Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Chiavenna“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 1007
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Chiavenna. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 1007. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Chiavenna (Version vom 24.06.2021)

[1007] Chiavenna (spr. kjaw-, Clavenna, Kläfen), Stadt in der ital. Provinz Sondrio, nördlich vom Comersee, 300 m ü. M., in einem fruchtbaren, von schneeigen Felsengipfeln umschlossenen Thalkessel (Valle San Giacomo) an der Mera reizend gelegen, ist eine alte, wohlhabende Stadt mit sechs Kirchen (am bedeutendsten ist die San Loretokirche mit schlankem Glockenturm von 1538), umfangreichen Trümmern eines Schlosses der graubündischen Familie Salis und spärlichen Resten der alten Feste, in welcher 1175 Friedrich Barbarossa den Fußfall vor Heinrich dem Löwen gethan haben soll, um diesen für den Heereszug gegen die Lombarden zu gewinnen. Die Stadt hat (1881) 2848 Einw., welche Baumwoll-, Seiden- und Papierindustrie sowie Bierbrauerei betreiben; außerdem wird das aus dem in der Nähe brechenden Lavezstein (einem grünlichen Gemenge von Talk und Chlorit) gedrechselte Geschirr viel versandt und lebhafter Handel mit Früchten und Wein getrieben. An den Gebirgsgehängen finden sich zahlreiche Klüfte, sogen. Ventaroli („Atemlöcher“), welche zu Wein- und Bierkellern benutzt werden. C. bildet einen wichtigen Alpenschlüssel, da die Straßen von Mailand über den Comersee und die Alpenstraßen über den Splügen und den Septimer hier zusammentreffen; daher auch bedeutender Verkehr und seit neuerer Zeit starker Fremdenbesuch. 4 km östlich liegt der Hügel Conto, unter dessen Gipfelsturz in der Nacht des 4. Sept. 1618 der Flecken Plurs (Piuri) mit 2430 Menschen verschüttet wurde. – C. bildete frühzeitig (nach einigen schon 1039) eine eigne Grafschaft, die unter Kaiser und Reich stand. 1200 und 1338 rissen es die Herzöge von Mailand an sich und gaben es der Familie Balbioni zu Lehen. Bis 1512 blieb C. mit dem benachbarten Veltlin ein Zankapfel zwischen den Herzögen von Mailand, den Bischöfen von Chur und dem Kanton Graubünden, bis letzterer es eroberte (1576) und mit aller Macht behauptete. 1620 erhoben sich C., Veltlin und Bormio gegen Bünden und rangen bis 1635, jedoch vergebens, nach Unabhängigkeit. Von 1797 bis zur Errichtung des Königreichs Italien machte C. einen Teil der Cisalpinischen Republik, dann des Departements dell’ Adda aus; auf dem Wiener Kongreß wurde es mit der Lombardei vereinigt und kam mit dieser 1859 zu Italien. Piano di C. heißt der flache und versumpfte Thalgrund zwischen C. und dem Comersee; er erreicht diesen zuerst am Lago di Mezzola, den die seitlich vorrückenden Alluvionen der Adda von dem Rumpf des Seebeckens abgetrennt haben.