MKL1888:Blütenfarbstoffe

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Blütenfarbstoffe“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 125126
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Blütenfarbstoffe. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 125–126. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bl%C3%BCtenfarbstoffe (Version vom 01.11.2022)

[125] Blütenfarbstoffe.[WS 1] Die Entstehung sowie das mikroskopische, chemische und optische Verhalten der B. wie der natürlich vorkommenden Pflanzenfarbstoffe überhaupt bilden eins der schwierigsten Gebiete der Forschung, auf welchem trotz zahlreicher Untersuchengen ein befriedigender Abschluß noch nicht erreicht ist. Als eine neuere, wenigstens in morphologischer Hinsicht grundlegende Arbeit sind die Untersuchungen Schimpers über die Chlorophyllkörper und die mit ihnen verwandten Gebilde zu bezeichnen, da sie zum erstenmal den engen Zusammenhang zwischen grünen Chlorophyllkörnern (Chloroplasten), farblosen Stärkebildnern (Leukoplasten) und Farbkörpern (Chromoplasten) auf das genaueste nachweisen. Letztere, welche die hauptsächlichen Träger der B. darstellen, bilden sich nur aus vorher vorhandenen Leuko- oder Chloroplasten. Die Farbe der Blüten kommt überhaupt in dreifacher Weise zu stande: entweder sind die Farbstoffe im Zellsaft gelöst (Zellsaftfarben) oder an eine feste, an sich farblose Grundlage gebunden (Plasmafarben), oder die Gesamtfarbe wird durch eine Mischung, resp. Überdeckung beider genannter Farbenarten hervorgerufen (Mischfarben). Zur ersten Art gehören in der Mehrzahl der Fälle die roten, blauen und violetten Farben (Anthocyan) der Blüten, während die gelben und orangegelben die zweite Kategorie (Anthoxanthin) mit wenigen Ausnahmen bilden; letztere kommen z. B. in den Blüten von Adonis-Arten vor, bei denen hochrot gefärbte Chromoplasten in der Oberhaut, blaßgelbe in den darunterliegenden Zellschichten der Blumenblätter auftreten; gelbe, aber trotzdem im Zellsaft gelöste Farbstoffe finden sich in gelben Rosen, bei Dahlia, Crocus sativus, Antirrhinum majus u. a. Die vorhandenen Angaben über feste blaue Pigmente, z. B. in den Blumenblättern von Strelitzia Reginae, beruhen meist auf einer Verwechselung von Chromoplasten mit Plasmavakuolen, deren flüssiger Inhalt gefärbt erscheint. Scharlach- oder brennend rote Blütenfarbe (Potentilla coccinea, Chelone barbata, Euphorbia splendens) wird in der Regel durch Nebeneinanderauftreten von rotem Zellsaft mit gelben Chromoplasten bewirkt, von welchen der erstere meist seinen Sitz in der Epidermis, der letztere dagegen in tiefer liegenden Zellschichten des Blumenblatts hat; schwarz erscheinende Flecken oder Streifen beruhen auf Anhäufung intensiv blauen oder violetten Zellsafts; die seltene braune Blütenfarbe wird entweder durch Kombination verschiedener Pigmente, z. B. von Chlorophyll mit rotem Zellsaft, oder durch braune Chromoplasten, z. B. bei Amsinckia und Neottia, hervorgebracht. Der Farbenwechsel mancher Blüten, z. B. von Myosotis versicolor aus Gelb in Blau und von Lantana multiflora aus Gelb in Rot oder Blau, beruht nach Dennert auf einer Mischung von gelben Chromoplasten mit blauem oder rotem Zellsaft, von denen der erstere anfangs allein vorhanden ist, während der zweite erst später aus dem ursprünglich farblosen Zellsaft entsteht. Der auffallende, spiegelnde Glanz mancher gelben Blumen, wie z. B. der von Ranunculus, wird durch eine unter der Epidermis liegende, ganz mit kleinen Stärkekörnchen vollgepfropfte Zellschicht hervorgerufen, welche man nach dem Abziehen der Epidermis als porzellanartig weißglänzende Oberfläche mit bloßem Auge wahrnehmen kann.

Die Farbkörper (Chromoplasten) enthalten entweder innerhalb einer farblosen Grundlage gefärbte Tröpfchen oder Körner (Grana), welche die Hohlräume jener ausfüllen und deren Färbung bedingen (so in den Blüten von Ranunculus, Amsinckia, Adonis u. a.), oder die Grundlage wird von einem Eiweißkristalloid gebildet, welchem der farbstoffführende Körper in verschiedener, aber stets unkristallisierter Form aufgelagert ist (Blüte von Maxillaria triangularis, Chrysanthemum phoeniceum, Ranunculus Steveni), oder die Chromoplasten enthalten gleichzeitig Eiweiß- und Farbstoffkristalle (Blüte und andre Teile von Neottia Nidus avis), oder endlich führen sie ausschließlich Farbstoffkristalle, wie in den Blüten von Tropaeolum majus, welche orangegelbe Farbkörper von eigentümlich spindel- oder lappenförmiger Gestalt enthalten; in denselben eingeschlossen liegen die erst bei Untersuchung im polarisierten Licht auffindbaren Farbstoffkristalle, welche in optischer Beziehung mit den genauer bekannten rhombischen und pleochroitischen Farbkörpern der Möhrenwurzeln verwandt sind. Das Vorkommen derartiger Farbstoffkristalle, die außerdem namentlich aus farbigen Früchten (Solanum Dulcamara, Tomaten) bekannt sind, erscheint besonders wichtig, da hier offenbar der Farbstoff in reinster Form vorliegt; auch läßt sich an Blütenknospen von Tropaeolum die Entstehung der kristallführenden Farbkörper aus Chlorophyllkörnern schrittweise verfolgen.

