Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Dämmerung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 441442
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Dämmerung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 441–442. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:D%C3%A4mmerung (Version vom 16.04.2024)

[441] Dämmerung, die Helligkeit, welche die Sonne einige Zeit vor ihrem Aufgang (Morgendämmerung) und nach ihrem Untergang (Abenddämmerung) verbreitet, und welche des Morgens zunimmt, wie sich die Sonne dem Horizont nähert, und des Abends abnimmt, wie sie sich von demselben entfernt. Sie entsteht dadurch, daß die Sonnenstrahlen die höhern Luftschichten noch treffen und diese, weil sie nicht vollständig durchsichtig sind, einen Teil des auf sie fallenden Lichts zurückwerfen und zerstreuen. Ohne Atmosphäre oder bei vollständiger Durchsichtigkeit derselben würden auf unsrer Erde Licht und Finsternis unmittelbar und ohne Übergänge einander folgen. Wie nun die D. zunächst abhängig ist vom Stande der Sonne, so wird sie in ihrem Verlauf und in ihren einzelnen Erscheinungen ganz vom Zustand der Atmosphäre beherrscht, soweit derselbe das Verhalten zum Licht zu modifizieren vermag. Weil aber die Atmosphäre in Bezug auf ihre Reinheit, Feuchtigkeit, Temperatur, Ruhe und Bewegung fortwährenden Schwankungen unterworfen ist, so ist auch die D. zu verschiedenen Zeiten an demselben Ort sehr ungleichartig. Ist die Luft recht rein, so bemerkt man bald nach Sonnenuntergang diametral dem Untergangspunkt gegenüber einen blaugrauen, bogenförmig begrenzten Raum am Himmel, welcher den von der Erde auf die Atmosphäre geworfenen Schatten bezeichnet. Dieser Raum wurde von Mairan Gegendämmerung genannt. Er ist gewöhnlich durch einen weißlichen Streifen von dem übrigen rötlichen Himmel getrennt, eine Folge der Zusammenwirkung des roten und blauen Lichts. Mit sinkender Sonne hebt sich der Schatten mehr und mehr und erreicht den Zenith, wenn die Sonne 61/2° unter dem Horizont steht. Zu dieser Zeit werden die größern Sterne sichtbar. Die orangefarbene Abendröte zieht sich unterdessen immer mehr nach dem westlichen Horizont zusammen, und über ihr zeigt sich ein weißer, bogenförmig begrenzter Raum, den man Dämmerungsschein zu nennen pflegt. Die Abendröte verschwindet dann immer mehr und mehr und sinkt endlich unter den westlichen Horizont hinab, worauf auch die kleinsten Sterne sichtbar werden. Dies ist das Ende der astronomischen D., bei welchem die Sonne 18° unter dem Horizont sich befindet. Ein Kreis, welcher 18° unter dem Horizont und parallel mit diesem am unsichtbaren Teil des Himmels gezogen wird, heißt der Dämmerungskreis, und da, wie schon erwähnt, die D. von der Atmosphäre bedingt wird, so kann man aus der Lage des Dämmerungskreises auf die Höhe der Atmosphäre schließen, die sich hiernach zu etwa 9 geogr. Meilen ergibt. Die Dauer der D. ist also abhängig von der Zeit, in welcher die Sonne den Dämmerungskreis [442] erreicht, und diese Zeit ist verschieden je nach der Neigung und Stellung des von der Sonne an einem Tag durchlaufenen Kreises. In dem Maß, wie die Sonne schräger gegen den Horizont herabsinkt, braucht sie offenbar mehr Zeit, den Dämmerungskreis zu erreichen, weil sie einen größern Weg zurückzulegen hat als da, wo sie mehr senkrecht zum Horizont untergeht. Letzteres findet in der Nähe des Äquators statt, während die Bahn der Sonne immer schräger gegen den Horizont liegt, je mehr man sich vom Äquator nach N. oder nach S. entfernt. Die D. ist daher am Äquator am kürzesten und wird gegen die Pole zu immer länger. Für gewisse Orte und Zeiten sinkt die Sonne überhaupt nicht 18° tief unter den Horizont, es findet dann eine ununterbrochene (mitternächtliche) D. statt. Unter dem Äquator schwankt die Dauer der astronomischen D. zwischen 72 und 79 Minuten, unter 40° nördl. oder südl. Br. beträgt die Dauer der astronomischen D. zur Zeit der Äquinoktien 95 Minuten, zur Zeit des kürzesten Tags 103 Minuten und zur Zeit des längsten Tags 125 Minuten; unter 50° nördl. oder südl. Br. dauert die astronomische D. zur Zeit der Äquinoktien 115 Minuten, zur Zeit des kürzesten Tags 126 Minuten, und zur Zeit des längsten Tags sinkt die Sonne nur noch bis 16½° unter den Horizont und tritt deshalb die Zeit der hellen Nächte ein, welche unter 50° nördl. Br. 1. Juni, unter 70° 26. März und unter dem Pol 29. Jan. beginnt. Als Anfang und Ende der bürgerlichen D. nimmt man den Moment an, wo man im Zimmer ohne Kerzenlicht die gewöhnlichen Beschäftigungen noch nicht oder nicht mehr vorzunehmen im stande ist. Diese Bestimmung ist ungenau, indem es von der Güte der Augen, der Lage des Lokals und andern Umständen abhängt, ob daselbst noch gelesen oder sonst etwas ausgeführt werden kann. Das Lesen größerer Schrift gelingt etwa noch, solange der Sonnenmittelpunkt nicht die Tiefe von 6½° unter dem Horizont erreicht hat. Die Dauer der bürgerlichen D. beträgt ungefähr ein Drittel von der der astronomischen. Unter 50° nördl. Br. findet die kürzeste Dauer der bürgerlichen D. 14. März und 29. Sept. statt, wenn die Sonne 2°29′ südliche Deklination hat. Dieselbe beträgt 40 Minuten, während die kürzeste Dauer der astronomischen D. unter dieser Breite 1 Stunde 53 Minuten beträgt. Am Äquator findet das ganze Jahr über so gut wie kein Unterschied in der Dauer der bürgerlichen D. statt, indem sie in den Äquinoktien 24, in den Solstitien 25 Minuten währt. Mit dem wachsenden Unterschied der Tageslängen wächst auch der Unterschied in der Dauer der D. In der heißen Zone spricht sich das Aufhören der bürgerlichen D. wie überhaupt die Dämmerungserscheinungen deutlicher aus als in der gemäßigten und kalten Zone.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 203204
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[203] Dämmerung, der Übergang von der Tageshelle zum Dunkel der Nacht. Die bürgerliche D. dauert so lange, bis Sterne erster Größe sichtbar werden, die astronomische ist zu Ende, wenn auch die kleinsten für das unbewaffnete Auge noch erkennbaren Sterne sich bemerkbar machen. Die sogen. erste D. ist vorüber, wenn wegen der Erdkrümmung keine reflektierten Strahlen mehr an den betreffenden Ort gelangen können; solange noch durch zweimalige Reflexion Lichtstrahlen den Ort erreichen können, hat derselbe die zweite D. Die mit der D. verbundenen Farbenerscheinungen in ihrer regelmäßigen Entwickelung hat v. Bezold zuerst genau beobachtet. Nähert sich die Sonne an einem wolkenfreien Abend dem Horizont, so nimmt der unterste Teil des Himmels im W. eine gelbe Farbe an, im O. folgt auf eine schmutzig ockergelbe eine trübe purpurne, die je nach der Beschaffenheit der Atmosphäre eine Höhe von 6–12° erreicht und nach oben in das Blau des Himmels übergeht. Sobald die Sonne unter den Horizont gesunken ist, erhebt sich am östlichen Himmel der aschfarbene Erdschatten in Gestalt eines dunkeln Segments, welches sich über den purpurnen Teil des Himmels schiebt, so daß dieser einen stets schmäler werdenden Gürtel, den ersten östlichen Dämmerungsbogen oder die erste Gegendämmerung, bildet. Im W. ist unterdessen die gelbe Färbung unmittelbar am Horizont ins Rote und Braunrote übergegangen, das sich nach Sonnenuntergang in Orange verwandelt, während senkrecht darüber eine helle, transparente Stelle liegt. In größerer Höhe, etwa 25° über dem Horizont, machen sich gleichzeitig purpurne Töne geltend, anfangs nur ein heller Fleck, der schnell zu einem Kreis anwächst und hinter das gelbe Segment hinabzusinken scheint. Bei weiterm Sinken der Sonne nimmt dieses erste Purpurlicht schnell an Intensität zu und erreicht sein Maximum bei einer Tiefe der Sonne von 3–4° unter dem Horizont. Es hat alsdann fast die Gestalt eines Kreises, dessen Zentrum wenig über dem gelben Segment liegt, während der untere Teil desselben von letzterm verdeckt erscheint. Schnell verändert es jedoch seine Gestalt und bildet eine schmale Zone von geringer Höhe, wodurch das helle gelbe Segment darüber scharf begrenzt wird. Diese Grenze ist der erste westliche Dämmerungsbogen. Bald darauf erfolgt eine rasche Abnahme der Tageshelle, mit deren Eintritt man die bürgerliche D. als beendet ansieht; die Sonnentiefe beträgt alsdann fast 6°. Der Osthimmel erscheint um diese Zeit wieder ein wenig gefärbt, am westlichen Himmel vollzieht sich dagegen eine Wiederholung der schon einmal beobachteten Erscheinungen, nur weniger glänzend und in etwas geringerer Höhe. Über dem ersten Dämmerungsbogen entwickelt sich aus einer gelblichen Schicht der zweite Dämmerungsschein oder der zweite westliche Dämmerungsbogen, über diesem kann man unter günstigen Umständen ein zweites Purpurlicht bemerken.

