Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Boote“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 19 (Supplement, 1892), Seite 116117
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Boote. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 116–117. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Boote (Version vom 02.04.2023)

[116] Boote.[WS 1] Die Technik war in den letzten Jahren mit Erfolg bemüht, den Freunden des Wassersports wie den Fluß- und Hafenbehörden Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen, welche vom Winde unabhängig und annähernd gefahrlos sind, auch zu ihrer Bedienung keine Fachkenntnisse erfordern. Außer den elektrischen Booten (s. d.) kommen in dieser Richtung namentlich die Naphthaboote, bei welchen statt Wasser Naphtha verdampft wird, und Petroleumboote, die ihre Triebkraft durch einen der Gasmaschine ähnlichen Motor erhalten, in Betracht. Der Motor der Naphthaboote von Escher, Wyß u. Komp. in Zürich, die neuerdings größere Verbreitung fanden, beruht auf dem von Yarrow in London zuerst erneuerten Vorschlag, Dampfmaschinen nicht mehr durch [117] Wasserdampf, sondern durch den Dampf einer flüchtigern Flüssigkeit, wie Naphtha (Benzin, Ligroin, Gasolin), zu betreiben. Vorn am Fahrzeug befindet sich ein vom Wasser umgebener und daher kühl bleibender Behälter, welcher vor Antritt der Fahrt mit Naphtha gefüllt wird. Setzt man eine Pumpe in Bewegung, so dringt Luft in den Behälter und nimmt so viel Naphthadampf auf, daß sie, aus einem kleinen Brenner ausströmend, entzündet werden kann. Der ganz hinten angeordnete Schlangenrohrkessel wird aus dem Naphthabehälter mittels einer Pumpe gespeist, welche durch eine exzentrische Scheibe der Schraubenwelle bewegt wird. Durch Kondensationsröhren, welche sich außerbords nahe am Kiel hinziehen und mithin kühl erhalten werden, gelangt die verdampfte Naphtha in flüssiger Form wieder in den Behälter zurück. Der Verbrauch beschränkt sich also auf das Öl, welches zur Vorwärmung des Kessels mittels des erwähnten kleinen Brenners und zur Heizung desselben mit Hilfe eines unter der Schlange angeordneten größern Rundbrenners verwendet wird. Gespeist wird dieser Brenner durch einen Injektor, der Kessel aber beim Antritt der Fahrt mit einer Handpumpe, später jedoch durch die Umdrehung der Maschine selbst. Diese ist eine dreicylindrige Vertikalmaschine und steht in einem Kasten, in welchen der Abdampf der Brenner gelangt; dieser entweicht von dort durch einen kleinen Schornstein ins Freie. Die Steuerung erfolgt durch die Schraubenwelle und ist derart eingerichtet, daß man vor- oder rückwärts fahren kann. Der Kessel ist auf 16 Atmosphären geprüft; es tritt jedoch das Sicherheitsventil bereits bei 4,5 Atmosphären in Thätigkeit. Die Maschine ist hinten angeordnet, wodurch der ganze Raum verfügbar bleibt; diese Anordnung wird durch die große Leichtigkeit des Motors im Verhältnis zu einem Dampfmotor gleicher Kraft ermöglicht. Einmal in Gang gesetzt, was nur einige Minuten beansprucht und durch das Anzünden der Naphtha mittels eines Streichholzes geschieht, arbeitet die Maschine durchaus selbstthätig, solange der Naphthavorrat reicht. Ein Übelstand ist es, daß man die Geschwindigkeit der Maschine nicht ermäßigen kann; man muß sie außer Betrieb setzen, wenn ein Hindernis ein langsames Fahren erheischt. Die Maschine ist so sorgfältig gebaut, daß eine Gefahr im großen und ganzen ausgeschlossen erscheint. Man hat indes mit der Möglichkeit zu rechnen, daß das Schlangenrohr undicht wird oder der Dampfhahn abschmilzt, in solchem Fall würde leicht Öl in größerer Menge in den Brennerraum austreten und eine Explosion veranlassen. Auch erfordert die Behandlung eines so flüchtigen Stoffes wie Naphtha immerhin Vorsicht. Escher, Wyß u. Komp. bauen hauptsächlich drei Gattungen Naphthaboote: B. von 5,50 m Länge für 8–10 Personen mit einer zweipferdigen Maschine und einer Geschwindigkeit von 10 km, solche von 8 m Länge für 15–20 Personen mit einer vierpferdigen Maschine und einer Geschwindigkeit von 12 km, endlich B. von 10 m Länge mit Kajütte. Diese fassen 20–25 Personen, haben eine Maschine von 6 Pferdekräften und erreichen 13 km in der Stunde. Der Vorrat reicht zu einer 20–26stündigen Fahrt. Der Betrieb stellt sich angeblich auf 60–70 Pf. in der Stunde bei der vierpferdigen Maschine.

