Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Blattläuse“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 12
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Blattläuse. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 1–2. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Blattl%C3%A4use (Version vom 09.12.2022)

[1] Blattläuse (Pflanzenläuse, Aphidīna Burm.), Insektenfamilie aus der Ordnung der Halbflügler, kleine Tiere mit hervorgestreckten, fünf- bis siebengliederigen Fühlern, die häufig länger als der Körper sind, zusammengesetzten Augen, dreigliederigem Schnabel bei beiden Geschlechtern, langen und dünnen Beinen mit zweigliederigen Tarsen und vier dünnhäutigen, aber häufig auch fehlenden Flügeln. Bei den zahlreichen Arten der Gattung Aphis stehen zwei längere oder kürzere Saftröhren (Honigtrompeten) zur Seite des Rückens auf dem sechsten Glied, welche eine süßliche Flüssigkeit absondern; auch ragt nicht selten noch ein „Schwänzchen“ über die Leibesspitze hinaus, erscheint aber erst vollkommen entwickelt, wenn die Häutungen zu Ende sind, und wird daher zu dem wichtigsten Unterscheidungsmerkmal zwischen Larve und ungeflügeltem Imago. Die meisten B. sind grün, häufig bereift, bisweilen durch Ausschwitzungen mit förmlichem Wollpelz bedeckt (Wollläuse). Die B. nähren sich vom Safte der Blätter, Stengel und zuweilen auch der Wurzeln bestimmter Pflanzen, welche sie mit ihrem Schnabel anstechen, und finden sich auf diesen oft den ganzen Sommer hindurch in großer Anzahl beisammen; manche leben in der Höhle großer, gallenartiger Anschwellungen (Gallenläuse), welche das Mutterweibchen durch Anstechen an Blättern erzeugt, und deren Wachstum durch ein gleiches Verfahren der Nachkommen fortschreitet. Die B. zeigen eine höchst merkwürdige Entwickelungsgeschichte. Aus den im Herbst gelegten, zwischen Rindenschuppen oder unter Laub verborgenen oder frei einem Stengel angeklebten Eiern der Blattläuse aus der Gattung Aphis (Neffen) schlüpfen im Frühjahr ausschließlich Weibchen (und zwar meist flügellose) aus, welche sich sofort auf einer Pflanze ansaugen, sich mehrmals häuten, ohne ihre Gestalt wesentlich zu verändern, und dann ohne vorherige Begattung lebendige Junge gebären. Diese gleichen vollkommen der Mutter, saugen sich an, häuten sich und gebären wieder lebendige Junge. Bouché sah eine Rosenblattlaus 4 Tage lang täglich 15–20 Junge gebären, welche nach 4 Tagen wieder fortpflanzungsfähig waren. In solcher Weise vermehren sich diese Ammen viele Generationen hindurch und [2] bleiben, dicht zusammengedrängt, um einen jungen Trieb oder anderswo sitzen. Einigen dieser Ammen wachsen aber Flügel, so daß sie auf andre Pflanzen übergehen und eine neue Kolonie gründen können, indem sie fortfahren, lebendige Junge zu gebären. Erst von der letzten Generation im Herbst werden geschlechtliche geflügelte oder ungeflügelte Männchen und meist flügellose Weibchen geboren, welche sich begatten und Eier legen. In Gewächshäusern und auf Zimmerpflanzen, bisweilen aber auch im Freien, überwintern einzelne Ammen und reife B., und unter geeigneten Verhältnissen kann man Blattlauskolonien jahrelang nur durch Ammen erhalten, die geschlechtliche Fortpflanzung völlig ausfallen lassen. Wesentlich verschieden ist die Fortpflanzungsweise der Tannenlaus (Chermes abietis), von welcher man keine Männchen, sondern nur zwei Formen geschlechtlicher Weibchen kennt, welche ohne Befruchtung Eier legen. Über die Fortpflanzung der Reblaus s. d. Unter noch nicht aufgeklärten Verhältnissen erscheinen plötzlich ungeheure Schwärme geflügelter B., welche die Luft wie mit einer Wolke erfüllen und durch Luftströmungen fortgeführt werden. In solchen Schwärmen, welche das Atmen erschwerten und das Tageslicht verdunkelten, beobachtete man Aphis fabae, rumicis, bursariae, persicae. Die von vielen Blattläusen aus ihrem Hinterleib in hellen Tropfen abgesonderte zuckerhaltige Flüssigkeit wird in weitem Bogen fortgespritzt und bildet den Honigtau; sie lockt besonders Ameisen und verschiedene Zweiflügler in Menge an, welche aber nur selten die B. selbst vertilgen. Die von den Larven abgeworfenen Häute, welche auf den vom Honigtau klebrigen Pflanzenteilen haften bleiben, bilden eine Form des Meltaues.

