliche, daß man den D. in vielen Fällen verwenden kann, wo gewöhnliche Mühlen versagen. Am häufigsten findet er Benutzung zum Zerkleinern von Quarz, Thon, Knochen, Erzen, Kohlen (zur Fabrikation von Briketten), Zucker, Zement, Schamotte, Porzellanerde, in der Düngerfabrikation, aber auch als Mahlmühle für Getreide. Durch manche Verbesserung hat man dem Apparat größere Stabilität und Dauerhaftigkeit zu verleihen gewußt. Indem man den Trommeldurchmesser vergrößerte, ward es möglich, die Umdrehungszahlen für die stark beanspruchten Wellen zu reduzieren; immerhin aber machen die größten bis jetzt gebauten Desintegratoren von 1,5 Durchmesser 400–500 Touren in der Minute; sie erfordern dann 15–20 Pferdekräfte zum Antrieb, leisten aber auch 20,000 kg pro Stunde selbst von sehr hartem Material. Desintegratoren der gewöhnlichen Größe von 1 m Durchmesser verarbeiten mit einer Betriebskraft von 7 Pferdekräften durchschnittlich 7000 kg Rohmaterial zu Pulver von ganz bedeutender [710] Feinheit. Als Mischapparat für verschiedene Thonsorten ist der D. trefflich geeignet, ebenso als Vorbereitung für Maschinen, die trocknen Thon zu verarbeiten, oder für Ziegelmaschinen, die grubenfeuchtes Material zu formen haben. Namentlich kalksteinhaltige oder schotterige Thonsorten werden auf solche Weise billig und zweckmäßig gereinigt und die störenden Beimengungen so gut verteilt, daß sie in der ganzen Masse unschädlich werden. Für die Verwendung des Desintegrators zum Mahlen von Getreide (dann auch Dismembrator genannt) ist besonders hervorzuheben, daß er ganz vortreffliches, gleichsam zart granuliertes Mehl liefert, und daß sogen. totgemahlenes Mehl nicht vorkommen kann. Fügt man den D. in den Mechanismus der Mühle ein, so fällt ihm die Aufgabe zu, ein sehr mehlreiches Schrot zu liefern. Der Weizen wird geputzt, zwischen Walzen leicht zerquetscht und dann in den D. gebracht. Das von diesem gelieferte sehr mehlreiche Schrot wird abgebeutelt, so daß man Mehl, Grieß und reines Schrot erhält, welche dann weiter verarbeitet werden. Das Produkt des Desintegrators soll enthalten 33 Proz. Mehl, 20 Proz. Dunst, 14 Proz. Grieß und 31 Proz. Schrot; das Mehl gehört aber nicht zu den sogen. feinen Auszügen, die bei der Hochmüllerei aus geputzten Grießen hergestellt werden, und da die Grießausbeute beim D. sehr gering ist, so eignet er sich nicht für Zwecke der Hochmüllerei. Besser verwendbar ist er für die Flachmüllerei, welche die feinen Mehle ebenfalls nicht liefert; doch sind auch hier die Vorteile fraglich, und gegenüber der österreichischen Hochmüllerei wäre die Einführung des Desintegrators, welcher allerdings bei richtiger Benutzung einen Fortschritt in der Flachmüllerei gewähren würde, immer nur eine halbe Maßregel. Vgl. Th. Carr, History and description of the desintegrating flour mill (Birmingham 1872)[WS 1]; Kick, Die neuesten Fortschritte in der Mehlfabrikation (Leipz. 1883)[WS 2].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Thomas Carr: Description of the Disintegrating Flour Mill, and Machine for Pulverising Minerals &c., Without Grinding, Crushing, or Stamping. In: Institution of Mechanical Engineers. Proceedings, 1872, S. 28–52 Google
  2. Friedrich Kick: Die neuesten Fortschritte in der Mehlfabrikation. Supplement zum Lehrbuch des Mühlenbetriebes. Leipzig 1883, S. 22 ff. Google