Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bautzen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Bautzen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 2 (1885), Seite 528529
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: Bautzen
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Bautzen
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Bautzen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 528–529. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bautzen (Version vom 30.04.2022)

[528] Bautzen (wend. Budissin), Hauptstadt der gleichnamigen sächs. Kreishauptmannschaft, die erste der sogen. Vierstädte, liegt an der Dresden-Görlitzer

Wappen von Bautzen.

und der B.-Schandauer Eisenbahn, auf einer steilen Anhöhe rechts über der Spree, über welche eine schöne Eisenbahnbrücke führt, und besteht aus der eigentlichen, mit Mauern und Warttürmen umgebenen Stadt und zwei Vorstädten, die durch Alleen von der eigentlichen Stadt geschieden und mit Wall und Graben (jetzt zum Teil Promenaden) umgeben sind, während das meist von Wenden bewohnte Dorf Seidau (mit 2858 Einw.) nördlich am andern Ufer der Spree liegt. Im NW., auf dem höchsten Punkte der Stadt, liegt das uralte, 958 gegründete, aber später wiederholt abgebrannte Felsenschloß Ortenburg, ehemals häufig die Residenz der Könige von Böhmen, jetzt Sitz verschiedener Behörden. Unter den Kirchen ist die vorzüglichste der Dom St. Petri am Fleischmarkt, ein großer Hallenbau von unregelmäßiger Grundform, 1441–97 erbaut, mit 94 m hohem Turm, fünf großen Glocken und kostbaren Kirchengefäßen. Die Kirche ist seit 1543 paritätisches Gotteshaus für Katholiken (deren B. 1631 zählt) und Protestanten. Andre Kirchen sind die zu St. Maria und Martha (Garnisonkirche für Protestanten), die protestantische Dreifaltigkeits- oder Taucherkirche, die St. Michaeliskirche (für wendische Protestanten) und die Kirche zu Unsrer Lieben Frau (für wendische Katholiken). Andre ansehnliche Gebäude sind: die beiden Landschaftshäuser, die Dekanei (das Kapitelhaus), das schöne Rathaus mit schlankem Turm, das große Gewandhaus, [529] die Kaserne, das Theater, das Stadtkrankenhaus, das neue Gymnasialgebäude, die neue Bürgerschule etc. Sehenswert sind auch die malerischen Ruinen der Nikolai- und besonders der Mönchskirche innerhalb der Stadt. Die Zahl der Einwohner betrug 1880 mit Einschluß der Garnison (Inf.-Reg. Nr. 103) 17,509 (3066 Wenden). B. gehört zu den gewerbfleißigsten Städten Sachsens. Der älteste, schon im 17. Jahrh. wichtig gewesene und noch jetzt wichtigste Industriezweig ist das Stricken und Wirken wollener Strümpfe, Handschuhe, Jacken etc.; auch die Tuchmacherei ist bedeutend. Außerdem hat B. zwei Eisengießereien mit Maschinenbauwerkstätten, eine mechanische Spinnerei, Weberei, Strumpfwirkerei, Fabriken für Papier, Zigarren, Strickmaschinen, Leder, Pulver, Sprit, Thonwaren, Wagen, eine lithographische Anstalt, einen Kupferhammer, Ziegelbrennerei, eine Kunstmühle, eine Gas- und Wasserleitung etc. Der Großhandel erstreckt sich besonders auf die Erzeugnisse der städtischen Industrie. Ein Kaufhaus (das sogen. Gewandhaus) besteht schon seit 1284. B. hat 1 Gymnasium (seit 1556), 1 protestantisches und 1 kath. Schullehrerseminar, 1 Realschule zweiter Ordnung, 1 Handels-, 1 Landwirtschaftsschule, 2 öffentliche Bibliotheken, deren eine ein böhmisches Manuskript von Johannes Huß enthält, 1 Altertumsmuseum und 1 Bildergalerie. Als Wohlthätigkeitsanstalten sind zu erwähnen: 4 Spitäler, 1 Waisenhaus, 1 Armenhaus (verbunden mit Korrektionsanstalt), 1 Stadtkrankenhaus; außerdem 1 Garnisonlazarett. B. ist Sitz der Kreishauptmannschaft, eines Landgerichts (für die 18 Amtsgerichte zu B., Bernstadt, Bischofswerda, Ebersbach, Großschönau, Herrnhut, Kamenz, Königsbrück, Löbau, Neusalza, Neustadt b. St., Ostritz, Pulsnitz, Reichenau, Schirgiswalde, Sebnitz, Stolpen und Zittau), einer Amtshauptmannschaft, der landständischen Bank des sächsischen Markgrafentums Oberlausitz sowie des Domstifts St. Petri. Dasselbe besteht aus einem katholischen Dechanten (der stets infuliert und jetzt gewöhnlich ein Bischof in partibus ist), einem lutherischen Propst (stets ein Meißener Domherr, weil das Domstift St. Petri geschichtlich ein Kollegiatstift von Meißen ist), 10 Domherren und 5 Vikaren derselben. Der Dechant hat auf den Landtagen seinen Sitz in der Ersten Kammer. Das Stift wurde 1213 von dem Bischof Bruno II. von Meißen gestiftet und hat große Besitzungen.