Im Spätsommer und Herbst 1883 beobachtete man eine plötzliche Steigerung dieser mit der D. verbundenen Farbenerscheinungen, die auf dem größten Teil der Erdoberfläche sichtbar waren. Eine sorgfältige Sammlung aller darüber angestellten Beobachtungen ließ sofort erkennen, daß es sich um drei optische Phänomene handle. Außer den ungewöhnlich farbenreichen Dämmerungen wurden verschiedenartige Färbungen von Sonne und Mond sowie eine auffallende ringförmige Färbung des Himmels in der Nähe der Sonne beobachtet. Letztere ist 5. Sept. 1883 von Bishop in Honolulu zuerst gesehen und nach ihm der Bishopsche Ring (s. d., Bd. 17) genannt worden. Was die geographische Verbreitung der drei Erscheinungsformen anbetrifft, so lassen sich vier Perioden unterscheiden: In der ersten, bis Ende September 1883 reichenden Periode ist die Sichtbarkeit der drei optischen Erscheinungen auf die äquatoriale Zone beschränkt, innerhalb welcher eine zweimal den Erdball in der Richtung von O. nach W. umkreisende Bewegung konstatiert werden konnte. In der zweiten Periode, bis Mitte November, dehnt sich die Sichtbarkeit der optischen Störungen nach beiden Polen zu aus. Der dritte Zeitabschnitt, bis Ende Dezember 1883, ist durch die Ausbreitung des Störungsgebiets über die ganze gemäßigte Zone der nördlichen Halbkugel gekennzeichnet. In der vierten Periode, bis Sommer 1886, verschwinden die optischen Erscheinungen allmählich aus der Atmosphäre. Die Art der Entwickelung der dreifachen Form der atmosphärisch-optischen Störungen sowie der Umstand, daß dieselben gleichzeitig beobachtet sind, nötigt zu dem Schluß, daß der Ausgangspunkt für dieselben die Sundastraße war, und daß sie aus einer einzigen Quelle stammen, nämlich den durch den vulkanischen Ausbruch des Krakatau 26. und 27. Aug. 1883 in die größten Höhen der Atmosphäre geschleuderten Aschen- und Staubmassen. Die Ausbreitung dieses äußerst fein zerteilten stofflichen Trägers ging in einer Höhe vor sich, die von den Schwankungen der Witterungsverhältnisse unbeeinflußt ist, die Verschiedenheit der optischen Störung muß demnach auf der verschiedenen physikalischen Beschaffenheit des betreffenden Trägers beruhen. Den Nachweis des physikalischen Vorganges, durch welchen schwebende Stoffteilchen vulkanischen Ursprungs die Dämmerungserscheinungen hervorzurufen im stande sind, hat J. Kießling auf experimentellem Wege geliefert, indem er die Wirkungen von durchgehendem Sonnenlicht auf feste, zu Staub zerkleinerte Stoffe, auf chemisch erzeugten Rauch und künstlich erzeugten feuchten Nebel feststellte. Besonders die durch Verbrennung von Schwefel erzeugte schweflige Säure übt einen großen Einfluß auf die Kondensation in übersättigter Luft aus. Eine blaue Färbung der Sonne kann sowohl durch fein verteilte feste Stoffe von rauchartiger Beschaffenheit als auch durch Wasserdampf hervorgerufen werden. Farbige Ringe lassen sich nur durch homogenen Wassernebel darstellen. Was die Entstehung der Farben anlangt, so sind es weder reine Beugungs- noch reine Absorptionsfarben. Kießling bezeichnet den ganzen Vorgang als optische Diffusion und nennt die entstehenden Farben Diffusionsfarben. Das Purpurlicht kommt nach demselben durch diejenigen direkten Sonnenstrahlen zu stande, welche die Erdoberfläche berühren oder in geringer Höhe über derselben die untersten Schichten der Atmosphäre durchsetzen. Allerdings setzt die Wahrnehmung der optischen Wirkung dieser Strahlen das Vorhandensein von äußerst kleinen Stoffteilchen bis zu einer Höhe von 20 km über der Erdoberfläche voraus. Die hohe Intensität des Purpurlichts spricht gegen die Annahme einer Reflexion als Ursache desselben; Brechung kann nur in Betracht kommen, wenn in den betreffenden Atmosphärenschichten Wasser- oder Eiskügelchen vorhanden sind. Eher ist anzunehmen, daß Dunstteilchen [204] von äußerster Kleinheit und Gleichartigkeit, wie sie für Ablenkung durch Lichtbeugung notwendig sind, in solcher Höhe vorkommen. Vgl. Kießling, Untersuchungen über Dämmerungserscheinungen (Hamb. 1888); Symons, The eruption of Krakatoa and subsequent phenomena (Lond. 1888).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 157163
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[157] Dämmerung. Obwohl die Farbenpracht der Morgen- und Abendröte von jeher bewundernde Blicke auf sich zog, wurde doch erst 1864 von v. Bezold in München der Verlauf der Erscheinung genauer verfolgt und wissenschaftlich beschrieben (s. Dämmerung, Bd. 17). In neuester Zeit (1891) hat Battelli in Cagliari (Sardinien) diese Beobachtungen wiederholt und eine eingehende Beschreibung des Phänomens geliefert, welche im wesentlichen mit den Angaben v. Bezolds übereinstimmt. Battelli teilt die Erscheinung in vier Abschnitte. Der erste Teil der Abenddämmerung umfaßt eine Reihe von Farbenänderungen, welche sich den ganzen Horizont entlang vor Untergang der Sonne vollziehen. Wenn die Sonne am Nachmittag sich bis 4 oder 5° dem Horizont genähert hat, so erscheint sie von einer weißlichen glänzenden Aureole umgeben, die sich nach allen Seiten gleichmäßig erstreckt. Rings um den Horizont, besonders im NW. und SW., gewahrt man einen dunstigen Streifen von schmutzig grauer Farbe. Gleichzeitig erscheint im W. eine zart gelblich gefärbte Zone von etwa 1/2° Höhe, über ihr lagert meistens eine Schicht von bläulichem Grün, das sich nach oben hin allmählich verliert. Beim weitern Sinken der Sonne wird das Gelb immer stärker, während das Grün sich langsam erhebt und nach N. und S. hin sich weiter ausbreitet. Ist sodann die Sonne um etwa 1° unter den Horizont gesunken, so beginnt die gelbe Zone im W. ins Orangefarbene zu ziehen und dehnt sich weiter aus, während die grüne Schicht aus der Nähe der Sonne verschwunden und nach NW. und SW. gewandert ist, so daß hier der Horizont von einem grünlichgelben Streifen eingenommen wird, der sich nach oben in mattes Grün verliert. Auch im O. zeigt sich ein grüner Streifen von 5–6° Höhe und einer horizontalen Erstreckung von 90° und mehr. Darüber ist der Himmel hellblau und bewahrt sein gewöhnliches Blau nur in einem breiten Streifen, der sich vom Zenith aus nach dem Nord- und Südpunkte hinzieht.

