Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bleichen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 1618
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Bleichen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 16–18. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bleichen (Version vom 14.03.2024)

[16] Bleichen, technische Operation, welche die Zerstörung von gefärbten Substanzen bezweckt, die als Verunreinigungen in und auf verschiedenen an sich farblosen Körpern vorkommen. Das B. beruht meist darauf, daß die zu bleichende Substanz gegen chemische Einflüsse widerstandsfähiger ist als die färbende Substanz. Da aber auf eine vollständige Widerstandsfähigkeit der erstern nicht zu rechnen ist, so sind die Bleichmittel mit sehr großer Vorsicht anzuwenden, um die Festigkeit der zu bleichenden Substanzen nicht zu beeinträchtigen. Die Gespinstfasern bestehen aus ganz farbloser Cellulose, enthalten aber, wie sie zur Bleiche kommen, außer den färbenden auch harz- und wachsartige Substanzen, der gerottete Flachs Pektinsäure etc., die Garne und Gewebe außerdem die bei ihrer Herstellung hinzugekommenen Substanzen, wie Leim, Dextrin, Stärke (von der Schlichte), Fett, Schmutz etc. Diese Verunreinigungen hüllen die Faser und die färbenden Substanzen ein und beeinträchtigen so die Wirkung der Bleichmittel. Man muß deshalb die Fasern zunächst einem Reinigungsprozeß unterwerfen, läßt aber vorteilhaft Reinigungs- und Bleichprozesse miteinander abwechseln und arbeitet stets mit stark verdünnten Flüssigkeiten, durch welche die Fasern am wenigsten angegriffen werden.

In den Bleichereien beginnt das B. der Baumwolle mit einem Waschprozeß in großen Waschmaschinen oder Waschrädern, um oberflächlich haftenden [17] Schmutz zu entfernen; man läßt die Schlichte durch einen Gärungsprozeß sich zersetzen und kocht dann die Gewebe mit Kalkwasser, bisweilen unter Zusatz von Soda, Pottasche, kohlensaurem Ammoniak, auch mit Zuckerkalk, gewöhnlich in geschlossenen Kesseln mit gespanntem Wasserdampf (Bäuchen, Büken). Die alkalischen Flüssigkeiten verseifen die der Faser anhaftenden Fette, lösen Pektinkörper etc., welche durch Waschen entfernt werden. Man bäucht dann mit Natronlauge oder Harzseife, wäscht und bringt die Gewebe nun in eine klare Chlorkalklösung vom spez. Gew. 1,0025–1,025 (zarte Stoffe in eine Chlormagnesialösung), welche durch einströmenden Wasserdampf erhitzt wird, und darauf in verdünnte Schwefelsäure oder Salzsäure. Hierbei entwickelt sich Chlor, welches die färbenden Stoffe zerstört. Die gebleichten Stoffe kocht man wieder mit Soda oder Ätznatronlösung, wäscht mit Wasser, läßt ein sehr schwaches Säurebad folgen und wäscht abermals. Bisweilen gibt man auch auf das alkalische Bad zunächst ein Chlorkalkbad. Unter allen Umständen muß zuletzt das der Faser anhaftende Chlor vollständig entfernt werden, und wenn man dies nicht durch wiederholte alkalische Bäder und erschöpfendes Waschen erreichen kann, bindet man das Chlor durch ein Ammoniakbad, wäscht dann wieder aus und entwässert die Gewebe auf Zentrifugalmaschinen, zwischen Walzen etc.

Beim B. von Baumwolle werden etwa 5 Proz. vom Gewicht des Gewebes fortgeschafft, beim B. von Flachs und Hanf aber bis 36 Proz.; man hat daher hier viel zahlreichere Bäder anzuwenden und erreicht in 18–20, selbst 60 Tagen, was bei Baumwolle in 2–3 Tagen erreicht wird. Dieser größere Zeitaufwand erklärt sich auch durch Anwendung der Rasenbleiche (Naturbleiche), neben welcher indes häufig Chlorbleiche (Kunst-, Schnell-, chemische Bleiche) benutzt wird. Die Ausführung der Lein- und Hanfbleicherei gestaltet sich sehr verschieden, in der Regel aber läßt man alkalische, saure und bleichende Bäder oder Rasenbleiche wiederholt miteinander wechseln, bis zuletzt eine gründliche Reinigung durch anhaltendes Waschen die Operationen beschließt. Sehr günstige Resultate hat man durch Verbindung der Rasenbleiche mit der Kunstbleiche erreicht, und jedenfalls weiß man gegenwärtig die Chlorbleiche in solcher Weise anzuwenden, daß sie die Festigkeit der Faser durchaus nicht stärker beeinträchtigt als Rasenbleiche und sogar einen geringern Gewichtsverlust bedingt als jene.