Die Maschine der Petroleumboote ähnelt in allen wesentlichen Punkten der bewährten Gasmaschine (s. Petroleumkraftmaschinen, Bd. 12) und gewährt deren Vorteile. Hauptsächlich bekannt geworden sind bisher drei Konstruktionen von Petroleummaschinen für Wasserfahrzeuge: Benz in Mannheim arbeitet mit Benzin und mit elektrischer Zündung, weshalb sich seine Fahrzeuge keiner erheblichen Verbreitung erfreuen. Sie haben auch den Übelstand, daß die Maschine den mittlern, d. h. den besten Platz des Bootes einnahm. In mehrfacher Hinsicht besser sind die Petroleum-Schiffsmotore von L. Daimler in Kannstatt, welche durch die Aktiengesellschaft für automatischen Verkauf in Berlin in den Verkehr gebracht wurden. Die Maschine arbeitet zur Not mit Lampenpetroleum; doch wird ein etwas leichteres (0,67–0,70) Öl vorgezogen. Der Betrieb ist sehr wohlfeil, da der Motor angeblich nur 500 g Öl für die Pferdekraft und Stunde verbraucht. Die zweicylindrige Vertikalmaschine arbeitet fast geräuschlos und verursacht trotz der 600–700 Umdrehungen in der Minute keine erheblichen Erschütterungen. Sie ist ganz hinten angeordnet und wird durch den Steuermann, der dahinter seinen Sitz hat, mit bedient. Sehr wichtig ist es, daß man auch langsam und rückwärts fahren kann. Die Geschwindigkeit ist anscheinend etwas größer als bei den Naphthabooten. Sie steigt angeblich auf 5 m in der Sekunde oder 18 km in der Stunde. Capitaine endlich brachte in neuester Zeit durch Grob u. Komp. in Leipzig einen auch für Wasserfahrzeuge berechneten eincylindrigen Petroleummotor in den Verkehr, welcher zu 1, 2 und 4 Pferdekräften gebaut wird und gewöhnliches Lampenpetroleum benutzt. Der Verbrauch beträgt angeblich 0,6–0,8 Lit. für die Stunde und Pferdekraft. Die Maschine macht 280–500 Umdrehungen in der Minute. Die beschriebenen Fahrzeuge eignen sich ihrer steten Fahrbereitschaft, leichten Bedienung und verhältnismäßig wohlfeilen Betriebes wegen zu Schiffsbeibooten, zu Booten für Hafen-, Polizei- und Zollbehörden sowie endlich zu Vergnügungsbooten, vorausgesetzt natürlich, daß die Führer der mit mehr oder weniger flüchtigen Mineralölen betriebenen Fahrzeuge die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln nicht außer acht lassen. Sie fanden in Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Amerika bereits ziemliche Verbreitung, wogegen die Engländer die elektrischen Fahrzeuge bevorzugen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe auch Boot im Hauptteil.