Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Delphine“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 651653
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Delphine. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 651–653. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Delphine (Version vom 27.05.2023)

[651] Delphine (Delphinida Duv.), Familie der Wale, mittelgroße oder kleine Wale (Cete) mit schlankem Leib, kleinem, nicht vom Rumpf abgesetztem Kopf, zahlreichen nahezu gleichen, konischen Zähnen im ganzen Verlauf oder in einem Teil der beiden bisweilen schnabelartig verlängerten Kiefer, einem einzigen quer stehenden, halbmondförmigen Spritzloch, kleiner Schwanz- und Brustflosse und bisweilen fehlender Rückenflosse. Sie bewohnen alle Meere vom hohen Norden bis zum Äquator, finden sich aber auch in Flüssen und Seen, wandern oft in starken Scharen, schwimmen sehr gewandt und schnell, sind wenig scheu, gefräßig, raubgierig und grausam, fressen Weich-, Krusten- und Strahltiere und bewältigen selbst den Walfisch; einige sollen aber auch von Vegetabilien leben. Sie zeigen unter sich große Anhänglichkeit; sobald aber einer von ihnen getötet ist, fressen sie den Leichnam mit großer Gier. Die Weibchen werfen nach einer Tragzeit von etwa zehn Monaten ein oder zwei Junge, säugen diese lange, behandeln sie mit großer Sorgfalt und beschützen sie in der Gefahr. Die D. sollen langsam wachsen, aber ein sehr hohes Alter erreichen; ihre schlimmsten Feinde sind ihre eignen Familienglieder, die meisten aber gehen zu Grunde, indem sie bei blinder Verfolgung ihrer Beute auf den Strand geraten; im Todeskampf stöhnen und ächzen sie und vergießen dabei reichliche Thränen. Zur Unterfamilie der Butzköpfe (Phocaenina Gray), deren Angehörige einen vorn abgerundeten Kopf ohne eigentlichen Schnabel und ganz seitlich, ziemlich hoch stehende Brustflossen haben, gehört der Weißfisch (Beluga, Beluga leucas Gray), welcher 4–6 m lang wird, keine Rückenflosse besitzt, in der Jugend bräunlich oder bläulichgrau, dann gescheckt, im Alter fast milchweiß ist und die Meere nördlich vom 56.° bewohnt; er lebt gesellig, macht große Wanderungen, hält sich aber in der Nähe der Küste, nährt sich von kleinen Fischen, [652] Krebsen und Kopffüßlern und steigt bei der Jagd in die Flüsse. Er wird von den Grönländern und Eskimo in starken Netzen gefangen; Fleisch und Speck sind wohlschmeckend, besonders Brust- und Schwanzfinne. Das Fleisch wird namentlich für den Winter aufbewahrt, und insofern ist der Weißfisch der wichtigste aller Wale. Die Haut wird getrocknet und gegerbt und findet vielfache Verwendung. Die Walfischfänger betrachten die Beluga als Vorläufer des Walfisches und segeln oft tagelang in ihrer Gesellschaft, ohne sie zu belästigen. Die Samojeden stecken Belugaschädel auf Pfähle als Opfer für ihre Götter. Der Schwertfisch (Orca gladiator Gray), bis 9 m lang, hat seinen Namen von der 1,5 m hohen, unten breiten, oben verschmälerten, nach dem Schwanze zurückgebogenen Rückenflosse; er ist kräftig und gedrungen gebaut, mit 60 cm langen Brustflossen und 1,5 m breiter Schwanzflosse, oben schwarz, unten scharf abgesetzt weiß, über und hinter dem Auge mit länglichem weißen Fleck (daher Widderdelphin), ein halbmondförmiger bläulicher oder purpurfarbener Streifen steht hinter der Rückenflosse; er bewohnt die nördlichen Meere, steigt bis Frankreich und Japan hinab und fand sich im Altertum zahlreich im Mittelmeer. Er lebt in kleinen Trupps, ist wohl der schönste aller Wale, dabei sehr mutig, raubsüchtig und gefräßig; schon die Alten erzählen von seiner Bösartigkeit; er greift mit Vorliebe den Walfisch an und reißt ihm große Stücke Speck vom Leib. Den Hai noch übertreffend, ist er das furchtbarste Raubtier des Meers. Er macht auf alle Wale und Robben Jagd, frißt aber auch Fische und kommt daher oft an die Flußmündungen. Die Jagd auf ihn ist sehr schwierig und gefahrvoll, der Nutzen gering. Der Braunfisch (Meerschwein, Tümmler, Phocaena communis Less.), 2–3 m lang, mit spindelförmigem Leib, oben dunkel schwarzbraun oder schwarz, unten weiß, hat eine dreieckige, mäßig große, breitwurzelige, niedrige Rückenflosse und zahlreiche Zähne; er lebt gesellig im Nordatlantischen Ozean, von Grönland bis Nordafrika, auch in der Ostsee, ist häufig in der Nordsee, macht regelmäßige Wanderungen, geht bis zum Mittelmeer, liebt die Küste, steigt weit in die Flüsse hinauf (bis Paris, Magdeburg), ist sehr gefräßig und verfolgt namentlich die Heringe und Lachse, wobei er die Netze zerreißt, weshalb man ihm eifrig nachstellt. Sein Fleisch ist wohlschmeckend, die Römer bereiteten Würste daraus; frisch und gesalzen ist es für die Strandbewohner und Schiffer wertvoll; den Thran genießen die Grönländer, die Haut gibt gutes Leder. Das Weibchen wirft nach neun- oder zehnmonatlicher Tragzeit ein oder zwei