Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Blitzableiter“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 3537
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Blitzableiter. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 35–37. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Blitzableiter (Version vom 19.03.2024)

[35] Blitzableiter, Vorrichtungen, welche die Verheerungen des Blitzschlags von gewissen Orten abwenden sollen. Die Ansicht, daß bereits die Priester der alten Kulturvölker (Ägypter) die Gesetze der Blitzleitung gekannt hätten, hat in neuerer Zeit mehrfache Bestätigungen erhalten. So fand Dümichen an der Fassade des Tempels von Edfu zwei Inschriften, welche sich darauf beziehen, daß die vier das Gebäude überragenden Flaggenmasten das Unwetter des Himmels abwehren und das Gebäude schützen sollen. Auch an dem Tempel von Dendrah findet sich eine ähnliche Inschrift, welche von den danebenstehenden mit Kupfer beschlagenen und oben zugespitzten Holzstangen von 30–40 m Höhe aussagt, daß sie dazu bestimmt seien, „das Ungewitter zu brechen aus der Höhe“. Ebenso fand auch Brugsch eine ähnliche vierte Inschrift zu Medinet Abu, welche noch angibt, daß die Spitzen vergoldet und die Masten von Ramses III. (1300 v. Chr.) errichtet seien. Durch die Auffindung dieser Inschriften erhalten die bisher nicht besonders gewürdigten Nachrichten, daß die griechischen und römischen Priester es verstanden hätten, den Blitz vom Himmel herabzulocken, und daß mehrere Priester und Könige dabei vom Blitz erschlagen seien, neues Interesse. Auch aus dem Mittelalter lassen sich Spuren dunkler Kunde der Blitzleitung nachweisen. In neuerer Zeit ist das Herabfahren des Blitzes an Drähten und Eisenwerk schon lange bekannt gewesen, bevor Franklin durch direkte Versuche 1752 die elektrische Natur des Blitzes nachwies. Reimann beobachtete zu Eperies in Ungarn 1717, daß der Blitz an verschiedenen Drähten herab dem Eisen nachgefahren sei und nur beim Übergang aus einem Draht in den andern die dazwischenliegenden Steine zerschmettert habe. Er vermutet eine besondere Sympathie des Blitzes mit dem Eisen, weil der Blitz 1673 an demselben eisernen Draht bis in den Boden heruntergefahren sei. Die ersten Vorschläge Franklins, die Gefahr des Blitzschlags durch Errichtung eines Blitzableiter zu beseitigen, reichen bis 1749 zurück, wo er sich in einem Brief (s. seine Briefe über Elektrizität, übersetzt von Winkler, S. 87) darüber ausspricht. Später 1753 behandelte er das Thema noch bestimmter, doch datiert der erste B., den Franklin errichtete, und der zum Schutz des Wohnhauses eines Kaufmanns West zu Philadelphia bestimmt war, erst aus dem Jahr 1760. In Deutschland hat Winkler (Programm „De avertendi fulminis artificio“, Leipz. 1753) die ersten Vorschläge dieser Art gemacht, während die erste Ableitungsmaschine für den Blitz wohl von Prokopius Divisch 1754 zu Prendiz bei Znaim in Mähren errichtet wurde. Die Einrichtung dieser Vorrichtung ist nicht genau bekannt, auch wurde sie bald von den benachbarten Bauern zerstört, die sie für die Trockenheit des folgenden Sommers verantwortlich machten (vgl. „Gartenlaube“ 1878, Nr. 38[WS 1]). Der leitende Gedanke, welcher der Errichtung eines Blitzableiter zu Grunde liegt, ist immer der, dem Blitz künstlich eine so starke Leitung in den Erdboden hinein zu verschaffen, daß er nur dieser folgt und nicht etwa seinen Weg durch das Dach oder die Wände etc. eines Hauses nimmt. Die Möglichkeit, diese Aufgabe zu lösen, ist dadurch gegeben, daß der Blitz vorzugsweise gern seinen Weg über Metallmassen nimmt, daß er von hohen Gegenständen angezogen wird und zuletzt das Ende seiner Bahn in den unterirdischen Wassern des Bodens findet.

