Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Camerarĭus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 756
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Wiktionary: camerarius
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Camerarĭus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 756. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Camerar%C4%ADus (Version vom 11.04.2021)

[756] Camerarĭus (lat., „Kämmerer“), Aufseher des Schatzes der fränkischen Könige, erster Palastbeamter; in Schottland ehedem ein umherreisender Gerichts- und Polizeivisitator. In Klöstern wird der Zeugmeister C. genannt.

Camerarĭus 1) Joachim, eigentlich Liebhard, gewöhnlich aber Kammermeister (latin. C.) genannt (nach dem in der Familie erblichen Amt eines bischöflichen Kämmerers), berühmter Humanist und hervorragender Beförderer der Reformation, geb. 12. April 1500 zu Bamberg, bezog 1513 die Universität Leipzig, 1518 die zu Erfurt, wurde 1521 Magister und begab sich in demselben Jahr nach Wittenberg, wo er mit Melanchthon enge Freundschaft schloß. Nach längerm Aufenthalt in seiner Vaterstadt sowie größern Reisen nach Basel zu Erasmus (1524) und nach Preußen (1525) wurde er 1526 als Direktor und Lehrer des Griechischen an der „hohen Schule“ zu Nürnberg angestellt und 1530 vom dortigen Senat zum Abgeordneten beim Reichstag in Augsburg ernannt, wo er großen Anteil an der Abfassung der Augsburgischen Konfession hatte. 1535 vom Herzog Ulrich von Württemberg an die Universität zu Tübingen berufen, begründete er dort die klassischen Studien und führte darauf 1541 im Auftrag der Herzöge Heinrich und Moritz von Sachsen auch die Reorganisation der Universität Leipzig glänzend durch. Im J. 1555 ging er nochmals als Deputierter zum Reichstag nach Augsburg und begleitete Melanchthon zum Religionsgespräch in Nürnberg sowie auch 1556 auf den Reichstag zu Regensburg. Maximilian II. berief 1568 C. nach Wien, um ihn über kirchliche Angelegenheiten zu Rate zu ziehen. Kaiserlich beschenkt, kehrte er nach Leipzig zurück, wo er 17. April 1574 starb. C. machte sich um Beförderung der klassischen Studien verdient als ausgezeichneter Universitätslehrer sowie als gelehrter Herausgeber griechischer und lateinischer Klassiker. Von seinen zahlreichen Schriften sind am bekanntesten seine Biographien des Eobanus Hessus (Leipz. 1553), des Fürsten Georg von Anhalt (das. 1555) und Melanchthons (das. 1566; neue Ausg. von Strobel, Halle 1777). Auch gab er eine Sammlung von Briefen Melanchthons (Leipz. 1569) heraus. Noch jetzt wertvoll sind seine „Commentarii linguae graecae et latinae“ (Bas. 1551). Nach seinem Tod erschienen seine „Epistolae familiares“ (Frankf. 1583–1595, 3 Bde.). – Von seinen fünf Söhnen ist besonders Joachim, geb. 5. Nov. 1534 zu Nürnberg, als Arzt und Botaniker berühmt geworden. Seit 1564 praktischer Arzt in seiner Vaterstadt, veranlaßte er den dortigen Magistrat 1592 zur Stiftung einer medizinischen Lehranstalt, deren Dekan er bis zu seinem Tod 11. Okt. 1598 blieb. Er lieferte eine Ausgabe von Matthiolus’ „De plantis epitome utilissima, novis iconibus et descriptionibus aucta“ (Frankf. 1586; deutsch von Handsch u. d. T.: „Kräuterbuch“, das. 1586). Von seinen übrigen Werken nennen wir: „Opuscula quaedam de re rustica“ (Nürnb. 1577, 1596); „Hortus medicus et philosophicus“ (Frankf. 1588, 1654); „Symbolorum et emblematum centuriae tres“ (Nürnb. 1590–97) etc.

2) Rudolf Jakob, Mediziner und Botaniker, geb. 12. Febr. 1665 zu Tübingen, studierte Philosophie und Medizin, bereiste 1685–87 einen großen Teil Europas, wurde 1687 Professor der Medizin und Direktor des botanischen Gartens in Tübingen und starb 11. Sept. 1721 daselbst. C. erkannte, nachdem allerdings früher schon ähnliche Ansichten geäußert worden waren, doch zuerst bestimmter die beiderlei Befruchtungsorgane in den Blüten der Pflanzen als die Geschlechtsorgane derselben, stellte mehrere hierauf bezügliche Experimente an und legte damit den Grund zur Sexualtheorie in der „Epistola de sexu plantarum“ (Tübing. 1694, neue Ausg. 1749), welche er an den Professor Valentin in Gießen richtete. Seine Schriften gab Mikan unter dem Titel: „R. J. Camerarii opuscula botanici argumenti“ (Prag 1797) heraus.