Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bautain“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 528
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Bautain. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 528. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bautain (Version vom 20.09.2022)

[528] Bautain (spr. botäng), Louis Eugène Marie, franz. Philosoph und Theolog, geb. 17. Febr. 1796 zu Paris, seit 1819 Professor der Philosophie an der Akademie zu Straßburg und als solcher ein Anhänger der liberalen Partei, ward 1824 suspendiert, warf sich aber infolge plötzlich eingetretener Sinnesänderung der Kirche in die Arme und ließ sich 1828 zum Priester weihen, worauf er zwar in sein Lehramt wieder eingesetzt, bald aber neuerdings der Heterodoxie beschuldigt und (1834) zur Retraktation aufgefordert wurde. Die Feindschaft zwischen ihm und dem Klerus wuchs, als er in dem Werk „De l’enseignement de la philosophie en France au XIX. siècle“ (Straßb. 1833) die herrschende scholastische Methode angriff und der Abbé Bonnechose die Lehre des Meisters unter dem Titel: „Philosophie du christianisme, correspondances religieuses de Mr. Louis B.“ (das. 1835, 2 Bde.) herausgab. Die kirchlichen Mißhelligkeiten wurden durch einen (allerdings kaum mehr als scheinbaren) Widerruf (1834; vgl. Bautain, Lettre à Mgr. de Trevern, évêque de Strasbourg, Straßb. 1836) und durch einen persönlichen Besuch Bautains beim Papst insoweit ausgeglichen, daß B. seit seiner Rückkehr nach Frankreich in Paris lebte, wo er während des Winters einen großen Kreis von Schülern um sich sammelte und Predigten hielt, die zu den besuchtesten gehörten. Was ihm vorzugsweise den Vorwurf der Ketzerei zugezogen hat, war in der Lehre von der Sünde und der Gnade seine Hinneigung zum Augustinismus. Im J. 1848 ernannte der Erzbischof Sibour B. zum Obervikar der Pariser Diözese; 1853 wurde er Professor der Moraltheologie an der theologischen Fakultät zu Paris, wo er 18. Okt. 1867 starb. Bautains philosophische Lehren sind ein in sich haltloses Aggregat von Sätzen, die hauptsächlich von Kant, Jacobi, Platon und Augustinus entlehnt sind. Er schrieb noch: „Psychologie expérimentale“ (Straßb. 1839, 2 Bde; 2. Aufl., Par. 1859; deutsch, Münst. 1853); „Philosophie morale“ (Par. 1842, 2 Bde.); „La religion et la liberté considérées dans leurs rapports“ (eine Sammlung seiner Pariser Kanzelvorträge, das. 1848; deutsch, Schaffh. 1851); „La morale de l’évangile comparée aux divers systèmes de morale“ (Vorlesungen an der Sorbonne, Par. 1855; deutsch, Tübing. 1856); „Philosophie des lois“ (das. 1860); daneben auch Bücher allgemein erbaulichen Inhalts.