[Bestandteile.] Jeder B. besteht im wesentlichen aus drei Teilen: aus der Auffangstange mit der Spitze, aus der oberirdischen Leitung und aus der Bodenleitung. Alle diese Teile müssen aus Metall verfertigt sein und in ununterbrochener metallischer Verbindung miteinander stehen. Die Auffangstange besteht am besten aus Eisen und endigt oben in eine Spitze die, um ihre Oxydierung zu verhindern, vergoldet ist. Man thut wohl daran, die Spitze nicht zu fein auslaufen zu lassen, damit sie nicht leicht von einem Blitzschlag abgeschmolzen werde. Ob die Spitze aus einem andern Metall besteht als die Auffangstange, ist bezüglich des Blitzes ziemlich unwesentlich, sobald die Auffangstange überhaupt eine genügende Stärke hat; indes ist der Einfluß der Atmosphäre in Betracht zu ziehen und daher die Spitze aus einem atmosphärischen Einwirkungen gegenüber möglichst unveränderlichen Metall anzufertigen. Arago empfahl dazu das Platin, welchem aber Silber entschieden vorzuziehen ist. Eine solche Silberspitze würde, wenn ihre Basis einen Durchmesser von 19 bis 20 mm erhält, viel länger gemacht werden können als eine Platinspitze, ohne daß die Kosten sich dabei höher stellen würden. Dazu ist das elektrische Leitungsvermögen des Silbers 9,6mal so groß als dasjenige des Platins, und sein Schmelzpunkt liegt bei 1000°, d. h. hoch genug. Das Vorhandensein einer Spitze an der Auffangstange ist aus dem Grund erforderlich, damit, wenn eine Gewitterwolke über dem B. schwebt, die von ihr angezogene Elektrizität des Erdbodens mit Leichtigkeit ausströmen kann. Beim Mangel einer Spitze würde sich [36] diese Elektrizität in der Auffangstange zum größten Teil anhäufen, und man würde dann aus ihr ebenso wie aus einem geladenen Konduktor bald schwächere, bald stärkere Funken ziehen können. Die Auffangstange hat am besten einen kreisförmigen Querschnitt, eine Höhe zwischen 5 und 8 m und läuft nach oben konisch zu. Bei schmiedeeisernen Stangen, die dieses Maß nicht überschreiten, ist der Durchmesser der Basis am besten 60 mm, derjenige der obern Endfläche 25–30 mm. Die oberirdische Leitung hat den Zweck, den Blitz von der Auffangstange zum Boden zu führen, ohne daß er von ihr abspringt. Sie muß daher vor allen Dingen eine ununterbrochene sein und einen hinreichend großen Querschnitt besitzen, um dem Blitz eine möglichst ungehinderte Fortbewegung zu gestatten. Dieser letztere Punkt ist wohl zu beachten, denn in vielen Fällen, wie z. B. bei dem Blitzschlag, der 1809 das Schloß des Grafen Seefeld am Ammersee verheerte, verließ der elektrische Strahl die Leitungsstange des Blitzableiters nur infolge davon, daß deren Dicke zu gering war und sie ihm keinen genügend schnellen Abfluß in den Boden zu gewähren vermochte. Nach dem Ausspruch der französischen Kommission für B., welche 1866 ihre Beratungen hielt, soll eine quadratische Eisenstange von 15 mm Seite genügen; man kann dieser Stärke beipflichten, wenn man die Stange rund wählt; besteht die oberirdische Leitung aus Kupfer, so genügt ein Draht von 6 mm Durchmesser. Eine stärkere Leitung ist nur da erforderlich, wo ein besonders hervorragendes Gebäude vermöge seiner ganzen Lage einen sehr wesentlichen Anteil an der Ausgleichung der entgegengesetzten Wolken- und Bodenelektrizität nimmt. Um das Oxydieren und damit einen teilweisen Verlust des elektrischen Leitungsvermögens möglichst zu verhüten, wird die ganze Leitstange mit einem Ölfarbenanstrich versehen oder noch besser mit Lackfirnis überzogen. In neuerer Zeit sind Drahtseile, besonders aus