Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bauernkrieg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 472476
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Bauernkrieg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 472–476. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bauernkrieg (Version vom 28.03.2022)

[472] Bauernkrieg, die gewaltsame Erhebung der Bauern in einem Teil Deutschlands im Beginn der Reformationszeit 1525. Die Ursachen derselben sind vor allem in der elenden Lage des Bauernstandes zu suchen, der teils hörig und ohne jedes Eigentum, teils, wo er etwas Acker besaß, so mit Frondiensten und Abgaben aller Art belastet war, daß er seines Besitzes nicht froh werden konnte. In den Kriegen und Fehden wurde der Bauer besonders hart mitgenommen und mißhandelt; ohne Schutz und Vertretung im Reich oder auf den Landtagen, hatte er auf keine friedliche Besserung seiner Lage zu hoffen; vor den Gerichten, die nach römischem Recht zu urteilen sich gewöhnten, fand er kein Recht; die Fürsten und Herren waren gewohnt, den Bauer als wehrlosen Sklaven zu behandeln und ihn durch rücksichtslosen Mißbrauch des Jagdrechts zu schädigen; selbst die Geistlichkeit nahm an der Bedrückung und Aussaugung des Unglücklichen durch Zehnten, Almosen, Stolgebühren u. a. teil. Und doch wurde der so hart bedrückte Bauernstand im 14. und 15. Jahrh. inne, welche unwiderstehliche Kraft in ihm wohnte, als die Schweizer Bauern die österreichischen und burgundischen Ritterscharen vernichteten und die Hussiten die Reichsheere in schmähliche Flucht schlugen. In Volksliedern und Flugschriften äußerte sich das Selbstbewußtsein des niedern Volks immer stärker und steigerte sich zum Entschluß, mit Gewalt die Ketten abzuwerfen und sich durch Selbsthilfe aus dem unerträglichen Elend zu befreien.

Schon im 15. Jahrh. kam es an verschiedenen Punkten zu Aufständen. So trat 1476 in Niklashausen ein Hirt, Hans Böheim, als Verkündiger eines neuen Gottesreichs auf, in dem keine weltliche und geistliche Obrigkeit bestehen, sondern alles gleich und Brüder sein und niemand von Fronen, Abgaben und Jagdgesetzen bedrückt sein werde. Er hatte zahlreichen Zulauf, doch wurde die Erhebung mit Feuer und Schwert erstickt. In den Niederlanden erhoben sich 1492 die Käsebröter (so genannt, weil sie Käse und Brot als Symbol ihrer Armut und ihrer bescheidenen Ansprüche in der Fahne führten), wurden aber vom Herzog Albrecht von Sachsen besiegt. Auch im Elsaß und in der Abtei Kempten regten sich Bauernunruhen, da der Steuerdruck infolge des Luxus und des verschwenderischen Lebens der Herren immer ärger wurde und die Klagen der Bedrückten nirgends Gehör fanden. Seit dem Beginn des 16. Jahrh. häufen sich daher auch die Aufstandsversuche. Im J. 1502 bildete sich in Bruchrain im Bistum Speier eine geheime Bauernverbrüderung mit dem „Bundschuh“ als Abzeichen in der Fahne und mit der Befreiung von aller Herrschaft, den Kaiser ausgenommen, und Abschaffung der fremden Gerichte, der weltlichen und geistlichen Abgaben als Ziel des Bundes. Derselbe breitete sich rasch im Mittelrheingebiet aus, wurde aber verraten und durch Einschreiten der Fürsten unterdrückt, ebenso eine Erneuerung des Bundschuhs im Breisgau 1513 durch einen entkommenen Führer, Jost Fritz. Trotzdem kamen die steigende Unzufriedenheit und die tiefe Erbitterung der Bauern gegen ihre Unterdrücker, die Herren und Pfaffen, immer wieder zum Ausbruch, so namentlich in Württemberg, wo Herzog Ulrich, um seinen verschwenderischen Hofhalt zu bestreiten, das Land in schamlosester Weise bedrückte und aussaugte. Im J. 1514 erhoben sich die Bauern des Remsthals, welche schon seit 1503 eine geheime Verbindung, den „armen Konrad“ (nach dem Führer, einem lustigen Gesellen, bei dem „koan Rat“ verfangen wollte), gestiftet hatten, und der Aufstand verbreitete sich von da über das Neckarthal und bis zum Schwarzwald. Doch wußte Ulrich die Mehrzahl der Empörer durch Versprechungen im Tübinger Vertrag zur Niederlegung der Waffen zu bewegen, die Remsthaler Bauern überfiel er und ließ ihre Anführer hinrichten. Eine große Ausdehnung erlangte der windische Bauernbund in Steiermark, Kärnten und Krain, der nach mehreren vereinzelten Empörungsversuchen 1515 mit furchtbarer Wut gegen den gewaltthätigen Adel sich erhob und erst nach mehrmonatlichem Kampf vom Kaiser Maximilian bewältigt werden konnte.

