Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bilderdijk“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 933933
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Bilderdijk. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 933–933. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bilderdijk (Version vom 24.03.2022)

[933] Bilderdijk (spr. -deik), Willem, berühmter holländ. Dichter, geb. 7. Sept. 1756 zu Amsterdam als Sohn eines Arztes, studierte in Leiden 1780–82 die Rechte und praktizierte dann im Haag als Advokat. Als eifriger Orangist verließ er 1795 beim Einrücken der Franzosen sein Vaterland, lebte längere Zeit in England, dann in Braunschweig und machte sich währenddem als juristischer Schriftsteller durch die „Observationes et emendationes juris“ (Braunschw. 1806) bekannt, die er später neu bearbeitete (Leiden 1820, 2 Bde.). Nach dem Regierungsantritt Ludwig Napoleons kehrte er 1805 nach Holland zurück, wo er zum Bibliothekar des Königs und bald darauf auch zum Mitglied und Sekretär des holländischen Nationalinstituts ernannt wurde. Nach Ludwigs Abdankung zog sich B. nach Leiden zurück, lebte seit 1827 in Haarlem und starb 18. Dez. 1831 daselbst, nachdem er durch die Restauration seine Pension eingebüßt hatte. Als Dichter hat B. eine erstaunliche Fruchtbarkeit entwickelt und sich auf allen Gebieten der Poesie versucht. Schon 1774 gewann er mit dem Gedicht „Over den invloed der dichtkunst op het staatsbestuur“ einen Preis; die gleiche Auszeichnung wurde ihm 1775 für „De liefde tot het vaderland“ zu teil. Die erste Probe seines Studiums der Klassiker gab er durch seine Übertragung der Sophokleischen Tragödien: „Koning Edipus“ und „Dood van Edipus“ (1789). Andre Produktionen jener Zeit sind: „Mijn verlustiging“ (1781) und die Gedichtsammlung „Bloemptjens“ (1785), meist Minnelieder voll ausgelassener Lustigkeit enthaltend. Während er in der Fremde verweilte, erschienen in rascher Folge andre Sammlungen, als: „Mengelpoëzij“ (Amsterd. 1799, 2 Bde.), „Poëzij“ (das. 1803–1807, 4 Bde.; 2. Aufl. 1822) und „Mengelingen“ (das. 1804–1808, 4 Bde.), denen sich „Buitenleven“, eine Bearbeitung von Delilles „L’homme des champs“ (das. 1803) und „Fingal“ (nach Ossian, 1805) anschlossen. Nach seiner Rückkehr ins Vaterland widmete er Ludwig Bonaparte die „Nieuwe mengelingen“ (Amsterd. 1806, 2 Bde.) und verfaßte das beschreibende Gedicht „De ziekte der geleerden“ („Die Krankheiten der Gelehrten“, Amsterd. u. Haag 1807, 2. Aufl. 1829). Damals versuchte er sich auch im Drama mit den Trauerspielen: „Floris de vijfde“ (1808), „Willem van Holland“, „Kormak“ u. a. (in „Treurspelen“, Haag 1808–1809, 3 Bde.) und veröffentlichte „De mensch“, eine Umdichtung von Popes „Essay on man“ (1808), sowie die Sammlungen: „Najaarsbladen“ (1808, 2 Bde.), „Verspreide gedichten“ (1809, 2 Bde) und „Winterbloemen“ (Haarlem 1811, 2 Bde.). Die Befreiung des Vaterlandes feierte er in der feurigen Dichtung „Hollands verlossing“ (Amsterd. 1813–14, 2 Bde.; 2. Aufl. 1833) und den „Vaderlandsche uitboezemingen“ (das. 1815). Auch die Hymne „Willem Frederik“ und sein „Wapenkreet“ entstanden in jener Zeit. Einer niedergeschlagenen Stimmung entsprangen seine „Affodillen“ (Haarlem 1814); heitere Seelenruhe aber verraten seine „Nieuwe uitspruitsels“ (1817), sein „Wit en rood“ (1818, 2 Bde.), das satirische Gedicht „De dieren“ (1818) und die „Nieuwe dichtschakeering“ (Amsterd. 1819), endlich die Fragment gebliebene epische Dichtung „De ondergang der eerste wereld“ (1820; letzte Ausg., das. 1880). Unter der langen Reihe seiner übrigen Dichtungen [934] nennen wir noch: „Zedelijke gispingen“ (1820); „Sprokkelingen“ (1821); „Krekelzangen“ (1822–1823, 3 Bde.); „Spreuken“ (1823); „Rotsgalmen“ (1824, 2 Bde.); „Navonkeling“ (1826, 2 Bde.); „Oprakeling“ (1826 u. 1827); „De voet in’t graf“ (1827); „Naklank“ (1828); „Vermaking“ (1828 u. 1829); „Schemerschijn“ (1829); „Nasprokkeling“ (1830) und „Nalezingen“ (1833, 2 Bde.). Nach seinem Tod erschienen noch die Dichtungen: „De geesten wereld“ und „Het waarachtig goed“ (Amsterd. 1843; deutsch von Quack, Stuttg. 1853). B. bekundet sich in diesen zahlreichen Produktionen als einen gedanken- und phantasiereichen, vielseitig gebildeten und eigenartigen Dichter, der sich zugleich durch eine seltene Meisterschaft in Handhabung der Form auszeichnet. Sein eigenstes Gebiet ist die Lyrik, während ihm für das Epos, noch mehr für das Drama die Begabung abgeht. Störend tritt seine antiliberale Gesinnung und sein zähes Festhalten an der altfranzösischen Kunstregel hervor, was ihn für die Eindrücke der englischen und der deutschen Litteratur, die er förmlich haßte, unzugänglich machte. Auch sein großes Geschichtswerk „Geschiedenis des vaderlands“ (hrsg. von Tydeman, Amsterd. 1832–53, 13 Bde.) ist in absolutistischem Geist gehalten. Als Sprachforscher, obwohl auch hier einseitig und phantastisch, gab er den Anstoß zu einem gründlichern Studium gegenüber der traditionellen Richtung Seegenbeeks. Besonders sind auf diesem Gebiet die „Taal- en dichtkundige verscheidenheden“ (1820–25, 8 Bde.) und „Beginsels der woordvoorsching“ (1831) hervorzuheben. Eine Gesamtausgabe seiner „Dichtwerken“ besorgte Da Costa (Amsterd. 1856–59, 16 Tle.), deren Schlußband die Biographie des Dichters: „De mensch en de dichter B.“ enthält.

Seine zweite Gemahlin, Katharina Wilhelmina, geborne Schweickhardt, geb. 1777 im Haag, seit 1797 mit B. verheiratet, war ebenfalls Dichterin. Sie lieferte mehreres in ihres Gatten „Poëzy“ (1803) und die Tragödie „Elfride“ in dessen „Treurspelen“ (1808), gab „Gedichten voor kinderen“ (1813) und Trauerspiele („Dargo“, „Ramiro“, 1816) heraus und starb 16. April 1830. Ihre „Dichtwerken“ erschienen gesammelt in 3 Bänden (Haarlem 1858–60), herausgegeben von Da Costa.