In ähnlicher Weise wie die Garne und Gewebe kann man auch andre vegetabilische Substanzen bleichen, wendet dann aber nicht selten auch gasförmiges Chlor oder Chlorwasser an. Dies geschieht namentlich in der Papierfabrikation, wo man entweder schon die Lumpen oder häufiger den Halbstoff bleicht. Letztern breitet man in geeigneten Kammern auf übereinander liegenden durchlöcherten Etagen aus und leitet Chlor hinein, welches aus der ersten noch in eine zweite Kammer tritt und in dieser den Halbstoff für das B. vorbereitet. Der hinreichend gebleichte Stoff wird ausgewaschen und mit Soda und Antichlor behandelt, um das Chlor vollständig zu beseitigen. Oft digeriert man auch den Halbstoff mit Chlorkalklösung und macht durch Zusatz von Säuren (Chlorzink oder Zinkvitriol) das Chlor frei. Bei Anwendung von Chlorzink mischt sich dem Halbstoff Zinkoxyd, bei Anwendung von Zinkvitriol Zinkoxyd und schwefelsaurer Kalk bei.

Zum B. von Pflanzenfasern wird auch übermangansaures Natron angewandt. Man bringt das gereinigte Gewebe in eine Lösung von mangansaurem Natron und setzt schwefelsaure Magnesia oder Chlormagnesium zu. Es entsteht dann übermangansaures Natron, welches durch Abgabe von Sauerstoff bleichend wirkt, während sich braune Manganoxyde auf die Faser niederschlagen. Zur Entfernung dieser Oxyde bringt man das Gewebe in ein Bad von schwefliger Säure, um leicht auswaschbares schwefelsaures Manganoxydul zu bilden. Man behandelt die gebräunten Gewebe auch mit alkalischer Lauge, in allen Fällen aber müssen die Operationen mehrfach wiederholt werden, bis vollständige Bleichung eingetreten ist. Hanf- und Flachsgarn soll sich nach diesem Verfahren in einem, Hanf- und Flachsgewebe in drei Tagen bleichen lassen, ohne daß die Faser stärker angegriffen wird als bei der Chlorbleiche. Auch auf Wolle und Seide ist das Verfahren anwendbar, man darf hier indessen die Manganoxyde nur durch schweflige Säure lösen. Wenn gebrauchte Wäsche vergilbt ist und nach dem gewöhnlichen Waschverfahren nicht hinreichend weiß wird, kann man sie mit Eau de Javelle oder Chlorkalk bleichen. Ohne jegliche Gefahr darf man auf einen Eimer Wasser 4–8 g Chlorkalk nehmen und in der klaren abgegossenen Flüssigkeit die Wäsche 24 Stunden liegen lassen. Ebenso kann man ohne Gefahr das Eau de Javelle, wie man es in den Apotheken erhält, mit sehr viel Wasser verdünnen, darin die Wäsche einweichen und sie nachher durch ein Säurebad ziehen, welches nur so viel Schwefelsäure enthält, daß es wie scharfe Limonade schmeckt. Hat die Wäsche einige Stunden darin gelegen, so wäscht man sie recht sorgfältig aus und wird seinen Zweck vollständig erreicht haben. Sehr empfehlenswert ist die Anwendung von Ammoniak mit Terpentinöl, weil mit diesem Bleichmittel auch bei ungeschickter Ausführung niemals Schade angerichtet werden kann. Man gießt eine stark zusammengeschüttelte Mischung von Ammoniak und Terpentinöl in Wasser (etwa je 100 g auf einen Eimer Wasser), bringt sofort die gewaschene und sorgfältig gespülte Wäsche hinein, arbeitet sie gut durch, ringt sie aus und trocknet wenn möglich an einem sonnigen Tag im Freien. Die Wirkung des Terpentinöls beruht offenbar auf Ozonbildung, die trockne Wäsche zeigt keine Spur von Terpentingeruch.

