Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Christ“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 82
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Christ. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 82. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Christ (Version vom 02.06.2021)

[82] Christ, 1) Johann Friedrich, Humanist, geboren im April 1700 zu Koburg, bezog 1720 die Universität Jena, ging 1726 als Hofmeister zweier junger Koburger Adligen nach Halle, 1729 als Hofmeister eines Grafen von Bünau nach Leipzig, wurde 1731 außerordentlicher Professor der Geschichte daselbst, bereiste 1733 und 1735 mit seinem Zögling Holland, England, Frankreich und Oberitalien, erhielt 1739 auch die ordentliche Professur der Dichtkunst zu Leipzig und starb 3. Aug. 1756. Ebenso feinsinnig wie gelehrt, war C. der erste deutsche Universitätslehrer, der neben den schriftlichen auch die bildlichen Denkmäler des Altertums behandelte und den künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkt zur Geltung brachte, so daß er als der Vorgänger Winckelmanns gilt. Auch Lessing hat von ihm vielfache Anregungen empfangen. Aus Nachschriften seines „Collegium litterarium“ gab Zeune später „Abhandlungen über die Litteratur und Kunstwerke vornehmlich des Altertums“ (Leipz. 1776) heraus. Die Vielseitigkeit von Christs Studien beweisen die „Noctes academicae“ (Halle 1727–29), eine Sammlung kürzerer Aufsätze über römisches Recht, Antiquitäten, Textkritik etc. Noch heute geschätzt ist seine „Anzeige und Auslegung der Monogrammatum“ (Leipz. 1747). Von seinen übrigen, meist wenig umfangreichen Werken sind „De rebus langobardicis“ (Leipz. 1730), die lateinischen Monographien über Machiavelli, den er verteidigte, und Ulr. v. Hutten sowie mehrere Schriften über Gemmenkunde hervorzuheben. Auch als lateinischer Dichter hat er sich hervorgethan. Vgl. Dörffel, Joh. Friedr. C. (Leipz. 1878).

2) Joseph Anton, berühmter Schauspieler, geb. 1744 zu Wien, entfloh dem Jesuiteninstitut, in welchem er erzogen werden sollte, nahm als Husar am Siebenjährigen Krieg teil und ließ sich 1765 bei der Ilgenerschen Schauspielergesellschaft in Salzburg engagieren. 1777 spielte er neben Döbbelin in Berlin erste Liebhaberrollen und junge Helden, trat dann in Hamburg, 1779 unter Bondini in Dresden auf, ging 1783 nach Rußland, wo er mehrere Jahre (in Petersburg und Riga) blieb, 1790 nach Mainz und trat schließlich (1794) bei der Secondaschen Truppe ein, mit der er Prag, Dresden und Leipzig besuchte; in letzter Stadt feierte er 1815 sein 50jähriges Jubiläum. Er starb 25. März 1823 in Dresden. C. war ein Künstler im vollsten Sinn des Worts, der mit den scheinbar einfachsten Mitteln mächtig wirkte und in dieser Beziehung sogar Iffland übertraf. Die Natur war ihm in allem Vorbild. – Seine Tochter Friederike, seit 1808 mit dem Schauspieler Schirmer verheiratet, gehörte lange Zeit (namentlich im Fach der Mütter und Anstandsdamen) zu den Zierden des Hoftheaters in Dresden; starb 31. März 1833.

3) Wilhelm, namhafter Philolog, geb. 2. Aug. 1831 zu Geisenheim im Nassauischen, gebildet in Wiesbaden, studierte 1850–53 in München und Berlin, wurde 1854 Lehrer am Max-Gymnasium in München und 1860 ordentlicher Professor der klassischen Philologie an der Universität daselbst. 1876 wurde ihm der Verdienstorden der bayrischen Krone und damit der persönliche Adel verliehen. Er veröffentlichte bis jetzt unter anderm: „Grundzüge der griechischen Lautlehre“ (Leipz. 1859); „Pindari carmina“ (das. 1869, 2. Aufl. 1873); „Metrik der Griechen und Römer“ (das. 1874, 2. Aufl. 1879); „Aristotelis de arte poetica liber“ (das. 1878); eine kritische Ausgabe von Homers „Ilias“ (das. 1884) und, zumeist in den „Abhandlungen der bayrischen Akademie der Wissenschaften“, eine Anzahl wertvoller Abhandlungen, besonders zur alten Metrik und Rhythmik, zuletzt zu Homer. Auch gab er eine Sammlung griechischer Hymnen des Mittelalters: „Anthologia graeca carminum christianorum“ (Leipz. 1871, mit Paranikas), heraus.