Sobald die Sonnenstrahlen die Berggipfel verlassen, beginnt der zweite Teil der D. Im W. nimmt der untere Teil der gelben Zone bis zur Höhe von etwa 1° eine matt rötliche Farbe an, welche rasch stärker wird und sich, allmählich verblassend, nach N. und S. ausbreitet; gleichzeitig wird auch der grünliche Streifen im NW. und SW. immer lebhafter und glänzender und dehnt sich nach N. und S. aus. Im nämlichen Zeitpunkt erhebt sich über der grünen Zone im O. ein Streifen von matt kupferroter Farbe, der nach oben hin allmählich verschwimmt. Im W. gehen jetzt überraschend schnelle Änderungen vor sich; die gelbe Zone wird immer gesättigter und verwandelt sich nach wenigen Minuten in das schönste Orange, indem zugleich die rötliche Färbung an ihrem untern Rande immer deutlicher und glänzender wird und sich immer mehr nach N. und S. ausbreitet. Die weißliche Aureole um die Sonne wird in horizontaler Richtung breiter und in vertikaler Richtung schnell niedriger und nimmt sonach die Gestalt einer großen, sehr glänzenden abgeplatteten Scheibe an; unmittelbar nach dem Verschwinden der Sonne bietet daher der Westhimmel den Anblick einer Wand, welche bedeckt ist mit zum Horizont parallelen farbigen Schichten. Von diesem Augenblick an finden im W. eine Zeitlang nur noch unmerkliche Änderungen statt, nur die Grenze zwischen der gelben Zone und dem Himmel darüber, welche v. Bezold den „ersten westlichen Dämmerungsbogen“ nannte, wird immer deutlicher. Im O. dagegen wird nach Untergang der Sonne die grüne Färbung nach oben etwas mehr gesättigt, der untere, kupferrote Streifen wird lichtstärker und erhebt sich [158] bis zu 8 oder 10° über den Horizont. Kurz darauf erscheint der stahlgraue, glanzlose Erdschatten in Gestalt eines Segmentes, welches, wenn sein Gipfel die Höhe von etwa 2° erreicht hat, eine horizontale Erstreckung von 60–70° einnimmt. Das emporsteigende graue Segment bedeckt allmählich den rothen Streifen des Osthimmels und erreicht in den letzten Augenblicken seiner Sichtbarkeit eine Höhe von 12 bis 14°, wenn die Sonne sich etwa 4° unter dem Horizont befindet.

Ungefähr 20 Minuten nach Untergang der Sonne, nämlich wenn sie etwa 31/2° unter den Horizont gesunken ist, beginnt der dritte Teil der D., welchen man als die Periode des „ersten Purpurlichtes“ bezeichnen kann. In einer Höhe von etwa 25° erscheint auf dem Himmelsblau, das schon viel von seiner Helligkeit verloren hat, eine zwischen Rosenrot und Purpur liegende Färbung, die anfangs so schwach ist, daß sie nur von einein geübten Auge wahrgenommen werden kann. Sie nimmt jedoch rasch an Lichtstärke zu und dehnt sich nach oben und unten zu einer fast kreisförmigen Scheibe mit sehr verwaschenen Rändern aus, deren Radius bis zu den farbigen Schichten des Westens fortwährend wächst. Die Mitte dieser Scheibe, die am lebhaftesten rot gefärbt erscheint, entspricht der Stelle, wo die erste Rötung erschien. Betrachtet man in diesem Zeitpunkte die nach W. gewendeten Gegenstände, z. B. Gebäude, Gebirge etc., welche nach Sonnenuntergang nach und nach dunkel geworden waren, so sieht man sie plötzlich mit rosigem Licht wieder aufleuchten (Nachglühen der Alpen). Einige Minuten nach seinem Erscheinen erreicht das Purpurlicht seine größte Lichtstärke, und zwar in dem Augenblick, in welchem im O. jede Spur von rötlicher Färbung verschwindet und die Sonne bis etwa 4° unter den Horizont gesunken ist. Inzwischen hat die Scheibe des Purpurlichts ihren untern Rand in die farbigen Schichten hinabgetaucht, in deren Nähe sie das Aussehen eines zarten Vorhanges annimmt, der langsam herabsinkt. Da die Mitte der Scheibe sich schneller senkt als die Scheibe selbst, während ihr Halbmesser fortwährend wächst, so verwandelt sie sich bald in einen Halbkreis und schließlich in ein Segment von geringer Höhe und großer Breite. Nach wenigen Augenblicken, sobald die Sonne etwa 6° unter dem Horizont steht, ist alles verschwunden. Manchmal erscheint das Purpurlicht von dunkeln Streifen durchzogen, welche das Blau des Himmels durchschimmern lassen (Dämmerungsstrahlen); sie haben den Verlauf größter Kreise, die nach dem Orte der Sonne konvergieren, und sind nichts andres als die Schattenkegel irdischer Gegenstände oder auch von Wolken, die sich unter dem Horizont befinden.