Diese vereinzelten Bewegungen erhielten nun einen neuen Ausschwung und einen mächtigen Impuls durch die Reformation. Als Luther auftrat, wünschten alle Stände in Deutschland eine Änderung der verrotteten Zustände, und wenn auch Luther der Reformbewegung den ersten kräftigen und folgenreichen Ausdruck gab, so ging die Wirkung doch weit über das kirchliche Gebiet hinaus. Die evangelische Freiheit, welche der Reformator verkündete, übertrugen viele Anhänger auch auf das soziale und politische Gebiet und fanden damit bei den bedrückten Bauern den lebhaftesten Beifall. Die Opposition derselben gegen die bestehenden Zustände erhielt nun eine tiefere sittliche und religiöse Grundlage. Die Bibel lehrte nichts von der üppigen Hierarchie, nichts von dem Rechte der Herren, die Armen und Geringen für alle Zeiten und ohne jedes Maß mit Abgaben und Diensten zu belasten. Das Evangelium wendete sich gerade an die Armen, die Mühseligen und Beladenen; [473] es redete davon, daß alle Brüder seien. Von nun ab war nicht mehr bloß die Befreiung von individuellem Druck, sondern die Errichtung eines nationaldeutschen christlichen Reichs, in dem ein mächtiger Kaiser alle beschütze, alle Menschen gleich und Brüder seien, unter Berufung auf das „göttliche Recht“ das Ziel der Erhebung, die man den B. nennt. Deshalb schlossen sich Männer aus den höhern, gebildeten Ständen der Bewegung an, durch welche sie die ersehnte Reichsreform mit Einem Schlag zu erreichen hofften. Allerdings vermischten sich mit dem gesunden und berechtigten Kern derselben auch revolutionäre sozialistische Tendenzen, und die rohe Zügellosigkeit der Massen brach bald hervor.