Die B. haben viele Feinde; abgesehen von insektenfressenden Vögeln, legen die kleinen Ichneumoniden aus der Gattung Aphidius ihnen ihre Eier in den Leib; die Larven von Schwebfliegen (Syrphiden) und Käfern (Hemerobien und Koccionellen) sind ausschließlich in ihrer Nahrung auf sie angewiesen. Auch Milben, die Larven des Blattlauslöwen und der kleine Tausendfuß stellen Blattläusen nach. In eigentümlichem Verhältnis stehen die B. zu den Ameisen, welche den von jenen ausgeschiedenen süßen Saft lecken. Die B. schaden den Pflanzen, indem sie die jungen Triebe durch Saftentziehung schwächen, mit ihren Ausscheidungen die Spaltöffnungen der Blätter verkleben und dadurch die Atmung der Pflanzen stören; auch sammeln diese klebrigen Ausscheidungen die in der Luft schwebenden Pilzsporen und geben dadurch Veranlassung zu Brand und andern Krankheiten. Durch das gestörte Wachstum entstehen Mißbildungen von Gallen, Kräuselungen etc., Blätter und Früchte fallen ab, und wenn Rinde und Wurzel angegriffen werden, sterben die ganzen Pflanzen ab (s. Reblaus). Zur Gattung Aphis L. gehören B. mit siebengliederigen Fühlern, welche länger als der Körper sind, und an denen die beiden ersten Glieder kurz und dick sind, während das siebente Glied am längsten ist; der Hinterleib trägt am drittletzten Ring zwei Honigröhren, die Beine sind sehr lang und dünn; man kennt allein in Europa 350 Arten, von denen viele an Kulturpflanzen, an Rosen, Pelargonien, Nelken, Obstbäumen etc. oft empfindlichen Schaden thun. Als wirksamstes Gegenmittel gegen B. an Zierpflanzen gilt Räucherung mit Tabak, wobei man auf jeden Kubikfuß des geschlossenen Raums, in welchem die Pflanzen sich befinden, 22 g schlechtesten Tabak rechnet. Man räuchert abends, kehrt am Morgen die abgefallenen B. zusammen und wiederholt die Räucherung. Oder man sprengt stark mit Gas-, Teerwasser oder erdölhaltigem Wasser; auch eine Abkochung von 60 g Tabaksblättern, 60 g Pfeffer, einer Handvoll Wermut und 250 g schwarzer Seife soll ein sehr wirksames Sprengmittel sein. Das Einsammeln von Koccionellen und Goldaugen, um sie in Gewächshäusern anzusiedeln, ist ebenfalls sehr wirksam. Als sichere Vorbeugungsmittel gelten für Gewächshäuser gehörige Feuchtigkeit der Luft, Vermeidung zu großer Wärme und eines häufigen Wechsels von warm und kalt, feucht und trocken, hell und dunkel. Licht und Luft verhindern die Ansammlung der B. Zu der verwandten Gattung Schizoneura Hart., mit sechsgliederigen Fühlern und kurzen, warzenartigen Honigröhren, gehört die Blutlaus (S. lanigera Hausm.), 1,5 mm lang, honiggelb bis braunrötlich, auf dem Rücken weißwollig, mit kleinen Augen und blaßgelben, kurzen Fühlern, im geflügelten Zustand schwarz, am Hinterleib schokoladenfarben, mit großen Augen, noch kürzern Fühlern und dunklern Schenkeln und Schienenspitzen, ebenfalls mit Wollhaar überzogen, gibt beim Zerdrücken einen blutroten Fleck. Sie saugt an Rinde und Splint des Apfelbaums und erzeugt dadurch krankhafte Stellen, sitzt auch an älterm beschädigten Holz und hindert die Vernarbung der Wunde. Überwinterte Muttertiere gebären lebendige Junge, die