Kaum ist das erste Purpurlicht erloschen, so erscheint die ganze Erdoberfläche in düstern Schatten getaucht. Bald jedoch wird die gefärbte Schicht im W. etwas lebhafter, die rötliche Färbung an der Unterseite nimmt an Lichtstärke zu, der darüber liegende gelbe Streifen wird leicht orangefarben, während im NW. und SW. die Basis der Schicht, welche bereits grau geworden war, manchmal bis zur Höhe von 1 oder 2° eine sehr schwache braunrote Färbung annimmt. Am Osthimmel sieht man manchmal gleichzeitig auf einige Augenblicke eine kaum wahrnehmbare düster rosenrote Färbung, und ein geübtes Auge kann darüber die Spuren eines zweiten grauen Segments erkennen. Kurz darauf, wenn die Sonne die Tiefe von etwa 7° erreicht hat, kann man unter günstigen Umständen ein zweites Purpurlicht beobachten, welches ungefähr in derselben Höhe wie das erste sich bildet, wie dieses an Lichtstärke und Ausdehnung zunimmt, aber schneller hinter den Horizont versinkt. Das zweite Purpurlicht erreicht seine größte Helligkeit, die jedoch im allgemeinen geringer ist als die des ersten, wenn die Sonne etwa 9° unter dem Horizont steht. Nachdem auch das zweite Purpurlicht (bei einer Sonnentiefe von etwa 12°) verschwunden ist, wird der ganze Himmel dunkel, nur im W. bleibt ein kleiner, schwach rötlichgelber Streifen und über diesem noch die weißliche Aureole, welche mittlerweile sich immer mehr gesenkt hat. Nach kurzer Zeit verschwindet auch der gelbliche Streifen, und es bleibt nur noch die weißliche Aureole, welche nach und nach von einem dunkeln, von oben herabsinkenden Schleier, dem Erdschatten, verdeckt wird. – Die Morgendämmerung zeigt im ganzen denselben Gang der Erscheinungen wie die eben geschilderte Abenddämmerung, nur in umgekehrter Reihenfolge.

Die Dämmerungserscheinungen, deren normaler Verlauf soeben beschrieben wurde, erregten die allgemeine Aufmerksamkeit, als sie mit ungewöhnlicher Pracht und Stärke vom Herbst 1883 bis Frühjahr 1884 und teilweise mit abnehmendem Glanze bis Sommer 1886 auftraten. Die in diesem Zeitabschnitt beobachteten Morgen- und Abendröten stimmten zwar in der Reihenfolge ihrer Phasen mit der normalen D. überein, unterschieden sich von ihr aber durch größere Farbenpracht und durch ungewöhnlich lange Dauer. Unmittelbar vor Sonnenaufgang oder gleich nach Sonnenuntergang zeigte sich der ganze Himmel gelb beleuchtet; die Beleuchtung war diffus, so daß man das dunkle Segment des Erdschattens nicht mit scharfer Begrenzung wahrnehmen konnte. Das erste Purpurlicht war räumlich viel ausgedehnter und weniger deutlich begrenzt, und oft zeigte sich der ganze Himmel mit purpurnen Tönen übergossen. Ganz enorm endlich war die Ausdehnung und Lichtstärke des zweiten Purpurlichts; es erreichte sein Maximum ungefähr 70–80 Minuten nach Sonnenuntergang wie gewöhnlich, erreichte aber eine Gesamtdauer von 2 Stunden und darüber.

Während der Periode dieser ungewöhnlichen Dämmerungserscheinungen bis in den Sommer 1886 zeigte sich ferner um die Sonne, auch wenn sie noch hoch am Himmel stand, ein rötlichbrauner Ring von 40–50° Durchmesser, in dessen Mitte die Sonne stand, und dessen zwischen der Sonne und dem innern Rande des rötlichen Ringes gelegene Fläche weißlich oder bläulichweiß erschien. Man nannte diese Erscheinung den Bishopschen Ring, weil S. Bishop in Honolulu ihn im September 1883 zuerst beobachtete. Man sah den Ring besonders deutlich, wenn die Sonne durch Ballenwolken oder durch ein Gebäude, in dessen Schatten der Beobachter stand, verdeckt war. Diese außergewöhnlichen Lichterscheinungen waren stets begleitet von einer eigentümlichen rauchigen Trübung der Atmosphäre, welche bis in große Höhen von einem feinen nebeligen Dunst erfüllt erschien. Dieser von Kießling so genannte Dunstnebel ist offenbar als die Ursache der ungewöhnlichen optischen Erscheinungen zu betrachten. Der Dunstnebel zeigte sich dichter in den äquatorialen als in den außertropischen Gegenden, am dichtesten in der Nähe des Vulkans der Insel Krakatau in der Sundastraße nach dessen großem Ausbruch 27. Aug. 1883, vielfach in Verbindung mit Aschenregen. Da von da ab allmählich und nacheinander, wie zahlreiche jetzt gesammelte Beobachtungen beweisen, der Dunstnebel, freilich ohne Aschenregen, sich rings um die Erde zunächst in den Tropen, später auch in den außertropischen Gegenden [159] verbreitete, so lag es nahe, zu vermuten, daß der Dunstnebel auf der ganzen Erde nichts andres war als eine große Menge fein zerteilten vulkanischen Staubes, welcher durch die aus dem Krakatau ausbrechenden Gas- und Dampfmassen in große Höhen der Atmosphäre emporgerissen und durch obere Luftströme vorzugsweise nach W. in weiteste Entfernungen fortgeführt wurde. Wenn auch die Richtigkeit dieser Ansicht, daß der Krakatau-Ausbruch den Dunstnebel geliefert und damit jene ungewöhnlichen atmosphärischen Lichterscheinungen verursacht habe, noch nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, so hat sie immerhin große Wahrscheinlichkeit für sich.

Als eine während der Dauer dieser atmosphärisch-optischen Störung ziemlich häufig auftretende Erscheinung ist noch zu erwähnen die farbige Sonne. Die Sonne erschien nämlich noch bei ziemlich hohem Stande (7–10° über dem Horizont) durch den Dunstnebel als strahlenlose Scheibe, am häufigsten blau, sehr häufig auch grün oder silberglänzend oder kupferfarbig. Diese Färbungen wurden hauptsächlich in der äquatorialen Zone viel beobachtet, z. B. in der Nähe des Krakatau im engsten Zusammenhang mit den Rauchwolken des Ausbruches und dem Aschenregen, in den außertropischen Gegenden aber wurden sie nur selten und schwach wahrgenommen.

Fragt man nun nach der physikalischen Ursache der Dämmerungserscheinungen, so wird zunächst von dem Hauptmerkmal der normalen D., nämlich von der gelbrothen Färbung der dem Horizont nahen Sonne, sodann von den übrigen begleitenden Lichterscheinungen Rechenschaft zu geben sein. Die Theorie von Clausius (1850) nimmt an, daß die auch bei klarem Himmel in der Luft schwebenden Nebelkörperchen hohle Wasserbläschen sein, deren Häutchen wie bei einer Seifenblase durch Interferenz Farben dünner Blättchen hervorbringen, und zwar im reflektierten Lichte das Blau erster Ordnung als Himmelsblau, im durchgelassenen Licht das hierzu komplementäre Orange als Abendrot erzeugen. Die Existenz von Nebelbläschen ist jedoch durchaus nicht wahrscheinlich; neuere Versuche sprechen vielmehr dafür, daß bei der Kondensation des Wasserdampfes stets massive Tröpfchen entstehen. Die Theorie von Brücke (1852) gründet sich auf die Fresnelschen Gesetze der Zurückwerfung und Brechung des Lichtes, wonach in den zurückgeworfenen Strahlen die brechbaren Farben, in den durchgelassenen die weniger brechbaren vorherrschen. Es müßten also die in der Luft schwebenden Dunstkörperchen dem an ihnen wiederholt reflektierten Lichte eine blaue, dem durchgelassenen eine gelbe bis rote Färbung erteilen. In der Theorie von Lord Rayleigh (1871) wird aus den Bewegungsgleichungen elastischer Körper das Gesetz abgeleitet, daß die Intensität des zurückgeworfenen Lichtes proportional ist, wenn das Licht an Stoffteilchen reflektiert wird, welche im Vergleich mit den Lichtwellen sehr klein sind. In dem Licht, welches an den in der Atmosphäre schwebenden Dunstkörperchen und feinen Stäubchen diffus reflektiert wird, müssten sonach die blauen, in dem durchgelassenen Lichte die gelben und roten Strahlen vorherrschen. Alle diese Theorien suchen, wie man sieht, in erster Linie das Blau des Himmels zu erklären, und fassen sodann das Gelbrot der D. als Ergänzungsfarbe des Himmelblaus auf. Zur Erklärung der übrigen Dämmerungserscheinungen, z. B. des Bishopschen Rings, des Purpurlichts etc. reichen sie nicht aus.