Die Gärung im Bauernstand und im niedern Bürgerstand der kleinern Städte nahm seit der Thronbesteigung Karls V. zu. Prediger, wie Thomas Münzer, steigerten sie durch die zündende Beredsamkeit, mit der sie die Aufrichtung des himmlischen Reichs, wo keine geistliche und weltliche Gewalt, kein Unterschied von reich und arm, vornehm und gering sein würden, schilderten; aufreizende Flugschriften waren in Menge in Umlauf. Die Erhebung begann im Sommer 1524 im südlichen Schwarzwald, wo die Strenge der österreichischen Regierung gegen die neue Lehre, der Übermut des Adels und die Nähe der Schweiz die Gemüter besonders erregt hatten. Unter Führung Hans Müllers von Bulgenbach stifteten die Bauern eine „evangelische Brüderschaft“; es war nicht ihre Absicht, mit Gewalt loszuschlagen, sondern durch Beschlüsse großer Versammlungen ihren Forderungen Nachdruck zu geben und Zugeständnisse zu erwirken. Sie ließen sich daher auch unklugerweise auf Verhandlungen ein und zogen, als man ihnen gute Versprechungen gab, wieder heim. Doch die Herren hatten nur Zeit zu Rüstungen gewinnen wollen; von Erfüllung der Versprechungen war keine Rede. Als sich die Bauern getäuscht sahen, brach der Aufstand Anfang 1525 von neuem aus, zuerst im Algäu bei Kempten, von wo er sich mit Windeseile an den Bodensee, in das Ried und bis an den Oberrhein verbreitete. Ein Einfall des vertriebenen Herzogs Ulrich von Württemberg in sein Land, den das schwäbische Bundesheer abwehren mußte, begünstigte die Verbreitung. Im Algäu entstand auch das erste merkwürdige Programm, „die gründlichen und rechten Hauptartikel aller Bauernschaft und Hintersassen der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, von welchen sie sich beschwert vermeinen“, oder die zwölf Artikel, als deren Verfasser der ehemalige pfalzgräfliche Kanzler Fuchssteiner oder Christoph Schappeler zu Memmingen genannt wird. Sie pflanzten sich durch den Druck und mündlich rasch fort und fanden in ganz Süd- und Westdeutschland großen Anklang. Ihre billigen und mäßigen Forderungen waren folgende: 1) Jede Gemeinde soll ihren Pfarrer selbst wählen, auch Gewalt haben, denselben zu entsetzen, wenn er sich ungebührlich hält, und der gewählte Pfarrer das Evangelium lauter und klar, ohne allen menschlichen Zusatz, predigen. 2) Nur der im Alten Testament gebotene große Zehnte soll ferner gegeben werden, nicht der kleine Zehnte als ein unziemlicher, von Menschen erdichteter Zehnte. 3) Die Bauern wollen nicht mehr für Eigenleute gelten, da Christus alle mit seinem Blut erlöst hat, also frei sein, aber ihrer gewählten und von Gott gesetzten Obrigkeit in allen ziemlichen und christlichen Sachen gehorchen. 4) Wildbret, Geflügel, Fische sollen frei sein. 5) Die Waldungen, sofern sie nicht durch Kauf Eigentum geworden, fallen von den Herrschaften an die Gemeinden zurück und sollen den Gemeindemitgliedern zum unentgeltlichen Nießbrauch überlassen werden, doch unter Aufsicht der Gemeindedeputierten. 6) Frondienste dürfen nicht gewährt, sondern es soll das alte Herkommen geachtet werden. 7) Die Herrschaft soll von dem Bauern nicht Dienste verlangen, die über dessen vertragsmäßige Verpflichtung hinausgehen. Das Weitergehende soll um einen „ziemlichen Pfennig“ geleistet werden. 8) Wenn Güter mit Gülten so überladen sind, daß die Arbeit für den Anbauenden keinen Ertrag mehr gibt, so soll nach der Entscheidung ehrbarer Leute der Zinsfuß verringert werden. 9) Gerichtsstrafen sollen nicht willkürlich erhöht werden, sondern es ist das alte Herkommen zu bewahren. 10) Die Wiesen und Äcker, die man den Gemeinden entfremdet, sollen ihnen zurückgegeben werden. 11) Die Abgabe, welche Todfall heißt, ist als eine widerrechtliche Beraubung der Witwen und Waisen aufzuheben. 12) Man solle ihre Artikel an der Heiligen Schrift prüfen, und wenn sie durchaus als unziemlich nachgewiesen würden, wollten sie davon abstehen, aber auch nur in diesem Fall.

Die Bauern verlangten also im wesentlichen kirchliche Freiheit und Predigt der neuen Lehre, dann Ablösung der unerträglichen Feudallasten, Dinge, die durchaus gerecht und durchführbar waren. Auch nahm die Bewegung einen Fortgang, der zu den besten Hoffnungen berechtigte, wenn sie einig und gemäßigt blieb. Österreich, Tirol wurden in sie hineingezogen, im Elsaß, am ganzen Ober- und Mittelrhein erhoben sich die Bauern, und Prälaten, Edelleute und Städte unterwarfen sich ihnen. Schon gegen Ende März begannen auch in Franken die Unruhen. In Rotenburg a. d. Tauber, wo längst die Geschlechter mit den kleinen Leuten im Streit lebten, brach eine Revolution aus, infolge deren das Gemeinwesen im Sinn der neuen „evangelischen Freiheit“ eingerichtet und ein Bund mit den Bauern geschlossen wurde. Ein Haufe, aus Unterthanen der Pfalzgrafen am Rhein, der Bischöfe von Mainz und Würzburg, der Deutschherren und vieler Edlen bestehend, wählte den Wirt von Ballenberg im Odenwald, Georg Metzler, einen verwegenen Menschen und erbitterten Adelsfeind, der sein Vermögen verschleudert hatte, zum obersten Hauptmann des „evangelischen Heers“; ein andrer Odenwälder Haufe nahm einen Edelmann, Florian Geier, zum Führer. Im Hohenloheschen stellte sich der frühere gräfliche Kanzler, Wendel Hippeler, an die Spitze der Bauern, im Heilbronnschen Jäcklein Rohrbach. In diesen Gegenden war der Aufstand begünstigt durch die große Menge kleiner Herrschaften, welche sich nicht leicht einigten und einzeln zum Widerstand zu schwach waren. So zerfielen die Aufständischen in eine große Anzahl „sturmlicher Haufen“, denen jede einheitliche Leitung fehlte. Die zwölf Artikel wurden jetzt erweitert, man wollte volle Freiheit haben. Klöster wurden überfallen, Weinkeller und Vorratshäuser geleert, ein Leben in Saus und Braus geführt. Die zügellose Raub- und Zerstörungslust nahm immer mehr überhand, Kirchen wurden geplündert, Burgen und Klöster in Brand gesteckt, so Hohenstaufen und die Grabstätte des Kaisergeschlechts, Kloster Lorch, die Insassen grausam behandelt. Die anfangs wehrlosen Herren, wie die Grafen Hohenlohe und Löwenstein, wurden schimpflich gedemütigt.

