Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Blasrohr“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 19 (Supplement, 1892), Seite 105106
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Blasrohr. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 105–106. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Blasrohr (Version vom 09.12.2022)

[105] Blasrohr. Obwohl bereits Stephenson das B. bei seiner Lokomotive anwandte und ihm wenigstens zum Teil zu verdanken hatte, daß seine Lokomotive 6. Okt. 1829 den Sieg errang, so ist noch jetzt die Frage, wie die Blasrohre am zweckmäßigsten zu bemessen sind, offen geblieben. Man macht immer wieder die Beobachtung, welche hohe Wichtigkeit die Verhältnisse des Blasrohres für die Anfachung des Kesselfeuers, also für die gute Verbrennung und Ausnutzung des Brennmaterials haben. Viele Eisenbahnverwaltungen haben in den letzten Jahren den Auspuffverhältnissen ihre Aufmerksamkeit zugewendet und eingehende Versuche darüber anstellen lassen, welchen Einfluß dieselben auf den Brennmaterialverbrauch ausüben. Um nun die Wirkungen verschiedenartig bemessener Blasrohre direkt messen zu können, versuchte man mit verschiedenartigen Meßapparaten

Fig. 1. Registrierapparat zum Messen des Vakuums.

die durch das B. in der Rauchkammer der Lokomotiven erzielte Luftverdünnung (das Vakuum) zu ermitteln. Doch waren die Apparate meist zu ungenau und ihre Handhabung zu umständlich und zeitraubend. Ein neuer Apparat der Compagnie des chemins de fer de l’Est, ein Registrierapparat zum Messen des Vakuums in der Rauchkammer der Lokomotiven, soll mit der größten Genauigkeit das Vakuum aufzeichnen. Der Apparat (Fig. 1 u. 2) besteht im wesentlichen aus einem Metallmanometer, dessen Druckäußerungen auf einen Papierstreifen übertragen werden. Die durch eine Feder bewirkten Aufzeichnungen stellen einen zusammenhängenden Linienzug dar, dessen Abscissen den Zeiten und dessen Ordinaten den in der Luftkammer erzeugten Luftverdünnungen emsprechen. Das Manometer wird aus einer Kapsel A von

Fig. 2. Registrierapparat zum Messen des Vakuums. (Grundriß.)

gewelltem Messingblech gebildet, deren Inneres durch ein Rohr C mit der Rauchkammer R in Verbindung gesetzt werden kann. Je stärker die Luftverdünnung in der Rauchkammer, bez. in A ist, desto mehr werden die Wände der Kapsel von dem Druck der umgebenden Luft eingedrückt. Die Bewegung des Mittelpunktes der einen Wand wird mittels einer kleinen Schubstange G auf einen ungleicharmigen Winkelhebel H übertragen und durch diesen, entsprechend vergrößert, mittels einer Feder auf dem Papierstreifen J verzeichnet, dessen Abwickelung durch ein Uhrwerk mit einer Geschwindigkeit von 25 mm in der Sekunde bewirkt wird. Das Papier läuft von einer Rolle D (Fig. 2) über zwei Führungsrollen E und F über eine kleine, unterhalb des Schreibstiftes K angebrachte Tischplatte N und schließlich durch zwei [106] Schleppwalzen L nach dem Aufwickelungscylinder M. Die obere Schleppwalze läßt sich von der untern abheben oder wieder aufsetzen, so daß hierdurch der Papierstreifen unabhängig von der Uhrbewegung angehalten oder in Bewegung gesetzt werden kann. Die Tischplatte kann in ihrer Höhenlage etwas verstellt und damit der Druck des Schreibstiftes auf das Papier nach Bedarf geändert werden. Durch einen von dem Uhrwerk beeinflußten Morseapparat wird in jeder Sekunde einmal ein Farbrädchen gegen den Papierstreifen gedrückt, so daß die dadurch erhaltenen Punkte in Entfernungen voneinander stehen, die je einer Sekunde entsprechen. Der Apparat ist so eingerichtet, daß die gerade Linie, auf welcher sämtliche Farbenpunkte liegen, genau der Nulllinie oder atmosphärischen Linie entspricht, d. h. derjenigen Linie, welche der Apparat verzeichnen würde, wenn sein Inneres mit der äußern Luft in Verbindung gebracht würde. Um die für genaue Untersuchungen erforderlichen Merkzeichen für den Anfang und das Ende einer Beobachtung sowie auch für beliebige wünschenswerte Zwischenzeiten anbringen zu können, ist ein beweglicher Druckstift O oberhalb der Tischplatte angeordnet. Durch leichten Fingerdruck auf denselben erhält man einen Stich auf dem Papier, der infolge der Konstruktion des Registrierapparats 82 mm vor dem in demselben Zeitpunkt durch die Feder gezeichneten Kurvenpunkte liegt. Die Werte der Ordinate der von der Feder verzeichneten Kurve müssen auf Wassersäulenhöhe reduziert werden. Hierzu dient ein Maßstab, der dadurch erhalten wird, daß die Angaben des Registrierapparats mit denjenigen eines Wassermanometers verglichen werden. Sämtliche Zubehörteile des Registrierapparats sind in einem zweiteiligen Glaskasten untergebracht, und zwar enthält die eine Kammer desselben den eigentlichen Apparat, die andre die zum Betrieb desselben erforderlichen elektrischen Elemente. Der vorliegende Registrierapparat hat sich in der Praxis wiederholt bewährt. Er ist von der französischen Ostbahngesellschaft an ihren verschiedenen Lokomotivgattungen angebracht und erprobt worden. Stets ist das betreffende Vakuum mit der größten Genauigkeit verzeichnet worden, selbst bei der hohen Fahrgeschwindigkeit der Schnellzüge. Der Apparat gestattet nun aber auch noch, die Zuggeschwindigkeit zu kontrollieren. Man braucht nur die in der Sekunde verzeichneten Dampfauspuffe, welche sich auf dem Diagramm deutlich markieren, zu zählen und bei gewöhnlichen Lokomotiven mit vier, bei Verbundlokomotiven mit zwei zu dividieren, so hat man die Anzahl der Treibradumdrehungen. Multipliziert man diese mit dem Umfang eines Treibrades in Metern, so hat man den von dem Treibrad in einer Sekunde zurückgelegten Weg in Metern, d. h. die Geschwindigkeit. Aus den mit dem Apparat aufgenommenen Diagrammen ist folgendes zu ersehen: Während des Stillstandes der Lokomotive erzeugt der natürliche Schornsteinzug nur eine geringe Verdünnung von höchstens 5 mm Wassersäule. Während der ersten Augenblicke des Anfahrens erfolgt der Dampfaustritt sehr langsam, und die vom Apparat verzeichnete Kurve weicht wenig von einer geraden Linie ab. Je mehr jedoch die Fahrgeschwindigkeit wächst, desto mehr zeichnen sich auf der Linie die einzelnen Dampfstöße in der Form von spitzen Kurven ab. Hieraus ist zu ersehen, daß die Luftverdünnung in der Rauchkammer durchaus nicht gleichmäßig ist, sondern bei jedem Dampfstoß momentan schnell wächst, um sogleich wieder zu fallen. Jede Änderung an der Füllung der Dampfmaschine und in der Stellung des Regulators sowie das Öffnen der Feuerthür macht sich an dem Diagramm sofort deutlich bemerkbar.