Dagegen ist die Theorie von Lommel (1861), nach welcher die Dämmerungsfarben durch Beugung des Lichtes an den kleinen, in der Atmosphäre schwebenden Dunstkörperchen und Stäubchen entstehen, wohl geeignet, die oben geschilderten Erscheinungen zu erklären. Diese Beugungstheorie besteht aus folgendem: Wenn von einem sehr weit entfernten leuchtenden Punkte ein Bündel paralleler Lichtstrahlen auf einen mit einer kleinen Öffnung versehenen dunklen Schirm trifft, so kann man sich die Elementarstrahlen, welche jeder Punkt der Öffnung nach allen möglichen Richtungen in den Raum hinter dem Schirm sendet, in unendlich viele Bündel paralleler Strahlen gruppiert denken. Dasjenige derselben, welches die einfallenden Strahlen fortsetzt, heißt direkt, die andern gebeugt; der Winkel, welcher die Richtung eines gebeugten Bündels mit der Richtung der direkten Strahlen bildet, heißt der Beugungswinkel. Befindet sich hinter der Öffnung eine Linse (das Objektiv eines Fernrohrs oder die Kristalllinse des Auges), so wird diese die Strahlen eines jeden Bündels in einem Punkt vereinigen. Die Vereinigungspunkte befinden sich auf der Brennfläche der Linse, bei einem für unendliche Entfernung akkomodierten Auge also auf der Netzhaut. In diesen Vereinigungspunkten interferieren die Strahlen eines jeden Bündels vermöge der Gangunterschiede, welche sie durch ihre Neigung zu den direkten Strahlen erlangt haben. Je nach der Größe dieses Gangunterschiedes werden sich die gebeugten Strahlen bald vollständig vernichten, bald mehr oder weniger unterstützen und so auf der Netzhaut die bekannten zierlichen Beugungsbilder entwerfen, in welchen Maxima oder Minima der Lichtstärke nach bestimmten Gesetzen miteinander abwechseln. Die Entfernungen der gleichvielten Maxima und Minima von der Bildmitte sind, wenn man ähnlich gestaltete Öffnungen miteinander vergleicht, der Wellenlänge des angewendeten einfarbigen Lichtes direkt und entsprechenden Dimensionen der Öffnung umgekehrt proportional. Je kleiner nun eine beugende Öffnung ist, desto weiter ist das erste Minimum einer jeden Farbe von der Bildmitte entfernt; dabei liegen die den kürzern Lichtwellen entsprechenden Minima der Bildmitte näher als die den längern Wellen zugehörigen. Wäre die Öffnung so klein, daß für irgend eine Farbe das erste Minimum bei einem Beugungswinkel von 90°, d. h. ganz am Rande der Bildfläche, eintreten müßte, so könnte für alle minder brechbaren Farben gar kein Minimum mehr zu stande kommen, wohl aber noch für die stärker brechbaren. Wäre z. B. die Breite eines geradlinigen Spaltes gleich der Wellenlänge des gelben Natriumlichts (= 0,000589 mm), so würde für diese Farbe das Minimum an den äußersten Rand des Gesichtsfeldes fallen; für rotes Licht wäre ein Minimum gar nicht mehr vorhanden, für das äußerste Violett aber würde ein solches schon für einen Beugungswinkel von 48° eintreten. Indem sonach von der Mitte des Bildes nach außen hin die stärker brechbaren Strahlen ihrer Minimallichtstärke viel rascher zueilen als die minder brechbaren, so werden diese letztern in dem gebeugten Lichte vorherrschen. Es wird daher ein weißer Lichtpunkt, durch eine sehr enge Öffnung betrachtet, zwar selbst weiß, ober von einer Aureole gebeugten Lichtes umgeben erscheinen, welches eine, wenn auch nur schwache, rötliche Nüance zeigt. Ist der Schirm von beliebig vielen willkürlich verteilten, unter sich gleichen Öffnungen durchbohrt, so bleibt die Beugungserscheinung nach Gestalt und Farbe dieselbe wie bei einer einzigen Öffnung, nur daß die Lichtstärke proportional dem Quadrate der [160] Öffnungszahl wächst. Dies gilt selbst dann noch, wenn die Öffnungen unter sich ungleich sind, vorausgesetzt, daß ihre Dimensionen eine gewisse Grenze nicht überschreiten, sondern so klein sind, wie oben angenommen wurde.

In der Atmosphäre haben wir es aber nicht mit einem undurchsichtigen Schirm zu thun, der von kleinen Öffnungen durchbohrt ist, sondern die in der Atmosphäre schwebenden Stäubchen und Dunstkörperchen wirken wie zahllose kleine undurchsichtige oder nur durchscheinende Schirmchen. Nun läßt sich zeigen, daß die Beugungserscheinung, welche durch ein dunkles Schirmchen oder durch eine Gruppe dunkler Schirmchen hervorgebracht wird, vollkommen identisch ist mit derjenigen, welche von einer gleichgestalteten Öffnung oder Gruppe von Öffnungen herrührt, mit alleiniger Ausnahme desjenigen Punktes, in welchem die direkten Strahlen sich vereinigen; hier sammelt sich nämlich stets alles direkte Licht, welches von den Schirmchen nicht aufgehalten wird. Die Wirkung eines durchlöcherten Schirmes unterscheidet sich daher von derjenigen einer Schirmchengruppe, welche gleichsam das Negativ von jenem ist, dadurch, daß im ersten Fall sowohl das direkte als das gebeugte Licht von den lichtdurchlassenden Stellen des Schirmes abhängt, im zweiten Fall dagegen das direkte Licht von den hellen, das gebeugte Licht von den dunkeln Stellen. In jenem Fall schließt sich das gebeugte Licht seiner Intensität nach stetig an das direkte an, so daß kein scharf begrenztes Bild der Lichtquelle entstehen kann, in diesem aber findet ein solcher Anschluß nicht statt und die Lichtquelle wird scharf begrenzt gesehen. Vermehrt man die Öffnungen eines dunkeln Schirmes, so wird dadurch sowohl das direkte als das gebeugte Licht an Intensität gewinnen; vermehrt man aber ebenso die Schirmchen einer Schirmchengruppe, so wird dadurch das gebeugte Licht vermehrt, das direkte aber geschwächt.