Kupfer, vielfach empfohlen worden. Von Zeit zu Zeit muß eine Prüfung angestellt werden, ob die metallische Leitung von der Spitze bis zum Boden noch ununterbrochen vorhanden ist; denn wenn eine Lücke in derselben eingetreten ist, wird die Gefahr durch den B. vermehrt, statt daß sie vermindert wird. Eine derartige Prüfung erfolgt am besten dadurch, daß man den B. in die Bahn eines galvanischen Stroms einschaltet, der auch durch ein Galvanometer hindurchgeht, und nachsieht, ob die Magnetnadel desselben abgelenkt wird, wenn der Strom geschlossen wird. Zeigt sich auf diese Weise, daß die Leitung unterbrochen ist, so wird successive immer ein kürzeres Stück der oberirdischen Leitung des Blitzableiters in die Stromleitung eingeschaltet, bis die Strecke gefunden ist, auf welcher sich die Unterbrechung befindet. Die Bodenleitung ist derjenige Teil des Blitzableiters, gegen dessen richtige Konstruktion gewöhnlich am meisten gefehlt wird. Und doch hängt von der guten Beschaffenheit der Bodenleitung die Wirksamkeit des Blitzableiters zum guten Teil ab; ein B. mit mangelhafter Bodenleitung ist ebenso gefährlich wie ein B., bei welchem die oberirdische Leitung unterbrochen ist. Die Bodenleitung muß nämlich unter allen Umständen zu unterirdischen Wassermassen von hinreichender Quantität führen, der stets feuchte Erdboden ist nur ein zweifelhafter Ersatz. Man kann hier nur nach der Erfahrung urteilen, und diese spricht dafür, daß die Wassermassen, in welche die unterirdische Leitung endigt, nie beträchtlich genug sein können. Die vielfach befolgte Methode, die Bodenleitung in einen rings ausgemauerten Brunnen endigen zu lassen, ist zu verwerfen. Man muß vielmehr unter allen Umständen möglichst große unterirdische Wassermengen zu erreichen suchen. Der Teil der Leitung, der in den Boden hinabreicht, muß 2 cm Seite haben. Von Zeit zu Zeit ist es nötig, den Wasserstand zu untersuchen, vorsichtigerweise selbst dann, wenn man den Stand des Wassers in benachbarten Brunnen kennen sollte. Auch muß man von Zeit zu Zeit nachsehen, in welchem Zustand sich das ins Wasser gebrachte Eisen befindet. Zu diesem Ende hat man darauf zu achten, daß gleich anfangs geeignete Maßregeln getroffen werden, um den untersten Teil des Blitzableiters jederzeit leicht herausheben zu können. Wenn unterirdische Wassermassen sich nur in bedeutendem Abstand vorfinden und man gezwungen ist, um zu ihnen zu gelangen, mehrere Hundert und selbst tausend Meter zu durchlaufen, so ist es doch unumgänglich notwendig, die Bodenleitung bis zu ihnen zu führen. In den bei weitem meisten Fällen hat man allerdings Grundwasser in der Nähe; sollte sich dies aber in genügender Menge überhaupt nicht vorfinden, so bleibt nichts übrig, als die Leitung so tief wie möglich in das feuchte Erdreich zu führen, aber dabei für mehrfache Abzugsquellen zu sorgen. Man erreicht dies dadurch, daß man die unterirdische Leitung mehrfach verzweigt und an jedem Endpunkt einen Metallcylinder anbringt, der bei großer Oberfläche möglichst tief ins feuchte Erdreich versenkt wird. Man muß aber dann noch einen Zweig an der Leitung anbringen, der nur mit der Oberfläche des Bodens in Verbindung gesetzt wird. Nach großer Dürre ist nämlich der Einfluß der Gewitterwolke auf trockne Erdschichten ein geringer, während des mit dem Gewitter auftretenden Regens wird aber die oberste Erdschicht infolge der aufgenommenen Feuchtigkeit sehr gut leitend und dadurch eine hier angebrachte Oberflächenleitung in manchen Fällen weit wirksamer als die unterirdische Leitung.

