MKL1888:Chemischer Prozeß

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Chemischer Prozeß“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 987
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Chemischer Prozeß. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 987. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Chemischer_Proze%C3%9F (Version vom 10.01.2023)

[987] Chemischer Prozeß, der Vorgang der Verbindung oder Zersetzung der Stoffe. Chemische Prozesse verlaufen beständig in der Natur, und auch die Technik ruft in zahllosen Fällen solche Prozesse hervor, die sie auf ein bestimmtes Ziel hinleitet. Gesteine verwittern unter dem Einfluß des Wassers, des Sauerstoffs und der Kohlensäure, die in der Atmosphäre enthalten sind, und verwandeln sich in Ackererde, in welcher die Trümmer der gesteinbildenden Mineralien sich weiter zersetzen, neue Verbindungen gebildet und durch die lebenden, in der Erde wurzelnden Pflanzen sowie durch die Reste der abgestorbenen Pflanzen und Tiere zahlreiche chemische Wandlungen eingeleitet werden. In den Pflanzen verlaufen mannigfaltige chemische Prozesse, durch welche Kohlensäure, Wasser und Ammoniak oder Salpetersäure in die überaus verschiedenartigen Pflanzenbestandteile umgebildet werden. Überall entstehen Cellulose, Eiweiß, Stärkemehl, Gerbstoff etc.; aber neben diesen allgemein verbreiteten Pflanzenstoffen werden eigentümliche Substanzen gebildet, deren Auftreten mit der charakteristischen Organisation der einzelnen Pflanzenarten eng verknüpft ist. Obwohl in demselben Boden wurzelnd und auf gleiche Nahrungsstoffe angewiesen, erzeugt die eine Pflanze reichlich ätherisches Öl, die andre Farbstoffe, die dritte ein giftiges Alkaloid, ohne daß wir bis jetzt wissen, welche Kräfte die hier verlaufenden chemischen Prozesse in so eigentümliche Bahnen lenken. Bei den Tieren wird Ähnliches beobachtet, aber auch hier sind wir nicht entfernt im stande, das Spiel der Zersetzungen und Verbindungen zu übersehen, welchem die Nahrungsstoffe und die aus ihnen gebildeten Körperbestandteile unterliegen, bis sie, in Substanzen von verhältnismäßig einfacher Zusammensetzung übergeführt, endlich den Körper verlassen. Auf chemische Prozesse sind die Erfolge des Ackerbaues und der Viehzucht, die Entwickelung der Organismen, ihre Gesundheit, ihre Krankheit und ihr Tod zurückzuführen. Die Wirkung der meisten Arzneimittel beruht auf chemischen Prozessen, und ebenso werden die Substanzen, mit welchen die Technik arbeitet, die Metalle, viele Salze, das Glas etc., durch chemische Prozesse gewonnen.