Trifft also ein von einem unendlich fernen weißen Lichtpunkt herkommendes Bündel paralleler Strahlen senkrecht auf eine Gruppe sehr kleiner dunkler Schirmchen, so wird ein hinter der Gruppe befindliches Auge die direkten Strahlen zu einem weißen Bilde des Lichtpunktes vereinigen, welches ringsum von gebeugtem und, vielleicht nur unmerklich, rötlich gefärbtem Lichte umgeben erscheint. Die Schirmchengruppe ruft sonach neben der geschwächten weißen Lichtwelle noch rötlich gefärbte, schief einfallende Lichtwellen ins Dasein. Treffen diese, bevor sie zum Auge gelangen, neuerdings auf eine ähnliche Schirmchengruppe, so werden alle, die direkte sowohl als die gebeugten, von neuem die beugende Wirkung derselben erfahren. Die direkten Strahlen werden, indem sie die zweite Gruppe unmittelbar passieren, zwar an Lichtstärke, nicht aber an Weiße verlieren; außerdem werden sie von neuem zur Entstehung gebeugten rötlichen Lichtes Anlaß geben. Die gebeugten Strahlen werden durch die zweite Gruppe nochmals gebeugt; von jedem gebeugten Strahlenbündel wird namentlich ein Teil in die Richtung der direkten Strahlen zurückgebeugt; dasselbe hatte schon durch die erste Beugung an stärker brechbaren Strahlen Einbuße erlitten, bei der zweiten Beugung werden in ihm nochmals die stärker brechbaren Strahlen mehr geschwächt als die weniger brechbaren, seine Tendenz zur rötlichen Färbung wird daher zunehmen. Zu dem direkten, gegen vorhin schwächern weißen Lichte wird sich also jetzt in dieselbe Richtung gebeugtes rötliches Licht gesellen und so dessen Nüance rötlich erscheinen lassen. Durch Hinzukommen von weitern, mit den ersten parallelen Schirmchengruppen wird so das ursprünglich weiße direkte Licht mehr und mehr geschwächt, während immer mehr und durch die wiederholten Beugungen immer tiefer gerötetes Licht sich ihm beimischt. Die aufeinander folgenden Schirmchengruppen wirken gleichsam wie Siebe, welche das durchgehende Licht immer vollständiger von seinen stärker brechbaren Strahlen befreien. Der weiße Lichtpunkt wird also, durch eine genügende Anzahl solcher Schirmchengruppen betrachtet, nicht nur selbst rötlich gefärbt erscheinen, sondern auch noch von einer stärker rot gefärbten Aureole gebeugten Lichtes umgeben sein.

Aus diesen Betrachtungen erklärt sich nun die rote Farbe der Sonne bei ihrem Auf- und Untergang von selbst. In den untern Schichten der Atmosphäre schwebt eine Menge sehr kleiner Körperchen verschiedener Art. Steht die Sonne dem Horizont nahe, so haben ihre Strahlen in diesen Schichten einen hinlänglich weiten Weg zu durchlaufen, um die beugende Wirkung der Schirmchengruppen, welche man aus jenen Körperchen bilden kann, in merklichem Grade zu erfahren. Jeder Punkt der Sonne muß dadurch selbst rötlich und noch von stärker gerötetem gebeugten Lichte umgeben erscheinen; indem sich nun die roten Aureolen benachbarter Punkte übereinander lagern, wird sich dem direkten Lichte jedes Sonnenpunktes noch das gebeugte der Nachbarpunkte beigesellen und dadurch dessen Röte nochmals vertiefen. Darum muß bei einer Lichtfläche die rote Färbung noch auffallender hervortreten als bei einem vereinzelten Lichtpunkt. Während die Lichtscheiben der Sonne und des Mondes am Horizont in prächtigem Orangerot erglühen, bemerkt man deshalb die rötliche Färbung auf- und untergehender Fixsterne kaum. Entfernte weiße Flächen, wie die Gletscher und Firnfelder der Alpen, dem Horizont nahe Wolken, zeigen, von der untergehenden Sonne beleuchtet, oft ein ins Purpurne ziehendes Rot, während eine in der Nähe befindliche weiße Mauer, wie die Sonne oder der Abendhimmel selbst nur orangerot gefärbt erscheint. Das von jenen Flächen reflektierte, bereits gerötete Licht erfährt nämlich auf seinem langen Rückweg bis zu unserm Auge nochmals die beugende Wirkung der in der Luft schwebenden Körperchen und wird dadurch tiefer gerötet.

Aus der Beugungstheorie erklärt sich die ganze Skala der Dämmerungsfarben vom Gelb und Orange bis zum Feuer- und Blutrot; grünliche Farbentöne erscheinen da, wo das Gelb des Abendhimmels in das Himmelblau übergeht. Der Bishopsche Ring, der sich auf den ersten Blick als eine mit den kleinen Höfen um Sonne und Mond, den sogen. Fraunhoferschen Ringen, verwandte Erscheinung erkennen läßt, ergibt sich als notwendige Folgerung aus der Beugungstheorie. Auf Grund dieser Theorie konnte sogar aus den von Archibald und Riggenbach ausgeführten Messungen seines Radius der Durchmesser jener kleinen Teilchen berechnet werden, welche die oben geschilderten ungewöhnlichen Dämmerungserscheinungen hervorbrachten; Pernter fand diesen Durchmesser = 0,00185 mm. Das erste Purpurlicht ist als eine Fortsetzung des Bishopschen Ringes nach Sonnenuntergang, nämlich als der obere Teil des rötlichen Ringes anzusehen. Aus einer großen Zahl genauer Messungen hat in der That Riggenbach gefunden, daß das Purpurlicht an einer Stelle des Himmels aufzutauchen beginnt, an welcher bei dem augenblicklichen Stande der Sonne die hellste Stelle des Bishopschen Ringes sich zeigen würde. Freilich war der Ring nur während der Periode jener [161] atmosphärisch-optischen Störung von 1883–86 deutlich sichtbar, u. sind unter normalen atmosphärischen Verhältnissen, solange die Sonne über dem Horizont steht, kaum Spuren desselben zu erkennen, während das erste Purpurlicht als eine regelmäßige Erscheinung der normalen D. auftritt. Es ist jedoch zu erwägen, daß das Licht der Beugungsringe im Vergleich mit dem direkten der Lichtquelle außerordentlich schwach ist und daher von dem Auge, das durch den Glanz der Sonne selbst oder der noch tageshell erleuchteten Atmosphäre geblendet ist, nur schwer oder gar nicht wahrgenommen wird. War ja doch auch während jener Störungsperiode die Abblendung der Sonne durch Wolken für die Wahrnehmbarkeit des Bishopschen Ringes von Vorteil. Auch die Fraunhoferschen Ringe oder Höfe werden bei dem verhältnismäßig lichtschwachen Monde sehr leicht, bei der Sonne aber nur schwierig wahrgenommen, treten jedoch auch bei dieser deutlich hervor, wenn man das Spiegelbild der Sonne und ihrer Umgebung in einer stehenden Wasserfläche betrachtet, weil jetzt das reflektierte Sonnenbild seines blendenden Glanzes entkleidet ist. Man begreift hiernach leicht, daß der vor Sonnenuntergang nicht sichtbare Bishopsche Beugungsring als Purpurlicht sichtbar werden kann, sobald die Sonne genügend tief unter den Horizont hinabgesunken und der Abendhimmel düsterer geworden ist, insbesondere wenn man noch berücksichtigt, daß die Strahlen der Sonne, je tiefer dieselbe sinkt, einen um so längern Weg durch die mit beugenden Körperchen erfüllten untern Schichten der Atmosphäre zu durchlaufen haben und deshalb die Lichtstärke des gebeugten Lichtes auf Kosten des direkten Lichtes, wie oben gezeigt worden ist, zunehmen muß. Für das Zustandekommen des zweiten Purpurlichtes scheint das erste Purpurlicht dieselbe Rolle zu übernehmen, welche die Sonne selbst bei der Entstehung des ersten Purpurlichtes gespielt hat. Dasselbe erklärt sich nämlich vollkommen befriedigend aus der Annahme, daß zarte, unter dem Horizont lagernde Wolkengebilde, welche von dem bereits hinabgesunkenen ersten Purpurlicht erleuchtet sind, als neue Lichtquelle an Stelle der bereits tiefer gesunkenen Sonne getreten sind.