[Einzelne Arten.] Die Frage, in wie großem Umkreis ein B. unbedingten Schutz gewähre, ist im allgemeinen nicht zu beantworten, denn hier richtet sich alles nach speziellen Verhältnissen. Nach alten Annahmen galt noch in der ersten Hälfte des gegenwärtigen Jahrhunderts die sogen. Charlessche Regel, daß durch einen B. eine kreisförmige Fläche geschützt werde, deren Halbmesser der doppelten Höhe des Ableiters gleich sei. Seitdem sind aber so viele Fälle konstatiert worden, in welchen der Blitz in größerer Nähe einschlug, daß die Unhaltbarkeit dieser Regel nicht zu bezweifeln ist. Für gewöhnliche Gebäude kann man annehmen, daß der Radius des geschützten Kreises einfach gleich der Höhe der Spitze der Auffangstange über dem Dachfirst ist; doch richtet sich, wie bereits gesagt, alles nach speziellen Verhältnissen. Gebäude, in welchen große Metallmassen aufgehäuft sind, bedürfen z. B. mehrerer zweckmäßig angebrachter B., während ebenso große Gebäude ohne besondere Metallmassen vielleicht schon durch Einen B. hinreichend geschützt sind. Bei Kirchen pflegt man zwei Auffangstangen, eine auf der Turmspitze und die andre über dem Chor, anzubringen; doch richtet sich auch hier alles nach der Größe des Baues. Die B. der Pulvermagazine bringt man nicht an diesen selbst, sondern in einiger Entfernung davon an, da selbst die Entstehung eines Funkens bei Blitzschlägen hier sehr verderblich wirken könnte. Aus gleichem Grund pflegt man auch hier die Zahl der Ableiter mehr zu vervielfältigen, als man dies unter andern Umständen [37] thun würde. B. für Seeschiffe sind von größter Wichtigkeit in einer Zeit, in welcher das Eisen mehr und mehr beim Schiffbau verwandt wird. Der Engländer Sir William Snow Harris hat einen B. für Seeschiffe konstruiert, der Außerordentliches leistet und der englischen Marine Millionen erspart. B. für Telegraphenleitungen, welch letztere vorzugsweise den Blitzschlägen ausgesetzt sind, wurden zuerst von Steinheil konstruiert. Sie gründen sich auf die Beobachtung, daß die Luftelektrizität lieber (sehr) kleine Zwischenräume überspringt, als einen Umweg durch dünne Drahtwindungen macht, während der zum Telegraphieren benutzte schwache galvanische Strom nicht den kleinsten Zwischenraum überspringen kann. Es wurde nun der Leitungsdraht über das Stationsgebäude geführt, durchschnitten und an jedem der beiden Enden eine isolierte Kupferplatte von einem halben Fuß Durchmesser über dem Dach des Stationshauses angebracht. Beide Platten wurden soviel wie möglich einander genähert, aber durch eine Schicht Seidenzeug noch immer eine elektrische Trennung bewirkt. Von diesen Platten führen sehr dünne Drähte zu den Telegraphenapparaten; während nun der arbeitende Strom nur diesen folgen kann und so zur Station gelangt, geht die atmosphärische Elektrizität von einer Platte zur andern über, ohne die Telegraphenapparate zu gefährden. Später ist der Steinheilsche Telegraphen-B. von Meißner, Siemens u. Halske sowie von Nottebohm wesentlich verbessert worden. Letzterer hat ihn zu dem sogen. Spitzenableiter umgeändert. Derselbe besteht hauptsächlich aus zwei Messingkegeln oder -Zapfen, zwischen denen bis zu größtmöglicher Annäherung in metallener Doppelkegel angebracht ist, der mit der Erde in gut leitender Verbindung steht. Die beiden Messingkegel stehen einerseits mit den Hauptleitungsdrähten, anderseits durch schwächere Drähte mit den Apparaten der Telegraphenstation in Verbindung. Der schwache Strom, mit welchem letzterer arbeitet, kann den Zwischenraum zwischen den Zapfen und den mit der Erde in Verbindung stehenden Doppelkegel nicht überspringen, während die atmosphärische Elektrizität ihren Weg gerade über diesen Zwischenraum nimmt. Vgl. Eisenlohr, Anleitung zur Ausführung und Visitation der B. (Karlsr. 