Geschichte. B., ursprünglich eine slawische Niederlassung Budissin, erscheint schon um 1004, wo es vom König Heinrich II. erobert ward, als befestigte Stadt. Zur Hebung derselben trug der Ruf einer Reliquie, eines Arms von St. Petrus, bei. Hier ward 1018 der Friede zwischen dem Polenherzog Boleslaw und Kaiser Heinrich II. und 1350 der Vertrag zwischen Karl IV. und Ludwig von Brandenburg geschlossen, wodurch Ludwig seinen Ansprüchen auf die Niederlausitz entsagte, aber Brandenburg verbürgt erhielt. Im Hussitenkrieg litt B. viel, schlug aber 1431 einen Sturm ab. Im Dreißigjährigen Krieg nahm es Kurfürst Georg 1620 nach vierwöchentlicher Belagerung ein; 1633 ward es von Wallenstein erobert, und 4. Mai 1634 brannte es der vom Kurfürsten von Sachsen belagerte kaiserliche Oberst v. Goltz, bevor er sich ergab, nieder. Im J. 1813 wurde B. berühmt durch die Schlacht (auch die Schlacht von Wurschen genannt) vom 20. und 21. Mai. Nach der Schlacht bei Lützen (2. Mai 1813) zogen sich die Preußen und Russen über die Elbe zurück, und machten bei B. Halt. Die Stellung auf dem rechten Ufer der Spree war gut gewählt; das Terrain erhebt sich terrassenförmig bis hinauf nach Hochkirch. Die Verbündeten sicherten sich durch zahlreiche Redouten und Erdverschanzungen. Ihr linker Flügel lehnte sich an die böhmischen Gebirge, der rechte, bei Malwitz, war durch Seen, Teiche und fließende Gewässer gedeckt, die Spree und die Stadt B. schützten die Fronte. Auf dem äußersten rechten Flügel, bei Klix und Malwitz, befehligte Barclay de Tolly; im Zentrum an der Spree Kleist, dahinter in zweiter Linie auf den Kreckwitzer Höhen Blücher und York; auf dem linken Flügel Gortschakow, vor ihm an der Spree Miloradowitsch. Der Großfürst Konstantin führte die Reserve. Die Verbündeten hatten 180,000 Mann, Napoleon I. 130,000 Mann, worunter 8000 Mann Reiterei. Nachdem die Verbündeten den günstigen Zeitpunkt für einen Angriff auf Napoleon, der anfangs nur eine geringe Truppenmasse bei sich hatte, versäumt und am 19. Mai durch einen verspäteten Versuch, bei Königswartha-Weißig Neys Heranmarsch zu verhindern, das Yorksche Korps nutzlos geschwächt hatten, schritt Napoleon 20. Mai zum Übergang seines Heers über die Spree. Macdonald stürmte im Zentrum die steinerne Brücke nach B. und setzte sich nachmittags in Besitz der Stadt. Auf dem äußersten rechten Flügel schlug Oudinot nach hartem Kampf bei Wilthen eine Brücke und warf Gortschakows Korps. Nur der linke französische Flügel stand abends noch auf dem linken Ufer der Spree; Kleist, der sich gegen Marmont gehalten hatte, mußte jedoch in seine zweite Position bei Litten zurückgehen. Napoleon blieb während der Nacht in B. Am 21. Mai, morgens 5 Uhr, erneuerte sich die Schlacht auf der ganzen Linie; Oudinot machte wiederholte Angriffe auf den linken Flügel der Verbündeten, wurde aber verschiedene Male zurückgeschlagen. Indessen gelang es Ney, das Korps Barclay de Tollys in der Flanke zu fassen; zu gleicher Zeit ließ Napoleon im Zentrum durch Soult die Höhen von Kreckwitz nehmen, und da nunmehr die Gefahr einer völligen Einschließung drohte, wurde von den Verbündeten der Rückzug angetreten und in der größten Ordnung ausgeführt. Weder Geschütz noch Gefangene wurden von den Franzosen eingebracht. Die Verluste der Verbündeten beliefen sich auf etwa 14,000, die der Franzosen auf über 20,000 Mann an Toten und Verwundeten. Die Folge der Bautzener Schlacht war der Rückzug der Verbündeten bis an die Oder, worauf nach längerer Unthätigkeit der Waffenstillstand vom 4. Juni folgte. Vgl. Wagner, B. und seine Umgebung (Bautzen 1871); Wilke, Geschichte der Stadt B. (das. 1843); v. Meerheimb, Die Schlacht bei B. (Berl. 1873).

Die Kreishauptmannschaft B. zählt auf 2470 qkm (44,85 QM.) (1880) 351,326 Einw. (142 auf 1 qkm), davon 321,379 Evangelische, 29,363 Katholiken und 187 Juden (48,525 Wenden), und zerfällt in die vier Amtshauptmannschaften:

  QKilom. QMeilen Einwohner auf 1 QKil.
Bautzen 826 15,01 103262 125
Kamenz 696 12,64 57640 83
Löbau 523 9,50 93989 180
Zittau 425 7,70 96435 227