Junge, welche es mit großer Liebe hegt und mutig verteidigt. Dieser Delphin folgt gern den Schiffen und ergötzt durch seine Fertigkeit im Schwimmen, wobei er abwechselnd mit Kopf und Schwanz ab- und aufwärts schlägt und gleichzeitig den Leib nach oben und unten krümmt. Zur Unterfamilie der Grindwale (Globiocephalina Gray), bei denen Kopf und Schädel der vorigen ähnlich, aber geschwollen sind, die sichelförmigen Brustflossen weit unten und die kurze Rückenflosse vor der Mitte des Körpers stehen, gehört der sehr häufige Grind- oder schwarze Delphin (Grindwal, Globiocephalus globiceps Cuv.), mit stark gewölbter, geradlinig abfallender Stirn, sehr niedriger Rückenflosse und wenigen starken, ziemlich langen, aber sehr hinfälligen Zähnen. Er wird 5–7 m lang, ist oberseits glänzend schwarz, mit einem weißen, herzförmigen Fleck auf der Brustflosse, welcher sich streifenartig bis gegen den After hin verlängert, unterseits grauschwarz, bewohnt die nördlichen Meere, unternimmt weite Wanderungen bis Gibraltar, lebt höchst gesellig, frißt Fische und Mollusken und strandet oft in ganzen Herden, da diese blindlings ihrem Führer folgen. Dies benutzt man auch bei der Jagd und treibt die Herden auf das Land. Der Grindwal ist eins der wichtigsten Tiere für die Nordländer, Fleisch und Speck werden frisch, gesalzen und getrocknet gegessen; der Thran ist sehr wertvoll, die Haut dient zu Riemen, die Knochen zu Zäunen. Bei der Unterfamilie der eigentlichen D. (Delphinina Gray) ist der verhältnismäßig kleine Kopf zu einer schnabelförmigen, scharf von der Stirn geschiedenen Schnauze verlängert, deren Kiefer mit sehr zahlreichen bleibenden Zähnen besetzt sind; die Brustflossen stehen ganz seitlich, die Rückenflosse fast auf der Mitte der Oberseite, die Schwanzflosse ist verhältnismäßig sehr groß und halbmondförmig. Hierher gehört der gemeine Tümmler (Delphinus Tursio Fabr.), ein stark und kräftig gebautes, 3–4,5 m langes, oben schwarzes oder schwärzlichbraunes, unten weißes Tier, welches sich in Trupps von 6–8 Stück vom Mittelmeer bis zum Eismeer überall findet und sehr schnell schwimmt. Der eigentliche Delphin (Delphinus delphis L., s. Tafel „Wale“), 2–2,5 m lang, ist oben dunkel schwarzgrau, grünlich schimmernd, unterseits scharf abgeschnitten, blendend weiß, seitlich spärlich gefleckt, hat lange, am Oberrand ausgeschnittene, gegen die Spitze hin sichelförmig verschmälerte Brustflossen, eine sehr schwankende Zahl graziler Zähne, langgeschlitzte Augen hinter und über dem Mundwinkel und überaus kleine Ohren; das Spritzloch liegt zwischen den Augen. Er bewohnt die Meere der nördlichen Halbkugel, geht auch in die Flüsse, hält sich meist in Trupps von 6–10 Stück (Schulen), bisweilen aber auch in großen Scharen zusammen und zeigt die allen Delphinen eigne Spiellust besonders ausgeprägt; er umschwärmt die Schiffe, fortwährend tauchend, und sendet jedesmal schnaubend einen Wasserstrahl in die Höhe, sobald er die Oberfläche des Wassers erreicht. Er jagt Fische, Krebse und Weichtiere, besonders auch die fliegenden Fische, und ist sehr gefräßig; das Weibchen wirft nach zehnmonatlicher Tragzeit 1–2 Junge, welche erst nach zehn Jahren erwachsen sein sollen. Der Delphin war im Altertum allgemein beliebt; noch heute wird er wenig verfolgt (indem man ihn auf den Strand jagt), obwohl sein Fleisch eine ziemlich wohlschmeckende Speise geben kann. Früher benutzte man die Leber, den Thran und die Asche auch als Heilmittel. Die Inia (Inia boliviensis d’Orb.), 2–3 m lang, ist schlank gebaut, mit schmalem, rundlichem, steif behaartem Schnabel, am obern Ende ausgeschnittenen Brustflossen und einer sehr niedrigen Rückenflosse, oben blaßbläulich und unten rosenrötlich; sie bewohnt die Flüsse Südamerikas zwischen 10 und 17° südl. Br., schwimmt langsam und ruhig, meist in kleinen Gesellschaften, und lebt von Fischen und ins Wasser gefallenen Baumfrüchten. Das Fleisch ist hart und wird nur in der Not gegessen; Speck und Haut sind geringwertig. Das Tier wird daher, namentlich aber, weil sich an dasselbe die wunderlichsten Fabeleien knüpfen, nicht verfolgt. Auch im Ganges findet sich ein Delphin mit langem, dünnem Schnabel, Platanista gangetica Cuv., welcher 2 m lang wird, von Fischen und Früchten lebt und wegen seines angeblich heilkräftigen Specks verfolgt wird. Der Delphin war im Altertum Symbol und Attribut des Neptun, Wahrzeichen vieler Seestädte (Tarent, Gades, Messina u. a.) und Küstenländer. Die Dichter lieferten begeisterte Schilderungen von dem Leben und Treiben des Tiers [653] (Arion), und die Künstler stellten den Delphin gern dar. Neptun, dem er die Amphitrite gewinnen half, hat ihn bald in der Hand, bald unter den Füßen. Auf Städtemünzen erscheint er häufig mit dem Dreizack, auf delphischen auch mit einer Ziege.[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe auch den Nachtrag in Band 17: Delphin.