1848); Buchner, Die Konstruktion und Anlegung der B. (2. Aufl., Weim. 1876); Klein, Das Gewitter (Graz 1871); Stricker, Der B. und seine Wirkungen (Berl. 1872); Karsten, Über B. (Kiel 1877); Mittelstraß, Die B. (3. Aufl., Magdeb. 1877); Holtz, Theorie, Anlage und Prüfung der B. (Berl. 1878); Derselbe, Über die Zunahme der Blitzgefahr (Greifsw. 1880); Klasen, Die B. (Leipz. 1879); Carus Sterne, Die Urgeschichte des Blitzableiters (sieben Abhandlungen in den Sonntagsbeilagen der „Vossischen Zeitung“ von 1877).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 142144
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[142] Blitzableiter. Von den vom Blitz getroffenen Personen hat sich im allgemeinen die Hälfte im Freien befunden und von dieser Hälfte wieder die große Mehrzahl unter Bäumen. Da nun die Zahl der während eines Gewitters im Freien befindlichen Personen sehr klein ist gegenüber der in Gebäuden befindlichen, so ist die relative Blitzgefahr der letztern viel geringer als die der erstern. Die Zahl der jährlich vom Blitz getroffenen Gebäude schwankt sehr stark, zeigt aber seit 30–40 Jahren eine so bedeutende Zunahme, daß die Durchschnittswerte der 80er Jahre eine etwa dreifach so große Blitzgefahr wie die ersten 50er Jahre aufweisen. Im Mittel für ganz Deutschland betrug die Blitzgefahr 1874–77: 188, d. h. auf je 1 Mill. vorhandener Gebäude fielen jährlich 188 Blitzschläge. Im einzelnen schwankt die Blitzgefahr so stark, daß dieselbe 1879–83 im Kreis Eckernförde 90, im Kreis Süderdithmarschen 810 betrug. Die Blitzgefahr wird beeinflußt: 1) durch den Gesamtcharakter der Gegend. Flache Gegenden haben größere Blitzgefahr als gebirgige. 2) Durch die Terrainbeschaffenheit der unmittelbaren Umgebung. Gebäude auf erhöhtem Terrain sowie solche in unmittelbarer Nachbarschaft von Flüssen und Seen sind vorzugsweise gefährdet. 3) Durch die Höhe der Gebäude, mit welcher die Blitzgefahr wächst. 4) Durch die örtliche Verteilung [143] der Gebäude. Eng zusammengebaute Ortschaften vermindern die Blitzgefahr der Gesamtheit; daher die relativ geringere Gefährdung städtischer Gebäude gegenüber ländlichen. 5) Durch die Bauart der Gebäude. Ein mit vielen Metallgegenständen versehenes Haus ist unter sonst gleichen Umständen dem Blitzschlag mehr ausgesetzt als ein solches ohne Metall. Metalldächer, eiserne Anker und Träger, Wasserrinnen, Gas- und Wasserleitungen wirken aber gleichzeitig als teilweiser Schutz gegen die zerstörende Kraft des einschlagenden Blitzes, so daß es nicht geboten erscheint, diese Metallkonstruktionen aus Furcht vor der Blitzgefahr einzuschränken. 