Wolle und Seide unterscheiden sich durch ihren Stickstoffgehalt wesentlich von den vegetabilischen Fasern; sie vertragen nicht die Einwirkung alkalischer Laugen und des Chlors und werden deshalb mit Seife, Soda, Ammoniak gereinigt und mit schwefliger Säure gebleicht. Diese bildet mit manchen Farbstoffen farblose Verbindungen, aus welchen aber der Farbstoff durch verdünnte Schwefelsäure, Dämpfe von Salzsäure, Chlor und durch Erwärmen unverändert wieder abgeschieden werden kann. Andre Farbstoffe werden durch schweflige Säure nicht gebleicht; manche, wie der gelbe Farbstoff der Seide, werden nur deshalb zerstört, weil unter dem Einfluß des Lichts der neben der schwefligen Säure vorhandene Luftsauerstoff die Zersetzung der Farbstoffe vermittelt. Aus diesen Verhältnissen erklärt sich, daß mit schwefliger Säure gebleichte Stoffe oft wieder vergilben. Häufig macht die schweflige Säure auch nur die färbenden Substanzen löslich, so daß sie durch die folgenden Reinigungsbäder entfernt werden können. Wolle ist in dem Zustand, wie sie im Handel vorkommt, mit dem Wollschweiß verunreinigt, welchen man durch Behandeln mit faulem [18] Urin (der durch seinen Gehalt an kohlensaurem Ammoniak wirkt) oder mit Soda und Seife bei nicht zu hoher Temperatur, um das Verfilzen der Wolle zu verhindern, entfernt. Zum B. hängt man die Wolle in eine Kammer, die luftdicht verschlossen werden kann, auf horizontalen Gerüsten auf und bringt einen Topf mit brennendem Schwefel in die Kammer. Der Schwefel verbrennt zu schwefliger Säure, welche von der feuchten Wolle absorbiert wird. Hierbei entsteht, weil Sauerstoff von der Schwefelflamme verzehrt wird, ein luftverdünnter Raum, und nach Verbrauch des in der Kammerluft enthaltenen Sauerstoffs erlischt der Schwefel; von dem heißen unverbrannten Schwefel aber steigen noch Dämpfe auf und bilden auf der Wolle einen sehr fest haftenden gelben Überzug. Um dies zu vermeiden, versieht man die Wände der Kammer mit Ventilen, die sich nach innen öffnen, wodurch, sobald die Luft in der Kammer verdünnt wird, Sauerstoff von außen neu eindringt, bis der ganze Schwefel verbrannt ist. Man läßt die Stoffe 24 Stunden in der verschlossenen Kammer und wiederholt alsdann nötigenfalls die Operation. Oft entwickelt man auch die schweflige Säure durch Erhitzen von Eisenvitriol mit Schwefel, wäscht sie mit Wasser und leitet sie durch Röhren in die Kammer. Viel gleichmäßiger als die gasförmige schweflige Säure bleicht eine gesättigte wässerige Lösung von schwefliger Säure, in welcher man die Stoffe 4 Stunden lang liegen läßt. Zur Gewinnung einer solchen Lösung wird schweflige Säure in den untern Teil eines Koksturmes geleitet, in welchem Wasser herabtröpfelt. Man benutzt die wässerige schweflige Säure am besten bei 20–30° und muß, da das Gas in kaltem Wasser löslicher ist als in warmem, die gesättigte Lösung hinreichend verdünnen, damit beim Erwärmen kein Gas entweicht. Auch eine Lösung von saurem schwefligsaurem Natron wird häufig angewandt. Die mit schwefliger Säure behandelte Wolle wird in schwache Sodalösung gebracht und dann gut ausgewaschen, worauf man eventuell den Bleichprozeß wiederholt.

Rohe Seide wird zunächst durch Behandeln mit Soda, Seife oder kohlensaurem Ammoniak entschält (degummiert), gut gewaschen und durch ein Säurebad genommen. Sie verliert hierbei über 25 Proz., und man behandelt sie deshalb häufig auch mit einer verdünnten und erwärmten Mischung von Salzsäure und Salpetersäure, bis sie grau geworden ist, und wäscht dann schnell und sorgfältig aus. Hierbei beträgt der Verlust höchstens 18 Proz., das Produkt, die souplierte Seide, ist aber auch geringer. In beiden Fällen wird die gereinigte Seide mit gasförmiger, häufiger mit einer Lösung von schwefliger Säure gebleicht und dann gewaschen. In der Regel erteilt man ihr schließlich durch Orlean einen rötlichen oder durch Indigkarmin oder Anilinblau einen bläulichen Ton.

Roß-, Kuh- und Kälberhaare werden ganz ähnlich wie Wolle gebleicht, auch Holz kann nur mit schwefliger Säure gebleicht werden. Elfenbein bleicht man in einer Mischung von Terpentinöl und Alkohol, welche in einer höchstens zur Hälfte gefüllten Flasche einige Tage an der Sonne gestanden hat. Über das B. von Fetten, Ölen, Wachs s. die betreffenden Artikel.