sich den Sommer über parthenogenetisch in acht Bruten fortpflanzen. Im Herbst erscheinen auch geflügelte Läuse, die eine Weile saugen, dann schwärmen, neue Kolonien gründen und zweierlei große, zarte Läuse mit verkümmerten Mundteilen, wahrscheinlich Männchen und Weibchen, gebären. Letztere legen Eier oder ein Winterei. Als bestes Mittel zur Vertilgung empfiehlt sich Ausschneiden der krankhaften Stellen, Bepinseln oder Betropfen mit einer Mischung aus 50 Teilen grüner Seife, 100 Teilen Fuselöl (Amylalkohol), 200 Teilen Weingeist, 650 Teilen Wasser. (Vgl. Goethe, Die Blutlaus, 2. Aufl., Straßb. 1885.) Die Rüsterhaargallenlaus (Schizoneura lanuginosa Hrs.) erzeugt auf Rüsterblättern behaarte, blasige Auftreibungen, aus welchen später geflügelte und ungeflügelte, schwarze, weißwollige B. ausschlüpfen. Zu der Gattung Rinden- oder Tannenlaus (Chermes L.), mit sehr kurzen, fünfgliederigen Fühlern, ziemlich kurzen Beinen und ohne Saftröhren, gehört C. abietis L. (s. Tafel „Halbflügler“). Diese überwintert unter einem weißlichen Wollkleid an der Wurzel der Fichtenknospe (Pinus picea) und bohrt im April die Knospe an, worauf alsbald deren Wucherung beginnt; die Blattlaus legt an 200 Eier, die im Mai ausschlüpfenden Larven setzen sich zwischen die Nadeln des Triebes und erzeugen durch ihr Saugen zwischen den geschwollenen und dicht gedrängten Nadeln gleichfalls Wucherungen, so daß allmählich ein ananasartiger Zapfen entsteht, in dessen zellenartigen Räumen die Larven sitzen, welche endlich ausschlüpfen, sich häuten und als geflügelte Insekten ca. 20 Eier legen. Die aus letztern ausschlüpfenden Jungen bleiben flügellos und überwintern. Man kennt nur Weibchen. Vgl. Kaltenbach, Monographie der Familie der Pflanzenläuse (Aachen 1843); Koch, Die Pflanzenläuse (Nürnb. 1857).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 106108
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[106] Blattläuse. Einen bedeutsamen Fortschritt in der Kenntnis der Lebensgeschichte der B. stellt die Klarlegung der verwickelten Fortpflanzung der Tannenlaus (Chermes abietis) dar. Auch bei der Tannenlaus hat Blochmann durch Entdeckung der bisher unbekannten Männchen die Existenz einer zweigeschlechtlichen Generation nachgewiesen. Der ganze durch Blochmann und Dreyfus verfolgte Entwickelungscyklus der Tannenlaus, der sich auf zwei oder drei Jahre erstreckt und mehrere aufeinander folgende, verschiedenartige Generationen umfaßt, wird dadurch kompliziert, daß die früher unter verschiedenen Namen beschriebenen Generationen auf zwei Baumarten schmarotzend leben und dadurch in der Entwickelungsgeschichte der Tannenlaus Parallelreihen entstehen. Als erste Generation wird betrachtet eine aus befruchtetem Ei entstehende ungeflügelte weibliche Form, die am Knospenhals der Fichte sitzend überwintert und hier eine Galle erzeugt; sie legt parthenogenetisch im Frühjahr eine beträchtliche Zahl gestielter Eier, aus welchen die zweite Generation in Gestalt geflügelter weiblicher Blattläuse hervorgeht; von diesen bleibt nur ein Teil auf der Fichte, während ein andrer Teil auf die Lärche