6) Durch unmittelbare Nachbarschaft von blitzgefährlichen Gegenständen. Ein benachbarter Turm ist gefährlich, solange er selbst keinen guten B. besitzt. Ein benachbarter Baum gefährdet ein Haus, wenn der leitenden Verbindung der Baumwurzeln mit der Erde elektrisch noch bessere Kommunikationen zwischen Haus und Erde gegenüberstehen. Dann erfolgt ein Überschlag vom Baum auf das Haus. Andernfalls schützt ein Baum. Ebenso ist der Einfluß von benachbarten Telegraphen- und Telephonleitungen teils ein schützender, teils ein gefährdender. Ersterer überwiegt im allgemeinen bedeutend. Die dichten Telephondrahtnetze über den Städten schützen alle darunter liegenden Gebäude merklich; einzelne die Drähte überragende Gebäude sind um so mehr gefährdet. Man hat mit Erfolg eine Koinzidenz zwischen der Größe der Blitzgefahr einerseits und anderseits der Bewaldung oder der Wärme oder dem Grundwasserstand nachzuweisen gesucht, ein direkter Einfluß dieser Verhältnisse auf die Blitzgefahr ist aber keineswegs bewiesen. Die Blitzgefahr ist überall weitaus am größten im Juli, auf welchen Monat etwa ein Drittel der jährlichen Gesamtzahl einschlagender Blitze entfällt. Die meisten Blitzschläge fallen in die Stunden von 3–9 Uhr nachmittags, dann folgen die Nachtstunden von 9–3 Uhr. hierauf mit beträchtlich geringerer Zahl die Mittagsstunden von 9–3 Uhr und endlich die am wenigsten gefährdeten Morgenstunden von 3–9 Uhr. Das Maximum liegt zwischen 3–4 Uhr nachmittags.

Bei gehöriger Ausführung eines Blitzableiters wird durch denselben ein vollständiger Schutz der Gebäude erzielt. Aber auch ein mangelhaft angelegter B. vermindert fast immer die Gefährlichkeit des das Gebäude treffenden Blitzschlags durch partielle Entladung, und es ist durchaus unberechtigt, auf den notorischen Schutz des Blitzableiters verzichten zu wollen, weil etwa noch Zweifel über die besten Konstruktionsdetails existieren. Der B. schützt hauptsächlich dadurch, daß er den das Gebäude treffenden Blitz unschädlich zur Erde führt; aber indem durch langsame Ausströmung durch die Spitze ein Teil der Elektrizität schon vor dem Schlag zur Ausgleichung gelangt, vermindert er auch die Gewalt der Entladung. Die Auffangstangen eines Blitzableiters müssen die höchsten Teile des Gebäudes überragen und in der Weise beherrschen, daß der kürzeste Weg von den Wolken zum Gebäude stets zuerst auf den B. zuführt. Die Luftleitung soll eine Verbindung zwischen Auffangstangen und Erdleitung darstellen, welche an Kürze und guter Leitungsfähigkeit jedem andern Weg durch das Haus überlegen ist. Die Erdleitung muß mit den großen Leitermassen des Erdbodens in möglichst inniger, großflächiger und überhaupt möglichst widerstandsloser leitender Verbindung stehen. Diesen Anforderungen sucht das Gay-Lussacsche System durch wenige, aber sehr hohe Auffangstangen und entsprechend wenige, aber starke Leitungen zu einer oder wenigen möglichst großflächigen Erdplatten zu entsprechen, während das Melsenssche System möglichste Vervielfältigung der einzelnen Teile erstrebt. Die Auffangstangen werden durch kurze, besenförmige Spitzenbüschel ersetzt, die Luftleitung führt in vielfachen dünnern Strängen möglichst an allen Seiten des Gebäudes nach unten, und die Verbindung mit dem Erdreich wird durch Verästelung der Erdleitungen an allen Seiten des Hauses oder durch mehrfachen Anschluß an das Netz der Gas- und Wasserröhren erreicht. Das letztere System ist besonders da empfehlenswert, wo die Beschaffenheit des Terrains eine vollkommene Erreichung des Grundwassers unmöglich macht. Von wesentlichstem