Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Cassiodōrus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 848849
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Cassiodōrus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 848–849. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Cassiod%C5%8Drus (Version vom 11.04.2021)

[848] Cassiodōrus, Magnus Aurelius Senator, namhaft als hoher Staatsbeamter in Italien unter der Herrschaft der Goten und als fruchtbarer Schriftsteller, geboren um 468 n. Chr. zu Scyllacium (Squillace) in Kalabrien aus einer angesehenen Familie, ward von Odoaker zum Comes rerum privatarum (Geheimschreiber) und bald darauf zum Finanzminister ernannt. Als Odoaker (493) von Theoderich besiegt ward, trat C. zu letzterm über und wurde Präfekt von Unteritalien und bald darauf Quästor, dann Praefectus praetorio, Patricius, Consul (514) und hatte in diesen hohen Stellungen die Leitung der öffentlichen Geschäfte hauptsächlich in seiner Hand. Nach Theoderichs Tod (526) wußte er seine bei der Uneinigkeit der Goten höchst schwierige Stellung zu behaupten, und bei dem Einfall Belisars in Italien ging sein Bemühen dahin, die Italiener vom Abfall zurückzuhalten. Als die Goten jedoch Belisar unterlagen, zog er sich hochbetagt (538) nach Unteritalien in das von ihm bei Scyllacium gestiftete Kloster Vivarium (Vivarese) zurück. Hier lebte er den Wissenschaften und beförderte eine gelehrte Thätigkeit der Mönche, insbesondere das Abschreiben von Schriften der Alten, für deren Erhaltung und Studium sein Beispiel sehr wirksam war. Er starb nach 562, fast 100 Jahre alt. Unter seinen vielen Schriften nehmen die „Variarum epistolarum libri XII“ die erste Stelle ein; sie sind als Amtsschriften eine ergiebige Quelle zur Zeitgeschichte (gedruckt Augsb. 1533). In seiner Zurückgezogenheit schrieb er: „De orthographia liber“ (abgedruckt in Keils „Grammatici latini“, Bd. 6); „De arte grammatica, ad Donati mentem“; „De artibus ac disciplinis liberalium artium“ (ein im Mittelalter beliebtes Lehrbuch über sieben Schulwissenschaften). Sein „Chronicon“ ist ein kurzer, meist in bloßen chronologische Notizen bestehender, für den König Theoderich bestimmter Abriß der Weltgeschichte von Adam bis 519 n. Chr. Aus seinen „Libri XII de rebus gestis Gothorum“ ist nur ein Auszug von Jordanis übrig. Außerdem verfaßte er „Historiae ecclesiasticae tripartitae libri XII“ nach Sozomenos, Sokrates und Theodoretos (Augsb. 1472); auch wird ihm eine Anweisung, die christlichen Feste zu berechnen, unter dem Titel: „Computus Paschalis s. de indictionibus, cyclis Solis et Lunae etc.“, jedoch mit zweifelhaftem Recht, zugeschrieben. C.’ „Opera omnia“ wurden am besten herausgegeben von Garet (Rouen 1679, Vened. 1729; wieder abgedruckt in Mignes „Patrologiae cursus“, [849] Bd. 69 u. 70). Er wird als Heiliger verehrt; Tag: 17. März. Vgl. Thorbecke, C. Senator, ein Beitrag zur Geschichte der Völkerwanderung (Heidelb. 1867); Franz, M. Aurelius C., ein Beitrag zur Geschichte der theologischen Litteratur (Bresl. 1872).