auswandert und an deren Nadeln gestielte Eier legt. Aus diesen gehen als dritte Generation wiederum ungeflügelte parthenogenetische Weibchen hervor, die eine Zeitlang an den Nadeln der Lärche saugen, dann abwärts wandern und in den Rindenrissen des Stammes überwintern; im folgenden Frühjahr legen sie eine Anzahl grüner gestielter Eier, aus welchen sich nun die vierte Generation entwickelt; dieselbe besteht wiederum aus parthenogenetischen, aber geflügelten Weibchen, welche im Mai zur Fichte zurückwandern und hier als fünfte Generation ungeflügelte Männchen und Weibchen erzeugen. Von diesen legen nach vorausgegangener Begattung die Weibchen nur ein größeres ungestieltes Ei, welches sich sehr langsam entwickelt, und aus dem dann im Herbst die Stammmutter des nächsten Jahres ausschlüpft, die als erste Generation den Cyklus wieder von vorn beginnt. Die auf der Fichte zurückbleibenden geflügelten Läuse der zweiten Generation legen Eier, aus denen ungeflügelte parthenogenetische Weibchen (dritte Generation) hervorgehen, die gleich denen auf der Lärche überwintern und im folgenden Frühjahr Veranlassung geben zur Entstehung einer Galle und einer geflügelten vierten, auf Fichten lebenden Generation. Wann die auf Fichten lebende Parallelreihe durch Erzeugung einer Geschlechtsgeneration wieder in den Entwickelungskreis der auf Lärchen lebenden Parallelreihe sich einschließt, ist noch unbekannt. Vielleicht wandert überhaupt erst die geflügelte vierte, auf Fichten lebende Generation auf Lärchen aus. In diesem Fall würden keine Parallelreihen existieren, sondern die Zahl der zu einem Cyklus gehörigen Generationen würde sich auf sieben, die Zeit der völligen Entwickelung auf drei Jahre erstrecken. Für die erwähnten fünf Generationen sind spezielle von Lichtenstein, Dreyfus und Blochmann eingeführte Bezeichnungen üblich: 1) Stammmutter, Fundatrix; 2) auswandernde Generation, Emigrantes; 3) Generation Gemmantes, Lichtenstein und Dreyfus, Alienicolae, Blochmann; 4) zurückwandernde, [107] die Geschlechtstiere erzeugende Generation, Pupiferae, Lichtenstein, Sexuparae, Dreyfus, Remigrantes, Blochmann; 5) Geschlechtsgeneration, Sexuales. Von praktischer Bedeutung ist die noch zu entscheidende Frage, ob die von der Fichte auswandernden Tannenläuse nur auf der Lärche ihre Existenzbedingung finden und ob diese Auswanderung für die Lebensfähigkeit der Art absolut notwendig ist; in diesem Fall wäre zum Schutz junger Fichtenbestände vor dem Schmarotzer die erste Regel, unter Fichten oder in die Nähe derselben keine Lärchen zu pflanzen. Wanderungen von Blattläusen von einer Baumart auf die andre sind außer von der Tannenlaus auch noch von andern Blattläusen, besonders von den gallenbildenden Pemphigus-Arten, doch auch von nicht gallenbildenden Aphis-Arten u. a. bekannt. Nach der bei andern tierischen Parasiten gültigen Terminologie wird als Hauptnährpflanze der wandernden B. diejenige Pflanze bezeichnet, auf welcher die Geschlechtsgeneration lebt und das befruchtete Ei ablegt, als Zwischenpflanze diejenige, auf welcher die betreffende Blattlausart nur in parthenogenetisch