Schwieriger als die Erklärung der normalen Dämmerungserscheinungen ist diejenige der außergewöhnlichen Färbungen der Sonne, welche während der Periode der atmosphärisch-optischen Störung öfter beobachtet wurden. Vielleicht lassen sich dieselben auf die Beugungsringe behauchter Platten zurückführen. Betrachtet man nämlich durch eine behauchte Glasplatte, auf der sich aus dem Hauche zahllose kleine Wassertröpfchen niedergeschlagen haben, einen Lichtpunkt, so erscheint derselbe zunächst von einem völlig dunkeln Raum umgeben, der von einem blaugrünen, dann gelben und roten Ring eingeschlossen wird. Wenn sich die Behauchung durch Verdunsten allmählich verliert, so verblassen die Farben; dabei ändern aber die Farben ihre Entfernung vom Mittelpunkt nicht, sondern jede Farbe verschwindet an ihrer Stelle. Daraus geht hervor, daß diese Farbenringe nicht wie die Fraunhoferschen Ringe von der Größe der beugenden Teilchen, sondern von deren gegenseitiger Gruppierung abhängig sind; denn beim Verdunsten bleibt jedes Tröpfchen, indem es nach und nach kleiner wird, an seiner Stelle, wie man unter dem Mikroskop leicht beobachten kann. Donle (1888) hat diese vergängliche Erscheinung dadurch dauernd nachgeahmt, daß er Glasplatten durch Salmiakdämpfe beschlagen ließ, wodurch sich auf den Platten ein äußerst zarter, weißlichgrauer Niederschlag bildete. Solche Platten zeigten, wenn man eine punktförmige Lichtquelle durch sie betrachtete, schöne und regelmäßige Höfe, welche in allen Einzelheiten mit der Ringerscheinung behauchter Platten übereinstimmten. Eine solche Platte zeigte unter dem Mikroskop eine sehr große Anzahl wie Federbärte aussehende Kristallanhäufungen in ganz unregelmäßiger Verteilung. Aber alle diese Federchen bildeten Gitter mit gleichgroßen Zwischenräumen, von welchen jedes senkrecht zu den Gitterstäben zu beiden Seiten des Lichtpunktes Beugungsspektren hervorrufen mußte. Da nun auf sehr kleinem Raum äußerst viele solche kleine Gitter und in allen möglichen Richtungen verteilt sind, so müssen Beugungsspektren nach allen Richtungen hin entstehen, von welchen die ersten und lichtstärksten Spektren sich zu einem glänzenden Ring aneinander reihen, der durch einen völlig dunkeln Zwischenraum von dem Lichtpunkt getrennt ist und am innern Rande blau, am äußern rot gefärbt erscheint. Auch bei der wirklichen Behauchung entspricht die Anordnung der beugenden Teilchen einer Anhäufung von nach allen Richtungen orientierten Gittern, weil die Abstände der Wassertröpfchen voneinander überall nahezu gleich sind und während der Verdunstung auch gleich bleiben. Betrachtet man nun durch die Platte eine Lichtfläche, so wird jeder Lichtpunkt der Fläche seine eigne farbige Aureole erzeugen; indem sich die unzähligen Aureolen übereinander lagern und ihr farbiges Licht dem direkten weißen Lichte der Lichtquelle hinzufügen, muß diese gefärbt erscheinen. Diese Färbungen können je nach dem Verhältnis der scheinbaren Größe der Lichtfläche zu dem scheinbaren Durchmesser der Ringe sehr mannigfaltige und an verschiedenen Stellen der Fläche verschiedene sein, z. B. in der Mitte der Fläche kann eine andre Färbung stattfinden als gegen den Rand hin. Man kann in der That, wenn man jenes Verhältnis richtig wählt, eine nicht zu schmale Lichtquelle, z. B. eine Gasflamme, durch eine behauchte Glasplatte farbig sehen.

Es fragt sich nun, ob Bedingungen ähnlich wie bei diesen Versuchen auch in unsrer Atmosphäre eintreten können. Die feingefiederten Eisnadeln, aus welchen, wie man annimmt, die hochschwebenden Federwolken bestehen, und die man als Strahlen der Schneesternchen leicht beobachten kann, gleichen vollkommen den oben erwähnten Salmiakkriställchen und müssen daher auch ähnliche Wirkungen hervorbringen. Auch die Wassertröpfchen eines sehr gleichmäßigen Nebels, dessen Teilchen gleiche Abstände unter sich bewahren, werden ähnlich wie die Tröpfchen einer behauchten Glasplatte wirken müssen. Man begreift also, daß unter gewissen, selten eintretenden Umständen in der Nähe des Horizontes auch eine blaue oder grüne Sonne gesehen werden kann, besonders wenn man noch bedenkt, daß die Strahlen nicht nur eine einzige Schirmchengruppe, welche für sich vielleicht nur eine unmerkliche Färbung hervorbringen würde, zu durchlaufen haben, sondern eine große Anzahl von Schirmchengruppen hintereinander, wobei, wie oben gezeigt worden ist, das direkte weiße Licht geschwächt, das gebeugte farbige Licht aber verstärkt wird.

