Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Beschneidung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 808
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Beschneidung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 808. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Beschneidung (Version vom 10.05.2021)

[808] Beschneidung (hebr. Milah, lat. Circumcisio, griech. Peritome), der bei mehreren Völkern, namentlich den Ägyptern, Westasiaten, Hebräern, Arabern, Kopten, Abessiniern, Kaffern, auch auf einigen Südseeinseln herrschend gewesene und teilweise noch herrschende Gebrauch, die Haut, welche die Eichel des männlichen Gliedes bedeckt, die Vorhaut (praeputium), mittels einer Operation durch das Messer hinwegzunehmen. Bei den Juden wird die Sitte auf den an Abraham ergangenen göttlichen Befehl (1. Mos. 24, 4) zurückgeführt; thatsächlich ist sie durch das mosaische Gesetz (3. Mos. 12, 3) eingeführt worden. Es wurden ihr auch alle Leibeignen und Fremde unterworfen, die sich in Israel niederließen und am Passah teilnehmen wollten; nur in Zeiten des religiösen und nationalen Verfalles ward sie unterlassen (1. Makk. 1, 15; Josephus, Ant., 12, 5, 1) oder durch Herabziehen der beschnittenen Vorhaut über die Eichel gegen Spott und Verfolgung zu verheimlichen gesucht, was man Epispasmus (griech., lat. recutitio) nannte. Was den Ursprung und Zweck der B. anlangt, so ist es sehr wahrscheinlich, daß die Hebräer dieselbe von den Ägyptern entlehnt haben, bei denen sie aber nur in der Priester- und Kriegerkaste eingeführt war. Ihre Erklärung aus medizinischen und ähnlichen Gründen ist abzuweisen und ihre rein religiöse Bedeutung festzuhalten und zwar schon deshalb, weil die B. als Bundeszeichen gilt, als die Weihe und das Siegel der Zugehörigkeit zu dem erwählten priesterlichen Volk. Die B., welche vielleicht mit dem Phallosdienst der Ägypter zusammenhing, war den Israeliten als Zeichen des Bundes mit Gott ein Reinigungsakt. Den Idumäern zwang Hyrkanos, als er sie mit den Juden vereinigte (129 v. Chr.), den Ituräern Aristobul die B. auf. Bei den Arabern, die von Ismael, Abrahams Sohn von Hagar, den Ursprung der B. herleiten, war sie von jeher gebräuchlich; Mohammed behielt sie bei, und so fand sie als religiöse Satzung auch bei den Persern und Türken Eingang. Hier wird sie zwischen dem 6. und 15., am häufigsten aber im 13. Lebensjahr vollzogen (1. Mos. 17, 25), während die gesetzliche Vorschrift der Juden den achten Tag nach der Geburt dazu festsetzt. Die B. ward bei Juden und Ägyptern früher mit steinernem Messer ausgeführt, jetzt vollzieht dieselbe ein besonders dazu Angestellter (Mohel, „Beschneider“), in vielen Ländern unter Assistenz eines Arztes nach geordnetem Ritus. Außer den Juden und Mohammedanern üben die B. heutzutage die meisten afrikanischen Völker und Eingebornen Australiens sowie einzelne amerikanische Stämme, im ganzen ca. 200 Mill. Menschen.