Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Beernaert“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 17 (Supplement, 1890), Seite 105
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Beernaert. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 17, Seite 105. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Beernaert (Version vom 21.10.2022)

[105]  Beernaert, Auguste Marie François, belg. Staatsmann, geb. 26. Juli 1829 zu Ostende als der Sohn kleinbürgerlicher Eltern, studierte die Rechte und ließ sich in Brüssel als Advokat beim Appellhof nieder. Er begründete seinen Ruf frühzeitig durch eine ungewöhnliche Rednergabe, die ihn auch beim Gebrauch der niederländischen Sprache nicht verläßt. Da er in den Streitfällen des Wahlrechts einzelner als Sachwalter der Liberalen auftrat und Mitverwalter der liberalen Zeitung „Étoile belge“ war, wurde er allgemein zu den Liberalen gerechnet, obschon er der eigentlichen Parteipolitik stets fern geblieben. Seine Berufung in das Ministerium Malou erregte daher 1872 nicht geringe Überraschung. Als Minister der öffentlichen Arbeiten aber beschränkte B. seine Thätigkeit streng auf die Angelegenheiten seines Ressorts, auch nachdem er 1874 für Thielt in die Zweite Kammer gewählt war; die bedeutendste Leistung Beernaerts aus dieser Zeit ist die Verstaatlichung größerer Eisenbahnen. Nach dem Sturz des Ministeriums Malou im Juni 1878 nahm B. seine Rechtspraxis wieder auf; in der Kammer stand er mit Malou, Jacobs und Woeste an der Spitze der Opposition gegen das Ministerium Frère-Orban, dessen Steuerpläne er 1883 mit Nachdruck bekämpfte. Er nahm sehr regen Anteil an der Gründung einer Mittelpartei, deren Vertreter 1884 in Brüssel als Unabhängige gewählt wurden, bald darauf aber in der klerikalen Partei gänzlich aufgingen. Im zweiten Ministerium Malou (16. Juni 1884) erhielt B. das an Stelle des Unterrichtsministeriums geschaffene Ministerium für Landwirtschaft, Gewerbe und Kunst. Als infolge der Entlassung der Minister Jacobs und Woeste auch Malou 24. Okt. 1884 zurücktrat, übernahm B. an des letztern Stelle den Vorsitz im Kabinett und das Finanzministerium. B. führte die Umwandlung der 4proz. Staatsschuld in 3proz. und mehrere Steuerreformen durch; 1889 brachte er die Kammern dazu, fast ohne Widerspruch zu genehmigen, daß der Staatsschatz sich für 10 Mill. Frank an dem Unternehmen der Congoeisenbahn beteiligen durfte. In der Leitung der allgemeinen Politik war B. bestrebt, seine Partei zur Mäßigung anzuhalten, was ihm jedoch meist nur durch Verschiebung der brennenden Angelegenheiten gelang. 1887 bekämpfte er ohne Erfolg die aus der parlamentarischen Anregung vorgeschlagenen Fleischzölle; ebenso bekannte er sich im Gegensatz zu der Kammermehrheit als Anhänger der persönlichen Wehrpflicht. Durch die Ungeschicklichkeit des Ministers De Volder kam es im Mai und November 1889 dazu, daß B. mit diesem von der Opposition beschuldigt wurde, die Arbeiterwirren im Hennegau teilweise durch Lockspitzel hervorgerufen zu haben, eine unbewiesene Behauptung, welcher einstimmige Vertrauenszeugnisse der Rechten die Spitze abbrachen. In der vlämischen Frage trat B. als Kabinettschef für die Forderungen der Vlämen ein.