Belang ist die Ermittelung der sogen. Anziehungs- oder Entladungsstelle im Erdreich, d. h. derjenigen Stelle, wohin voraussichtlich die Blitzentladung gehen wird. In erster Linie kommen in Betracht stehende oder fließende Gewässer, Gas- und Wasserröhren, eiserne Pumpen, soweit sie nicht in zementierte Bassins reichen, Terrain mit reichlichem Jaucheabfluß. Gewässer und Röhrensysteme sind unter allen Umständen mit der Hauptleitung zu verbinden. Der metallische Anschluß der Gas- und Wasserröhren an die B. ist unbedingt notwendig, da das im Erdboden weitverzweigte Röhrensystem fast immer und gleichgültig, ob dasselbe mit dem B. verbunden ist oder nicht, weit energischer den Blitz an sich zieht als ein noch so guter B. Auch das Röhrensystem selbst wird durch den Anschluß an den B. geschützt, während bei unterlassenem Anschluß der für Gebäude, Personen und Röhren gefährliche gewaltsame Überschlag vom B. auf die Röhren provoziert. Eine einzige Erdleitung genügt in der Regel nur dann, wenn dieselbe mit verschwindend kleinem Widerstand zu einer Entladungsstelle erster Klasse geführt werden kann, und wenn gleichzeitig das Gebäude nicht übermäßig seitlich ausgedehnt ist. Man sagt, daß ein Punkt in dem ein-, zwei-, dreifachen Schutzkreis einer Spitze liege, wenn sein seitlicher Abstand von derselben kleiner als der ein-, zwei-, dreifache Höhenunterschied ist. Die höchsten Ecken eines Gebäudes sollen noch im ein- oder mindestens noch im einhalbfachen Schutzraum, die höchsten Dachkanten im zweifachen, die Punkte der höchstgelegenen Dachflächen noch im dreifachen Schutzkreis einer Spitze liegen. Für tiefer gelegene Punkte, können diese Schutzkreise etwas erweitert werden. Mit den Luftleitungen sind auch Regenrinnen, Metalldächer, eiserne Treppen etc. in Verbindung zu bringen. Ist das Gebäude früher schon einmal vom Blitz getroffen, so sind die damals getroffenen Stellen vorzugsweise zu decken. Als Material des Blitzableiters wählt man Kupfer oder Eisen, die gleichzeitige Verwendung beider Metalle ist möglichst zu vermeiden. Jedenfalls sind die Vereinigungsstellen verschiedener Metalle vor dem Zutritt von Feuchtigkeit zu schützen. Die Eisenleitung muß doppelt so stark sein wie die Kupferleitung. Über den Wert der gut leitenden Phosphorbronze liegen genügende Erfahrungen noch nicht vor. Die Erdleitung endet mit einer Platte, für welche eine Größe von 1 qm genügt, wenn sie im Wasser liegt. Die Auffangstange versieht man mit einer kupfernen vergoldeten Spitze, welche auch wohl in eine feine Platinnadel endet, damit die Spitze nicht durch Oxydation abgestumpft werde. Daß eine solche Spitze günstig wirkt, ist sicher, aber ebenso sicher macht das Fehlen einer scharfen Spitze den B. nicht untauglich, die stärksten Blitzschläge unschädlich zur Erde abzuführen. Eisen ist bei Erd- und Luftleitungen gut zu verzinken. Alle Verbindungen der Blitzableiterteile [144] sollen außer durch feste mechanische Zusammenfügung auch durch Verlötung gesichert werden. Vgl. „Die Blitzgefahr, Mitteilungen und Ratschläge, betreffend die Anlage von Blitzableitern für Gebäude“ (Berl. 1886); Meidinger, Geschichte des Blitzableiters (Karlsr. 1888); Urbanitzky, Die Elektrizität des Himmels und der Erde (Wien 1888).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Karl Bornemann: Procop Diwisch