sich fortpflanzenden Generationen vorkommt. Für viele Arten, z. B. für die auf der Ulme als Hauptnährpflanze häufig vorkommende Tetraneura ulmi L., ist die Zwischenpflanze noch nicht bekannt. Starke Gründe sprechen dafür, daß auch bei der Gattung Phylloxera und ihrer bekanntesten Art, der Reblaus, die Entwickelung nicht so einfach verläuft, wie bisher angenommen wird, sondern daß auch hier, ähnlich wie bei der Tannenlaus, Parallelreihen existieren und Formen, die bisher zu verschiedenen Arten gerechnet wurden, sich in Zukunft als Glieder eines und desselben Entwickelungskreises erweisen werden. Bei der Reblaus scheint ferner der Entwickelungskreis der Art durch äußere Einflüsse und Bedingungen stark modifiziert zu werden.

Über die Art, wie die B. sich ernähren und verteidigen, verdanken wir Büsgen die ersten genauen Untersuchungen. Er zeigt, daß die Mundwerkzeuge aus einem von der Ober- und Unterlippe gebildeten Rüssel bestehen, der einer Anzahl langer Borsten (welche Ober- und Unterkiefer darstellen) als Schutzscheide dient und ihr Umbiegen beim Anstechen der Pflanzengewebe hindert. Denn diese Borsten, die weit aus dem Scheidenrüssel hervorgestreckt werden können, dienen als eigentliche Stech- und Saugorgane und arbeiten verschieden, je nachdem sie aus weichern oder härtern Teilen den Saft herauszuholen haben. Die Oberkieferborsten fungieren hauptsächlich als wegbahnende Stechapparate, die Unterkieferborsten formen dann einen Saugkanal, in welchem die erbohrten Säfte teils durch Kapillarität, teils durch Saugen emporsteigen. Dieses Borstenbündel dringt nun entweder, z. B. bei der Kochenille-Blattlaus, direkt in die Parenchymzellen ein, oder es schiebt sich durch die äußern Zwischenzellräume der Epidermis und Rinde bis zu dem Eiweißstoffe führenden Weichbast (Siebteil) der Gefäßbündel. Trifft das Borstenbündel dabei auf den Hartbast, dessen dickwandige Zellen den Weichbast nach außen schützen, so durchbohrt es denselben nicht, sondern rückt seitwärts an dessen Oberfläche weiter, bis es eine leichter durchbohrbare Stelle (Markstrahl) und so mit Hin- und Herbiegung den Weichbast erreicht. Doch findet bei manchen Rindenläusen (Lachnus) auch direktes Eindringen bis zum Weichbast statt. Während des Stechens sondert das Insekt ein aus einer eiweißartigen Substanz bestehendes Sekret ab, welches im Augenblick seines Austrittes aus dem Borstenbündel erhärtet, letzteres wie ein geschlossenes Rohr als Fortsetzung des Rüssels umgibt und sein Umbiegen an widerstandsfesten Stellen verhindert. Die Ursache der Aufsuchung des Weichbastes mit Durchbohrung oder Umgehung der gerbstoffreichen äußern Bastzellen, deren Inhalt den Tieren unangenehm ist, liegt wahrscheinlich in der Eiweißarmut dieser Zellsäfte, denn nur der Saft, nicht die plasmatischen Stoffe, die auch den Saugkanal verstopfen würden, werden gesucht und in solchen Massen aufgenommen, daß noch ein großer Teil der aufgesogenen und während der Verdauung teilweise in Traubenzucker umgewandelten Zuckerstoffe durch den After wieder ausgeschieden wird und den Honigtau bildet, resp. von befreundeten Ameisen