Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bohrmuscheln“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 153154
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Bohrmuscheln. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 153–154. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bohrmuscheln (Version vom 20.01.2024)

[153] Bohrmuscheln (Pholadidae), Familie aus der Klasse der Muscheln, mit beiderseits klaffenden Schalen ohne Schloßzähne und Schloßband, aber mit accessorischen Kalkstückchen, welche am Schloß oder an der Atemröhre liegen. Der fast vollkommen geschlossene Mantel läßt nur eine kleine vordere Öffnung für den Durchtritt des dicken, kurzen, stempelartigen Fußes frei und setzt sich in eine lange Röhre fort, welche den verwachsenen Siphonen (s. Muscheln) entspricht, also zur Aufnahme und Entleerung des Wassers etc. dient. Die B. leben teils am Strand und graben sich in Schlamm und Sand ein, teils bohren sie in Holz, Kalkfelsen und Korallen Gänge, aus denen sie die Atemröhren hervorstrecken. Bei den eigentlichen B. (Pholas L.) sind die Schalen ziemlich groß. Sie bohren sich in einer gewissen Tiefe unter dem Wasserspiegel, am liebsten in kalkige, senkrechte Felsmassen ein. Ihre Galerien bieten besonders an steinigen und felsigen Ufern durch die konstante Höhe unter dem Wasserspiegel ein treffliches Kennzeichen für alte Strandlinien und frühere Höhen des Meeresspiegels. In sehr weichem Material bohren sie wohl nur mit dem Fuß, in härterm aber mit den in sehr großer Zahl vorhandenen kleinen Raspelzähnen am vordern Teil der Schale, welche deutlich abgenutzt erscheinen. Arten von B. finden sich in allen Meeren und werden als Speise geschätzt. Die Dattelmuschel (Steinbohrer, Steinfingermuschel, Pholas Dactylus L., s. Tafel „Mollusken“), welche an den französischen und italienischen Küsten in Kalkfelsen wohnt, zieht man den Austern vor. Merkwürdig ist das Leuchten dieser Tiere im frischen Zustand. Die Bohr-, Schiffs- oder Pfahlwürmer (Teredo L., s. Tafel „Mollusken“) richten große Verwüstungen in Häfen und Werften an dem unter dem Wasser befindlichen Holz an. Sie haben ungefähr die Länge eines Regenwurms und enden hinten in zwei lange, zuletzt getrennte Röhren. Die am vordern Ende befindlichen Schalenrudimente sind sehr klein, aber dick und fest. Hinten befinden sich zwei schaufelförmige, knorpelige Anhänge, durch welche das Tier mit der Kalkröhre, die es zur Auskleidung der Galerien benutzt, verwachsen ist. Man kennt 8–10 Arten, von denen mehrere auch in unsern Meeren heimisch sind. Sie vermehren sich außerordentlich schnell; die Eier entwickeln sich im Mantelraum. Die Larven besitzen zwei den Körper vollständig umgebende Schalenklappen, ähneln demnach noch den typischen Muscheln und schwärmen einige Zeit frei umher, um sich bald am Holz festzusetzen. Die Lebensdauer des Tiers ist eine äußerst kurze. Es bedarf zur Nahrung klares Wasser von bestimmtem Salzgehalt; bei Zufluß von zu viel süßem Wasser stirbt es, während man eine enorme Vermehrung beobachtet hat (zuletzt 1858 und 1859), wenn durch Regenmangel etc. die Zuflüsse süßen [154] Wassers stark abnehmen. Zum Schutz gegen B. bewährt sich Teeranstrich nur auf kurze Zeit, dagegen bleibt mit Kreosot imprägniertes Fichtenholz dauernd verschont, während Eichenholz etwas weniger Widerstand leistet.