Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Chorasān“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Chorasān“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 4 (1886), Seite 7475
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Chorasan
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Chorasān. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 74–75. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Choras%C4%81n (Version vom 24.05.2024)

[74] Chorasān („Sonnenland“), pers. Provinz, umfaßt den nordöstlichen Teil des Reichs, im N. von dem (jetzt russischen) Gebiet der Tekke-Turkmenen, im O. von Afghanistan, im S. von Kirman, im W. von Irak Adschmi, Masenderan und Astrabad umschlossen, und hat ein Areal von 272,560 qkm (4950 QM.). Die Provinz ist teils Tafel-, teils Berg-, teils Stufenland. Der nördlichste Teil wird von parallelen Randketten (bis 3000 m) durchzogen, zwischen welche sich langgestreckte, weite Thalmulden von 1000–1200 m Höhe lagern. Durch die südlichere Kette zieht die seit alten Zeiten begangene Karawanenstraße, welche das westliche Persien mit Turan und Afghanistan verbindet. Nur äußerst enge Schluchten führen durch den Nordrand zum vorgelagerten Tiefland von Turan. Die Mulde von Meschhed, welche der Keschef bis zu seiner Mündung in den Heri Rud an der Ostgrenze durchzieht, setzt sich nordwestlich im Thal des Atrek fort, der dem Kaspischen Meer zuströmt. Der südlichste Teil der Provinz (Kohistan) ist gleichfalls teilweise gebirgig; hier vereinigen sich bei Birdschan die von W. kommenden Straßen, um nordöstlich nach Herat, südöstlich nach Kandahar weiterzulaufen. Ein großer Teil der Provinz ist Wüste: im W. reicht von Irak Adschmi die Große Salzsteppe (Kewir) weit hinein, im südlichen Teil von Kirman her die Wüste Lut; auch im SO. sind große Wüstenstrecken. Doch hat C. auch fruchtbare Striche und gewährt Getreide, Reis, Gemüse, viel Obst und andre Früchte, Tabak, Baumwolle, Seide, Hanf, viel medizinische Pflanzen, Manna. Holz mangelt. Die großen Weiden begünstigen die nomadische Vieh-, Pferde-, Kamel- und Ziegenzucht. Die Wüste ist reich an Wild, auch an Schakalen, Panthern und Tigern sowie an wilden Eseln, deren Fleisch die Perser genießen. C. zählte 1875 nach Mac Gregor 693,000 Einw., welche in den Städten eine nicht unbedeutende Industrie betreiben und Seidenzeuge, Teppiche, Leinwand und vorzügliche Waffen, besonders Säbel, anfertigen. C., das „Schwert Persiens“ genannt, ist durch seine Lage ein sehr wichtiges Land, weil der, welcher im Besitz von C. ist, zugleich ganz Iran beherrscht. Den Einfällen der Turkmenen, welche die Gebirgsthäler des Nordens unausgesetzt heimsuchten und nicht nur die Feldfrüchte, sondern auch die Menschen raubten und als [75] Sklaven in die Chanate von Turkistan verkauften, ist durch die Unterwerfung Chiwas und der Turkmenen durch die Russen gesteuert worden. Hauptstadt ist Meschhed. – Sowohl die persische Provinz C. als das jetzige Herat waren Teile des alten Hyrkanien, Parthien und Margiana und standen im Altertum unter persischer Herrschaft. Zu Alexanders d. Gr. Zeit war hier Bessos Statthalter. Dieser übergab das Land an Alexander, und nach dessen Tod erhielten es die Seleukiden in Syrien. Im J. 256 v. Chr. tötete Arsakes I. den seleukidischen Statthalter und gründete in C. ein kleines nationalparthisches Reich, mit welchem die Römer jahrhundertelang zu kämpfen hatten, bis es 226 n. Chr. durch die Neuperser fiel; 646 eroberten es die Kalifen, unter deren Herrschaft es bis 820 blieb. Damals gründete der Statthalter Tahir die Dynastie der Tahiriden. Dieselbe wurde aber schon 873 von den Saffariden gestürzt, welche C. ihrem Reich einverleibten. Nach kurzer Herrschaft der Ghasnawiden nahmen 1037 die Seldschukken den westlichen Teil in Besitz, und Sandschar, Bruder des Sultans Barjarok, vereinigte nach dessen Tod (1114) mit C. das ganze Reich der persischen Seldschukken. Seit 1220 stand das Land unter der Herrschaft Dschengischans und seiner Nachfolger; im 14. Jahrh. herrschte im S. zu Herat ein Zweig der Guriden, im N. zu Sebsewar die Dynastie der Serbedare, die nach Abu Said, dem letzten Sprossen von Dschengischans Geschlecht, sich dort erhoben hatten. Timur unterwarf sich den Herrscher zu Sebsewar, Chodscha Ali Muajet, worauf dieser als Vasall im Besitz des Reichs blieb. Der Herrscher zu Herat, Ghajaß Eddin Pir Ali, leistete zwar anfangs Widerstand; nachdem jedoch die stärkste Festung, Fuschendsch, gefallen war, unterwarf auch er sich Timur. Dieser setzte nun seinen Sohn Schah Roch als Statthalter daselbst ein und überließ ihm 1396 C. nebst Seïstan und Masenderan als ein Königreich. Seit dem 16. Jahrh. war das Land fortwährend der Zankapfel zwischen den Uzbeken, welche es den Timuriden abnahmen, den Persern und den Afghanen, auch zum Teil Schauplatz des Kriegs der Briten in Afghanistan. Vgl. Khanikow, Mémoire sur la partie méridionale de l’Asie centrale (Petersb. 1863); Bellew, From the Indus to the Tigris (Lond. 1873); Mac Gregor, Narrative of a journey through the province of Khorassan etc. (Lond. 1879).