Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Dachs“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 403
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Dachs. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 403. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Dachs (Version vom 15.09.2022)

[403] Dachs (Meles Storr.), Säugetiergattung aus der Ordnung der Raubtiere und der Familie der Marder (Mustelida), mit der einzigen Art M. Taxus Pall. (gemeiner D.). Dies Tier ist 75 cm lang, mit 18 cm langem Schwanz, kaum 30 cm hoch und bis 20 kg schwer, mit gedrungenem, starkem Leib, dickem Hals, langem Kopf, stark zugespitzter Schnauze, kleinen Augen und Ohren, starken Krallen an den Vorderfüßen, kurzem, behaartem Schwanz und einer am After liegenden Drüsentasche. Der Pelz ist lang- und steifhaarig, am Rücken weißgrau und schwarz gemischt, an den Seiten rötlich, an den Füßen und der Unterseite schwarzbraun; der Kopf ist weiß mit einem matten, schwarzen Streifen, welcher an der Schnauze beginnt und sich verbreiternd über Auge und Ohr verläuft. Das Weibchen (Fehe) ist kleiner und heller gefärbt. Der D. bewohnt Europa bis zum 60. Breitengrad und das mittlere und nördliche Asien bis zur Lena. Seine Wohnung ist ein unterirdischer Bau, in dem er, meist ganz einsam, den größten Teil seines Lebens verbringt. Derselbe wird an einsamen Orten auf der Sonnenseite bewaldeter Hügel in Vorhölzern, welche nicht weit von Fluren entlegen sind, selbst an unbewaldeten Gehängen mitten in der Flur angelegt und hat 4–8 sehr lange Röhren, von denen aber nur eine oder zwei gewöhnlich von ihm befahren werden, die übrigen teils Flucht-, teils Luftröhren sind. Die Hauptwohnung im Bau ist der 1,25–1,5 m unter der Erdoberfläche liegende „Kessel“, zu dem mehrere Röhren führen, und der so groß ist, daß er dem Tier zur Ruhestätte und zur Erziehung der Jungen dienen kann. Vor allen ähnlichen Behausungen von Tieren zeichnet sich der Dachsbau durch große Sauberkeit aus. Bisweilen bewohnt der D. einen und denselben Bau mit dem Fuchs. Daß dieser ihn durch Absetzen seiner Losung vertreibe, ist eine Jägerfabel. Der D. haust regelmäßig in den untern, der Fuchs in den obern Röhren und Kesseln. Der D. ist ein mißtrauisches, einsiedlerisches, mürrisches Tier, welches auf seine Ruhe und Sicherheit ungemein bedacht ist. Nur zur Nachtzeit sucht er Nahrung, die aus Bucheckern, Eicheln, Wurzeln, Obst, Beeren, Trüffeln, Rüben, Schnecken, Engerlingen, Regenwürmern besteht; doch frißt er auch Vogeleier und junge Vögel, junge Hasen, Maulwürfe, Mäuse, Ottern und andre Reptilien, scharrt Hummel- und Wespennester aus und vernichtet oft in Weinbergen massenhaft Trauben. Höchst selten raubt er junge Enten und Gänse. Im Notfall nimmt er Aas. Im ganzen frißt er aber nicht viel und trägt auch nicht viel in den Bau. Am Tage liegt er sich sonnend vor seinem Bau und macht wohl auch kleine Ausflüge; sein Gang ist sehr langsam, schleppend und schwerfällig. Bei eintretender Kälte begibt er sich zur Winterruhe in seinen Bau und liegt hier zusammengerollt mit dem Kopf zwischen den Vorderbeinen. Der Winterschlaf wird häufig unterbrochen, und im Januar oder Februar verläßt er schon wieder zeitweise den Bau. Die Paarungszeit fällt in den Oktober, und nur dann lebt der D. gesellig mit seinem Weibchen; im Februar wirft die Dächsin 3–5 blinde Junge, welche noch bis zum Herbst denselben Bau mit ihr bewohnen und im zweiten Jahr ausgewachsen sind. Der D. erreicht ein Alter von 10–12 Jahren. Sein Fleisch ist eßbar, aber wenig wohlschmeckend, bisweilen trichinenhaltig; sein Fell wird, weil es für den Regen undurchdringlich ist, zu Jagdtaschen, Kofferüberzügen, Fußdecken u. dgl. verwendet. Die Haare geben Malerpinsel. Ehedem war das Fett (Dachsfett) und das getrocknete Blut (Dachsblut) offizinell. Das Fett liegt im Spätherbst oft gegen drei Finger dick auf dem Rücken. Es ist gelblichweiß, riecht wie Gänsefett, ist sehr flüssig und kann mit Schweineschmalz gemischt gegessen werden. Die Jagdmethoden, welche man zur Erlegung des Dachses anwendet, sind der Ansitz in mondhellen Nächten auf dem Bau sowie das Hetzen durch Hunde, welche ihn des Nachts, wenn er den Bau verlassen hat, aufsuchen und entweder greifen, oder zu Bau treiben, wobei er sich in Dachshauben oder Säcken, welche vor die Röhren gelegt werden, fängt. Außerdem wird er in starken, gut befestigten Tellereisen (s. d.) gefangen, die nach Verstopfung der übrigen Röhren vor die Hauptröhre des Baues gelegt werden, in welchem der D. festgespürt ist. Die beliebteste Jagd ist jedoch das Dachsgraben. Man verlegt sämtliche Röhren und läßt in die Hauptröhre scharfe Dachshunde ein, welche man durch Zuruf und Klopfen auf den Bau ermuntert. Die Hunde treiben den D. im Bau hin und her, bis er sich fest vor ihnen stellt. Legt man sich mit dem Ohr auf den Boden, so hört man bald, daß die Hunde unausgesetzt an derselben Stelle Laut geben, und nun wird mit dem Graben begonnen. Mit Rodehacke und Spaten wird ein kleiner, rechtwinkelig über dem mutmaßlichen Verlauf der Röhre angelegter Schacht (Einschlag) genau über der Stelle, an welcher die Hunde laut sind, so tief eingetrieben, bis man auf die Röhre gelangt. Hat man die Stelle richtig gewählt, so trifft man auf die dachsvorliegenden Hunde und kann den D. mit einer Dachszange fassen und herausziehen. Das Wildschongesetz beschränkt die Schußzeit des Dachses für Preußen auf Oktober und November. Alt eingefangene Dachse sind jeder Behandlung und Erziehung unzugänglich, während sorgfältig erzogene junge Dachse sehr zahm und anhänglich werden.