Eine kürzlich veröffentlichte, gleichfalls auf ein umfangreiches Thatsachenmaterial sich stützende Arbeit von Dennert, versucht auf vergleichendem Wege die Entstehung der beiden Hauptformen der B., nämlich der blauen, roten und violetten Anthocyangruppe (Zellsaftfarben) und der gelben oder orangegelben Anthoxanthinreihe (Plasmafarben), zu ermitteln. Nach genanntem Autor sind die Farbstoffkörper der letztern Gruppe Modifikationen oder Metamorphosen des Chlorophylls, richtiger wohl der Chloro- oder Leukoplasten, da nach den mehrfach bestätigten Untersuchungen Schimpers Farbkörper auch aus farblosen Stärkebildnern hervorzugehen vermögen. Der Zusammenhang zwischen Chlorophyll und Anthoxanthin zeigt sich unter anderm in dem Farbenwechsel vieler Blütenknospen, die anfangs grün sind und ohne Zwischenstufen sofort die gelbe oder orangegelbe Farbe annehmen; in andern Fällen, z. B. bei Phaseolus multiflorus, tritt Weiß als Zwischenfarbe und dann erst Rot auf, das bei genannter Blüte trotz der Scharlachfarbe nur im Zellsaft gelöst ist. Auch die Färbungsreaktionen der Pigmente mit starken Säuren oder Basen (Kali) sowie das häufige Auftreten des Chlorophylls und Anthoxanthins in tiefern, nicht an der Oberfläche liegenden Zellschichten des Blumenblatts sprechen für den Zusammenhang [126] beider Farbstoffe. Anderseits faßt Dennert die Anthocyanfarben, d. h. die im Zellsaft gelösten Pigmente, als Abkömmlinge oder Metamorphosen des Gerbstoffs auf, wofür eine Reihe histologischer Gründe und auch einige Reaktionen, z. B. bei Behandlung der betreffenden Blumenfarben mit Eisensalzen, sprechen.

Von außerordentlicher Wichtigkeit erscheint die Frage, ob jene beiden Hauptklassen der B., nämlich die der Zellstoff- und der Plasmafarben, auch bei spektroskopischer Untersuchung durchgreifende Unterschiede zeigen. Aus einer neuern Arbeit über Spektralanalyse der B. von Müller, der 65 verschiedene Pflanzen in dieser Beziehung untersuchte und außer dem Absorptionsspektrum auch die Fluoreszenz und die Absorptionsänderung der Farbstoffe durch Kali und Schwefelsäure in Betracht zog, läßt sich wenigstens das Ergebnis entnehmen, daß in der Mehrzahl der Fälle bei den Farbstoffen der sogen. Anthoxanthinreihe eine Absorption der Spektralfarben zwischen den Fraunhoferschen Linien D und E nicht stattfindet, während die übrigen Spektralregionen, zumal die vor B, in der Regel starke Absorptionen erfahren. Umgekehrt findet bei den roten und blauen Farbstoffen der Anthocyangruppe die Absorption vorzugsweise zwischen D und E oder F, allerdings auch häufig noch anderweitig, statt. Im übrigen bildet jeder von Müller untersuchte Blumenfarbstoff auch ein ihm allein eigentümliches Absorptions-, resp. Fluoreszenzspektrum, was für die Unterscheidung der betreffenden Farbstoffe ja wertvoll, für die biologische Deutung der Thatsachen aber hinderlich ist. Als ein wichtiger Fingerzeig ist es schließlich zu betrachten, daß in einzelnen Fällen, z. B. bei dem Farbstoff der Paeonia-Blüten, eine nicht zu verkennende Analogie des Absorptions- und Fluoreszenzspektrums mit denen bekannter und genauer definierter Farbstoffe, in diesem Falle dem Magdalarot, einem Naphthalinfarbstoff, hervortritt. – Vgl. Schimper, Untersuchungen über die Chlorophyllkörper und die ihnen homologen Gebilde (in Pringsheims „Jahrbüchern für Botanik“, Bd. 16, 1885); N. J. C. Müller, Spektralanalyse der B. (ebenda, Bd. 20, 1888); Dennert, Anatomie und Chemie des Blumenblatts (im „Botanischen Zentralblatt“, Bd. 38, 1889).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vgl. Blütenfarben im Hauptteil.