Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bem“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Bem“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 2 (1885), Seite 677
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Józef Bem
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Bem. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 677. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bem (Version vom 07.05.2021)

[677] Bem, Joseph, poln. General, geb. 1795 zu Tarnow in Galizien, auf der Krakauer Hochschule, im Kadettenkorps und der Artillerieschule in Warschau gebildet, trat in die polnische reitende Artillerie und machte den russischen Feldzug von 1812 mit. Für seine Auszeichnung bei der Verteidigung Danzigs erhielt er das Kreuz der Ehrenlegion. Nach Polen zurückgekehrt, trat er als Artillerieoffizier in die 1815 reorganisierte Armee ein, hielt an der Warschauer Artillerieschule Vorlesungen und ward 1819 Kapitän. Sein Freimut zog ihm vielfache harte Strafen zu, bis er nach Kaiser Alexanders I. Tode die Entlassung aus dem polnisch-russischen Dienst erhielt. Er war in Lemberg mit einem Werk über die Dampfmaschinen beschäftigt, als der Warschauer Novemberaufstand 1830 ausbrach. B. eilte nach Warschau und wurde zum Artilleriemajor ernannt. Seine Teilnahme am Krieg war eine ausgezeichnete. In der Schlacht bei Iganie trug er das meiste zum glücklichen Ausgang des Kampfes bei, zeichnete sich bei Ostrolenka aus und wurde rasch zum Oberbefehlshaber über die gesamte Artillerie und zum General befördert. Am 6. und 7. Sept. 1831 brachte er bei Warschau seine gesamten Geschützkräfte in den Kampf und bewies außerordentliche Tapferkeit, vermochte aber, weder von Fußvolk noch von Reiterei zur rechten Zeit unterstützt, durch seine Kanonen allein die Russen nicht zurückzuwerfen. Nach dem Fall Warschaus trat er auf preußisches Gebiet über, lebte erst in Leipzig und Altenburg und begab sich im März 1832 nach Paris. Dort verweilte er bis 1848, mit Studien, litterarischen Plänen und mancherlei Projekten beschäftigt, machte auch Reisen in Portugal, Spanien, Belgien, Holland. Im März 1848 erschien er in Lemberg und 14. Okt. 1848 in Wien, wo er die Organisation der Verteidigungsmittel übernahm und außerordentliche Thätigkeit entwickelte, auch sich persönlich an mehreren Gefechten beteiligte, namentlich den Ausfall vom 25. Okt. leitete. Am Tag der Kapitulation flüchtete er nach Ungarn. Dort erhielt er von der Kossuthschen Regierung den Oberbefehl in Siebenbürgen; er organisierte dort rasch eine aus Szeklern bestehende Honvedarmee von 10,000 Mann, führte mit großer Geschicklichkeit den kleinen Krieg, hielt sich gegen den Feldmarschallleutnant Puchner (den er 19. Dez. 1848 bei Dees besiegt hatte) trotz seiner Niederlage bei Vizakna (4. Febr. 1849), eroberte Kronstadt und Hermannstadt, drängte die Österreicher und Russen in die Walachei, vertrieb Puchner auch aus dem Banat und brachte seine Armee auf 43,000 Mann, mußte aber dann vor der österreichisch-russischen Übermacht zurückweichen. Nachdem er vergebens versucht, den Feind in die Moldau zu ziehen, unterlag er 31. Juli 1849 in der Schlacht bei Schäßburg. Von Kossuth nach Ungarn zurückgerufen, nahm er noch an der Schlacht bei Temesvár (9. Aug.) teil, wo er aber durch allzu rasches Vorgehen zur Niederlage der Ungarn beitrug, und flüchtete dann, nachdem er noch einmal vergebens Siebenbürgen zu verteidigen versucht hatte, in die Türkei, wo er zum Islam übertrat und den Namen Amurat Pascha annahm. Die ihm angewiesene Stellung in der türkischen Armee suchte er zu deren Reorganisation zu benutzen, erhielt aber auf die Einsprache Österreichs und Rußlands 1850 Aleppo zum Aufenthalt angewiesen, wo er im November an der Spitze türkischer Truppen den blutigen Aufstand der arabischen Bevölkerung gegen die Christen niederschlug. Sein durch Strapazen und Wunden zerrütteter Körper wurde von einem hartnäckigen Fieber ergriffen, dem er, jede ärztliche Hilfe abweisend, 10. Dez. 1850 erlag. B. war ein vortrefflicher Feldherr und bei den Truppen sehr beliebt. 1880 wurde ihm in Maros-Vásárhely ein Denkmal errichtet. Vgl. Czetz, Bems Feldzug in Siebenbürgen (Hamb. 1850), und Pataky, B. in Siebenbürgen (Leipz. 1850).