Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Blähungen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 999
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Blähungen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 999. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bl%C3%A4hungen (Version vom 06.01.2023)

[999] Blähungen (Flatulenz, lat. Flatus, Crepitus ventris), die im Darmkanal vorhandenen Gase, welche von Zeit zu Zeit durch den After abgehen und, wenn sie sich im Darm anhäufen, allerhand Beschwerden verursachen. Manche Menschen leiden habituell an einer abnormen Anhäufung und Zurückhaltung der Darmgase (sogen. Blähsucht, Trommelsucht, Windsucht). Bei gewissen Krankheiten, namentlich des Unterleibes, tritt häufig eine ganz außerordentliche und lebensgefährliche Ausdehnung der Därme durch Gase ein, bald schneller, bald langsamer, welcher Zustand als Meteorismus oder Tympanitis bezeichnet wird. Das Gas entsteht durch Zersetzung der Nahrungsmittel. Übrigens ist es nicht unwahrscheinlich, daß auch die Gase des Bluts teilweise in den Darmkanal gelangen. Die Ursache vermehrter Gasanhäufung im Darmkanal ist in den meisten Fällen sowohl in der Beschaffenheit der Nahrungsmittel als auch in der der Verdauungsorgane selbst zu suchen. B. treten daher auf bei Personen von schwacher Verdauung, bei verdorbenem Magen, nach überreichlichen Mahlzeiten, namentlich aber nach dem Genuß blähender, d. h. bei der Verdauung viel Kohlensäure entwickelnder, Speisen und Getränke (Hülsenfrüchte, Kohlarten, Rüben, Most, junges Bier). Häufig sind B. nur das Symptom eines tiefern Leidens, wobei die Darmwandungen mehr oder weniger im Zustand der Lähmung sich befinden. Eine solche krankhafte Ausweitung und Lähmung der Därme gesellt sich zu den verschiedenen organischen Affektionen derselben, so zu den Entzündungen der Darmschleimhaut, zu Bauchfellentzündungen, Darmverschließungen, Einklemmungen etc. Namentlich bei Säuglingen treten B. zu den verschiedensten andern Krankheiten, besonders zu Darmkatarrhen, hinzu. Die Folgen dieser Luftanhäufung sind unter dem Namen Blähungsbeschwerden bekannt. In den Därmen entstehen kolikartige, kneipende Schmerzen, die von einer Stelle des Unterleibes zur andern ziehen oder heftig zusammenschnürend an einer Stelle festsitzen. Dazu kommen peinliche und selbst gefahrdrohende Beschwerden infolge davon, daß das Zwerchfell durch die ausgedehnten Därme nach oben gedrückt wird. Sie bestehen in Atemnot und Beklemmung, Herzklopfen, Kopfweh, Schwindel und Ohnmachten, Gemütsverstimmung. Abgang von B. nach unten oder Aufstoßen nach oben erleichtert die Beschwerden, längeres Ausbleiben oder Versetzung der B. steigert das Übel. Die schwereren Fälle des Meteorismus werden tödlich durch Hinaufdrängung des Zwerchfelles und Störung des Blutkreislaufs in den Lungen.

Die Behandlung der B. erfordert vor allen Dingen Vermeidung aller sogen. blähenden Speisen. Am meisten empfehlen sich eine leichtverdauliche, zugleich nahrhafte Kost, Fleischspeisen mit einem mäßigen Zusatz von Gewürzen und aromatischen Ingredienzien, alter Wein, schwarzer Kaffee, kleine Portionen kalten Wassers und Gefrornes. Der Stuhlgang muß reguliert werden, fleißige Bewegung im Freien, überhaupt weniger sitzende Lebensweise ist sehr anzuraten; dabei muß der Kranke sich vor Erkältung hüten, öfters kalte Waschungen vornehmen. Zuweilen leistet auch ein warmes Bad die ersprießlichsten Dienste. Ist einmal Aufblähung vorhanden, so ist nur durch sachkundige Untersuchung und Feststellung der jedesmal vorliegenden Ursache Hilfe zu erwarten. Bestehen gleichzeitig heftige Schmerzen im Unterleib, so unterlasse man das sonst übliche Streichen und Kneten, bevor nicht ärztlicherseits festgestellt ist, daß diese Manipulationen ohne Gefahr angewandt werden können. Liegen die Speisen noch unverdaut im Magen, so ist zuweilen ein Brechmittel angezeigt; auch Abführmittel können durch Anregung der Bewegung des Darmkanals mitunter sehr ersprießliche Wirkung thun; auf gleiche Weise wirken die Klystiere, welche aber mehr kühl als warm sein müssen. Außerdem reicht man die sogen. blähungtreibenden Mittel: Kamillen, Fenchel, Anis, Pfefferminzthee, oder einige Tropfen der ätherischen Öle dieser Arzneistoffe auf Zucker. In ganz extremen Fällen hat man zuweilen mit Erfolg den Darm mit einem feinen Trokar angestochen oder durch Einlegung eines langen Mastdarmrohrs die Luft mechanisch entleert. Es versteht sich von selbst, daß dies nur durch die Hand eines erfahrenen Arztes geschehen darf.