Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Crassus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 327328
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Crassus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 327–328. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Crassus (Version vom 04.06.2021)

[327] Crassus (der „Dicke“), Beiname einer Familie des alten plebejischen Geschlechts der Licinier. Merkwürdig sind in dieser Familie:

1) Publius Licinius Gajus Dives, geboren um 254 v. Chr., wurde 212 zum Oberpriester gewählt, war 211 Ädil, 210 Magister equitum und Zensor, 208 Praetor peregrinus und 205 mit dem ältern Scipio Africanus Konsul. In diesem und dem folgenden Jahr (204) führte er in Unteritalien den Krieg gegen Hannibal (s. d.), ohne aber etwas Bedeutendes auszurichten. Er war ein gewandter Redner, besonders aber ein erfahrener Rechtsgelehrter. Er starb 183. Bei ihm findet sich zuerst der Beiname Dives, welcher später diesem Zweig der Familie verblieben ist.

2) L. Licinius, berühmter Redner, geb. 140 v. Chr., trat schon als 19jähriger junger Mann als allgemein bewunderter Redner auf, wurde Quästor in Asien und benutzte den Aufenthalt daselbst zu rhetorischen und philosophischen Studien. Nach Rom zurückgekehrt, wurde er 107 Volkstribun, 103 kurulischer Ädil, 95 Konsul, dann Prokonsul in Gallien, 92 Zensor. Seiner politischen Gesinnung nach gehörte er zu der gemäßigten Aristokratie; daher griff er in jener Rede, die er als 19jähriger Jüngling hielt, den Gajus Papirius Carbo, den ehemaligen Anhänger des Tiberius Gracchus, an, sprach 106 für das Servilische Gesetz, durch welches die Senatoren auf kurze Zeit wieder in den Besitz der Gerichte kamen, verteidigte auch später den Quintus Servilius, als er im J. 95 vom Tribun Gajus Norbanus angeklagt wurde; ferner gab er mit seinem Kollegen im Konsulat, P. Mucius Scävola, die Lex Licinia Mucia, wodurch den Bundesgenossen die ungesetzliche Ausübung des Bürgerrechts untersagt wurde. Im J. 91 verteidigte er im Senat die auf eine Aussöhnung der Senats- und Volkspartei abzweckenden Gesetze des M. Civius Drusus, starb aber infolge der Aufregung, mit welcher er seinen Gegner, den Konsul Gajus Marcius Philippus, bekämpfte. Er stand wegen seiner Beredsamkeit und juristischen Gelehrsamkeit in hohem Ansehen. Cicero läßt ihn in seinem Werk „Über den Redner“ im Gespräch mit Antonius u. a. auftreten.

3) Marcus Licinius, der Triumvir, geboren um 115 v. Chr., floh während des Bürgerkriegs vor den Marianern nach Spanien, von wo er 83 mit Truppen zu Sulla stieß, für welchen er an verschiedenen Orten kämpfte, und welchem er namentlich in der Schlacht gegen die Samniter vor den Thoren Roms wichtige Dienste leistete. Er beutete die damaligen Wirren, namentlich die Proskriptionen, zu seinem Vorteil aus, und so brachte er es trotz seines großen Aufwandes zu einem Vermögen von 7100 Talenten oder etwa 30 Mill. Mk. Im J. 81 wurde er Quästor. Als Prätor besiegte er 71 den Spartacus, den Anführer der empörten Sklaven, in Lukanien und erhielt dafür die Ovation. Im J. 70 war er mit Pompejus Konsul und unterstützte diesen in seinen Anordnungen zur Wiederherstellung des Volkstribunats, während er selbst durch reiche Spenden das Volk für sich gewann, welches er an 10,000 Tischen bewirtete. 65 war er Zensor mit Quintus Lutatius Catulus. Sein Verhältnis zu Pompejus, dessen größere Gunst beim Volk von jeher seinen Neid erregt hatte, wurde gespannter, je mehr das Ansehen desselben durch die Führung des Kriegs gegen die Seeräuber und des Kriegs mit Mithridates stieg. Er näherte sich daher dem Cäsar, für den er sich schon bei seinem Abgang nach Spanien verbürgt hatte. Cäsar brachte eine Versöhnung mit Pompejus zu stande, und alle drei errichteten 60 das erste Triumvirat. Im J. 55 ward C. durch Cäsars Unterstützung mit Pompejus Konsul und erhielt dann die Provinz Syrien auf fünf Jahre mit dem Recht, Krieg zu führen und Frieden zu schließen. Diese Befugnis benutzte er, obgleich die Stimmung in Rom dem Unternehmen nicht günstig war, zu einem Kriege gegen die Parther. Er verachtete den noch wenig bekannten Feind und hoffte durch den Krieg große Schätze zu gewinnen. Nachdem er unter anderm auch den Tempel zu Jerusalem geplündert, überschritt er 53 mit einem großen Heer den Euphrat, ließ sich aber durch einen verräterischen arabischen Häuptling auf einem öden, wasserlosen Weg durch die Wüste führen, wo er von den Parthern umringt wurde. Als sein tapferer Sohn Publius getötet worden war, trat er den Rückzug nach Carrä an; aufs neue angegriffen, ließ er sich in Unterhandlungen [328] mit dem parthischen Feldherrn ein und wurde bei der Unterredung hinterlistig ermordet (9. Juni 53). Sein Kopf soll auf Befehl des Königs Orodes mit Gold ausgegossen worden sein.