genossen wird. Früher glaubte man, daß dieser süße Saft aus den beiden Rückenröhren, mit denen viele Blattlauslarven versehen sind, ausgespritzt würde, die daher in vielen Lehrbüchern auch als Honigröhren bezeichnet werden; allein Büsgen zeigte, daß dieser Honigtau nur vom After ausgeschieden wird, während jene Röhren ein wachsartiges, leicht erstarrendes Sekret ausscheiden, dessen sich die B. als eines Schutzmittels gegen Angreifer bedienen, namentlich gegen die sogen. Blattlauslöwen (Florfliegenlarven) und Marienkäferlarven, die sie damit zu beschmieren suchen. Man kann diese Tiere, z. B. die Rosenblattläuse, leicht durch Berührung ihres Kopfes od. Rückens mit einer Nadel zu dieser Röhrenabsonderung veranlassen. Das Tier richtet dann die Röhren einzeln oder gemeinsam gegen die Nadelspitze und wischt daran einen Tropfen der sofort erstarrenden und sehr klebrigen Ausscheidung ab. So verfährt es auch gegen die genannten Angreifer, die von hinten her anrücken und ihre Zangen in den Leib des Tieres schlagen, um den süßen Inhalt auszusaugen. Besonders gut gelingt ihnen das bei den Marienkäferchen (Coccinelliden). Wenn eine Rosenblattlaus an ihren langen Beinen die Annäherung dieses Feindes spürt, so sucht sie sich zunächst mittels derselben in Sicherheit zu bringen oder sich herabfallen zu lassen. Gelingt ihr dies nicht, so beschmiert sie dem Käfer mit ihrer klebrigen Ausscheidung den ganzen Vorderkörper, weshalb auch die Käfer sich kaum an die erwachsenen B. wagen und mehr die jüngern verfolgen, wobei sie freilich ihrem eignen Vorteil noch dadurch dienen, daß sie das trächtige, sich stark vermehrende Thier schonen. Der wichtigste Schutz der B. bleibt freilich ihre Ameisenleibgarde, die sie durch ihren reichlichen süßen Saft anlocken und für ihre Dienste belohnen, weshalb sie von manchen Ameisenarten auch förmlich gezüchtet werden. Bei uns üben die Ameisen besonders energisch ihr Amt gegen die Larven der Coccinelliden und verschiedener Fliegen. Man kann nach Büsgen leicht beobachten, mit welcher Wut sie sich auf diese Tiere stürzen, wenn man diese in die Nähe einer Blattlauskolonie mit Ameisen bringt. In wenigen Minuten sind sie von der Pflanze herabgestürzt oder davongeschleppt. Auch scheinen die Larven ihre Feinde wohl zu kennen und eilen, sich bei deren Annäherung zu verbergen. Da die B. sich nun von dem Pflanzensaft nicht nur selber ernähren, sondern auch noch Scharen von Schutzameisen erhalten und eine Menge Saft als Honigtau vergeuden, so üben sie ernstlichen Schaden, und Büsgen berechnet für einen von Boussingault beschriebenen Fall, daß die einer Linde von ihnen entzogene Menge von Kohlehydraten hingereicht haben würde, den sechsten Teil der Krone neu zu erzeugen. Der Honigtau schadet vielleicht nicht direkt, da ihn der nächste Regen von den [108] Blättern herabwäscht, aber er zieht Pilze an, die den Blättern weiter schaden. Man sollte daher auch den Ameisen, wo sie als Stützen der B. auftreten, den Krieg erklären. Vgl. Büsgen, Der Honigtau (Jenaer „Zeitschrift für Naturwissenschaft“, Bd. 25, 1891); Dreyfus, Die Phylloxerinen (Wiesb. 1889).