Angeregt durch die glänzenden Farbenbilder der ungewöhnlichen Dämmerungserscheinungen hat Kießling 1884 Versuche angestellt über Beugung des Lichtes in künstlich erzeugtem Dunst, indem er die Wirkung untersuchte, welche mechanisch erzeugte feste Staubwolken, auf chemischem Wege entstandener Rauch u. feuchter Nebel auf das durchgehende Sonnenlicht [162] ausüben. Staub, welcher durch mechanisches Zerkleinern fester Stoffe hergestellt war, wie Zement-, Kohlen-, Bimssteinpulver, vermochte außer einer schwach gelblichen Trübung eine bemerkenswerte Färbung des durchgehenden Lichtes nicht hervorzurufen. Dagegen erzeugt Rauch, welcher bei chemischen Vorgängen, namentlich Verbrennungen, entsteht, deutlich erkennbare, zum Teil sehr kräftige Färbungen. Es wurde Salmiaknebel, der in einem Glaskolben von 8–10 Lit. Inhalt durch Zusammentreffen von Salzsäuredämpfen mit Ammoniak entstand, ferner Magnesiumrauch, Pulverrauch und Rauch von glimmenden Pflanzenstoffen untersucht. Beobachtet man durch den Salmiaknebel das Bild der Sonne im Heliostatspiegel, so erscheint dasselbe zuerst tief braunrot gefärbt, nach kurzer Zeit tritt zum Braunrot ein deutlich violetter Farbenton hinzu, und nach wenigen Minuten geht dieses Braunviolett in ein reines, zuletzt blendend leuchtendes Azurblau über. Eine grüne Färbung des Sonnenlichtes, wie sie von Lockyer durch Wasserdampf hindurch beobachtet worden ist, konnte jedoch in befriedigender Weise nicht erhalten werden. Von besonderm Interesse sind die in feuchter Luft durch Temperaturerniedrigung künstlich erzeugten Nebel. Bekanntlich übt sehr feiner Staub und von Verbrennungen herrührender Rauch auf die Nebelbildung bedeutenden Einfluß. Die Nebelkügelchen bedürfen nämlich zu ihrer Entstehung immer fester oder flüssiger Ansatzkerne, die ihnen in der Atmosphäre durch die darin stets vorhandenen staubartigen festen Stoffteilchen geliefert werden. Nicht jeder Staub ist der Nebelbildung gleich günstig; als ganz besonders wirksam erweisen sich die Verbrennungsprodukte des Schwefels, wahrscheinlich weil sie feine Teilchen sublimierten Schwefels als Ansatzkerne für die Nebelkügelchen mit sich führen. Ein möglichst homogener, d. h. aus nahezu gleichgroßen Teilchen bestehender Nebel wurde erzeugt in dem Nebelglühapparat, einem 3–4 oder besser 8–10 Lit. fassenden Glaskolben, der etwas Wasser enthält, so daß die Luft mit Wasserdampf vollständig gesättigt ist, indem man eine geringe Menge Rauch einführt und sodann durch Saugen mit dem Munde oder durch eine Wasserluftpumpe die Luft im Kolben verdünnt. Ist der Glaskolben mit homogenem Nebel von hinreichender Dichte gefüllt, und fängt man die mittels eines Spiegels durch ihn geschickten Sonnenstrahlen auf einem etwa 1 m entfernten Schirme auf, so erblickt man auf diesem ein in lebhaften Farben prangendes Beugungsbild. Im ersten Augenblick der Druckverminderung bildet sich ein silberglänzender, überaus feiner Nebel, dessen erste sehr schnell vorübergehende Färbung ein ganz blasses Orange zu sein scheint. Nun zeigt bei andauernder Druckverminderung das allmählich kleiner werdende zentrale Feld in schneller Aufeinanderfolge folgende Farben: Blaßlila, Blaßblauviolett, Hellblau, Bläulichgrün, Smaragdgrün, Gelblichgrün, Grünlichgelb, Hellorange, Dunkelorange, Blaßscharlachrot, Blaßpurpurrot. Jede neu entstehende Farbe scheint sich vom Zentrum aus über die schon vorhandenen Farben hinwegzuschieben, so daß allmählich ein vielfarbiges, aus konzentrischen Ringen bestehendes Beugungsbild entsteht. Bei genügender Druckverminderung gelingt es, sämtliche Mittelstufen zwischen Gelb und Rotbraun darzustellen; diese Färbungen treten meist im ersten Ringe auf, welcher das zentrale Feld umschließt, und besitzen eine große Leuchtkraft von blendender Stärke. Auch eine mit dem Bishopschen Ring übereinstimmende Beugungserscheinung läßt sich sowohl durch feste Sublimationsniederschläge (Salmiaknebel), als durch künstlich erzeugten feuchten Nebel darstellen.

Neuerdings (1891) hat Battelli die Versuche von Kießling wiederholt und bestätigt und noch andre Versuche hinzugefügt, welche für die Erklärung der Dämmerungserscheinungen von Interesse sind. Er erzeugte z. B. in dem Glasballon den Nebel, indem er zu der mit Wasserdampf gesättigten Luft Zinkrauch hinzutreten ließ, und betrachtete durch diesen Nebel nicht ein Spiegelbild der Sonne, sondern eine mit Sonnenlicht beleuchtete Papierscheibe. Zuerst erschien die Scheibe blaugrün, in der Mitte matt, nach dem Rande hin stärker; diese Farbe ging, nach außen hin allmählich sich verlierend, in eine weißliche Aureole über, welche zuweilen Spuren von Blaßgelb erkennen ließ. War die Luftverdünnung und damit die Kondensation des Wasserdampfes weiter vorgeschritten, so erschien die Scheibe gelbgrün, die Aureole aber nicht merklich verändert. Bei noch weiter getriebener Verdünnung zeigte sich die Scheibe schmutziggelb, die Aureole sehr schwach rosa, und schließlich nahm die Scheibe und ihre Umgebung eine schwachrote Färbung an. Um sich den Erscheinungen in der Natur noch mehr anzunähern, stellte Battelli noch Versuche in größerm Maßstabe an. Er ließ einen luftdichten Kasten von 4 m Länge, 3 m Breite und 11/2 m Höhe herstellen, die vier größern Wände aus verzinktem Eisen, die beiden kleinern, sich gegenüberliegenden aus Spiegelglas. Bei Betrachtung der Sonnenscheibe durch den im Kasten erzeugten Nebel erschien die Scheibe, wenn der Nebel sich eben gebildet hatte, lebhaft weiß, ohne Strahlen und umgeben von einer weißlichen Aureole, die den ganzen Kasten erfüllte. Nach 10–15 Minuten nahm die Scheibe eine schwache, zwischen Purpurviolett und Rotbraun schwankende Färbung an, und sie war umgeben von einer breiten Aureole, die an dem Rande der Scheibe leicht rötlich gefärbt war und nach oben in ein blasses, gelbliches Grün überging. Betrachtete man durch den mit Nebel gefüllten Kasten eine von der Sonne beschienene Papierscheibe, so erschien dieselbe in den ersten Momenten der Nebelbildung leicht rötlich gefärbt und zuweilen ins Gelbliche spielend. Nach kurzer Zeit jedoch begann die rote Färbung sich nach unten zu senken und deutlicher zu werden, und darüber blieb eine gelbliche Färbung, die öfter nach oben hin sich mit Spuren von Grün mischte. Die unverkennbare Ähnlichkeit dieser Erscheinung mit der Abendröte wurde noch auffallender, wenn man die weiße Aureole, welche die Sonne vor ihrem Untergang umgibt, d. h. die Dämmerungshelle, durch den Nebel des Kastens betrachtet. Anfangs, als die Nebeltröpfchen sich noch nicht nach ihrer Größe in horizontalen Schichten gesondert hatten, sah man nichts als einen Lichtschein von blasser Orangefärbung. Aber nach einiger Zeit der Ruhe rückte das Orange nach unten, indem es lebhafter und oft fast rot wurde, und nach oben verlor sich das Orange in einen gelben Streifen, welcher nach oben hin immer zarter wurde und sich mit ein wenig Grün mischte und mit einer schmalen Zone endigte, in der das Grün über das Gelb überwog. Um zu entscheiden, ob diese der Abendröte so ähnliche Farbenschichtung von einer Beugung des Lichtes herrührt, oder von einer solchen auswählenden Absorption, die eine Folge der diffusen Reflexion an sehr kleinen Körperteilchen ist, brauchte man den Nebel nur von der dem einfallenden Lichte zugekehrten Seite (bei auffallender Beleuchtung) zu betrachten. Der Nebel erschien da in weißlichblauer Farbe, auf der [163] wie Schatten die farbigen Schichten sich abzeichneten, die man von der andern Seite deutlich sah. Es wurden demnach allerdings die stärker brechbaren Strahlen von den Nebelkügelchen in stärkerm Grade zurückgeworfen, aber diese Reflexion war nicht die Hauptursache der durch den Nebel hindurch gesehenen Farbenschichten, denn sonst hätte der Nebel von der Beleuchtungsseite her in Schichten mit komplementären Farben zu jenen erscheinen müssen. Die Versuche mit künstlichen Nebeln führen also zu dem Schluß, daß, wenn auch diffuse Reflexion und Lichtbrechung (die weiße Aureole um die Sonne entsteht wahrscheinlich durch Brechung der Sonnenstrahlen in den Wasserkügelchen) beim Entstehen der Dämmerungserscheinungen unzweifelhaft eine Rolle spielen, die Beugung des Lichtes als die Hauptursache der mannigfaltigen Dämmerungsfarben anzusehen ist.