Die Rasenbleiche ist ein sehr altes Verfahren, welches um die Mitte des 18. Jahrh. in Holland, Böhmen, Schlesien etc. mit so großer Vollkommenheit ausgeübt wurde, daß z. B. fast allein Schottland gewebte Leinwand nach Haarlem zur Bleiche gesandt werden mußte. Die farbenzerstörende Eigenschaft des Chlors hatte schon der Entdecker desselben, Scheele (1774), beobachtet, aber Berthollet lehrte 1785 das fabrikmäßige B. mit Chlorwasser. Durch James Watt, der damals gerade in Paris war, durch Henry und Boneuil kam das Verfahren alsbald nach England, fand aber dort wie überall Opposition. Man beobachtete, daß die in Chlorwasser gelegten Stoffe häufig gelb wurden, und kochte sie, um dies zu vermeiden, mit alkalischen Laugen. 1792 entdeckte Berthollet alsdann das Chlorkali, welches mit viel weniger Unbequemlichkeit gehandhabt werden kann als Chlorwasser; aber seine Entdeckung wurde durch die des Chlorkalkes 1798 durch Tennant in Glasgow überholt. Zuerst benutzte Tennant mit Chlor behandelte Kalkmilch, aber schon 1799 nahm er ein Patent auf Darstellung eines Bleichpulvers, wie wir es im wesentlichen noch jetzt verwenden. Man wandte die Chlorbleiche anfangs vielfach ohne die durchaus nötige Vorsicht an und mußte bald erfahren, daß besonders die leinenen Fabrikate dadurch ungemein an Haltbarkeit einbüßten. So geriet das Verfahren in großen Mißkredit, und erst als die Prozesse mit mehr Behutsamkeit ausgeführt wurden, gewann die neue Bleichmethode festen Fuß, zunächst in Anwendung auf Baumwollstoffe, viel später für Leinwand, für welche man sehr rationell eine Verbindung der Rasenbleiche und Chlorbleiche einführte. Seit der Zeit ist die irländische und schottische Leinwandbleiche als die vorzüglichste anerkannt, welche man auf dem Kontinent mehr oder weniger fast überall zum Muster nahm. Die wesentlichste Förderung erfuhr der Bleichprozeß zugleich durch die Einführung von Maschinen, welchen man in der Folge nicht weniger Aufmerksamkeit und Sorgfalt widmete als dem chemischen Prozeß. Das B. mit übermangansaurem Kali wurde 1866 von Tessié du Motay und Maréchal erfunden. Vgl. Kurrer, Das B. der Leinwand (2. Aufl., Braunschw. 1854); Scharf, Das Buch der Bleiche (Löbau 1866); Käppelin, Die Bleicherei und Appretur der Woll- und Baumwollstoffe (a. d. Franz. von Reimann, Berl. 1870); Meißner, Die Maschinen für Appretur, Färberei und Bleicherei (das. 1873); Derselbe, Der praktische Appreteur, Färber und Bleicher (das. 1875); Romen, Bleicherei, Färberei und Appretur der Baumwoll- und Leinenwaren (das. 1879 ff.); Stein, Bleicherei etc. der baumwollenen Gewebe (Braunschw. 1884).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 122
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[122] Bleichen. Die gewöhnlichen Bleichmethoden bestehen im wesentlichen darin, daß man die zu bleichenden Gegenstände (Baumwolle, Papier) der Wirkung von unterchlorigsauren Salzen aussetzt; diese Salze, mit Wasser angerührt, besitzen eine dem Chlor gleiche Bleichkraft und haben vor ihm den Vorteil eines nicht gasförmigen Aggregatzustandes voraus. Man hat versucht, diese Salze auf elektrolytischem Wege in einem Bade kontinuierlich herzustellen, so daß der Bleichprozeß ohne Unterbrechung (ohne Nachfüllung von Salzen) vor sich gehen kann. Zu dem Ende werden die Chloride des Calciums, Magnesiums, Kaliums der Elektrolyse unterworfen, wodurch unterchlorigsaure Salze dieser Metalle gebildet werden. Sorgt man dafür, daß die durch den Bleichprozeß in Chloride übergeführten unterchlorigsauren Salze durch den Strom wieder zu unterchlorigsauren Verbindungen regeneriert werden, so haben wir einen ununterbrochenen Prozeß.