Der Siegestaumel riß die Bauern zu einer blutigen Frevelthat hin. Weinsberg mit seinem festen Schloß Weibertreu, gegen welches das Bauernheer Mitte April zog, ward verteidigt von dem Grafen Ludwig [474] von Helfenstein, einem der tapfersten Ritter jener Zeit, Liebling Ferdinands von Österreich. Die Wut der Bauern stieg aufs äußerste, als die Aufforderung zur Übergabe mit Schimpf und Spott abgewiesen ward; der 8000 Mann starke Haufe begann einen heftigen Sturm, und die durch ein verräterischerweise geöffnetes Thor hereindringenden Bauern richteten unter den Herren und Edlen ein fürchterliches Blutbad an. Vergeblich warf sich des gefangenen Grafen von Helfenstein Gattin, eine natürliche Tochter Maximilians I., ihren Knaben auf dem Arm, den Häuptlingen zu Füßen; vergebens bot der Graf selbst 30,000 Fl. als Lösegeld. „Und wenn du uns zwo Tonnen Goldes gäbest, so müßtest du doch sterben!“ rief man ihm hohnlachend zu. Als der Graf kein Erbarmen sah, stürzte er sich verzweifelnd in die Spieße der Bauern. Wie der Graf, so wurden seine Gefährten unter Trommel- und Schalmeienklang durch die Spieße gejagt. Helfensteins Gemahlin riß man das Geschmeide ab, warf sie mit ihren Frauen auf einen Mistkarren und führte sie so nach Heilbronn. Nach dieser furchtbaren That nahm der ganze Adel vom Odenwald bis an die schwäbische Grenze die Gesetze der Bauern an. Von Weinsberg brach das Heer der Bauern gegen Heilbronn auf, und hier bedurfte es nicht einmal eines ernsthaften Angriffs; da die Mehrzahl der Bürger schon vorher den Bauern geneigt war und durch Verrat ein Thor geöffnet ward, worauf die Menge eindrang, mußte der Rat eine Verbrüderung mit den Bauern eingehen. Während ein Platz nach dem andern in die Hände der Bauern fiel, empfanden diese doch den Mangel an Zucht und Ordnung. Daher wählten sie auf Hippelers Vorschlag den Ritter Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand, welcher als Feind der hohen Geistlichkeit und der Fürsten bei den Bauern beliebt war, zum Feldhauptmann. Götz sträubte sich anfangs und nahm die Führung auch nur auf einen Monat an. Schon am 6. und 7. Mai erschien das Bauernheer von verschiedenen Seiten her vor Würzburg und wurde freudig begrüßt von den Bürgern der Stadt, welche jetzt reichsstädtische Freiheiten zu erringen gedachten. Sie und die Bauern schwuren einander Treue und Standhaftigkeit, bis der Frauenberg erobert sei, wo die letzte Kraft der Ritterschaft und des Fürstentums in Franken unter Sebastian v. Rotenhan und Markgraf Friedrich von Brandenburg versammelt war.

So war der ganze schwäbische und fränkische Stamm der deutschen Nation in einer Bewegung begriffen, die der bestehenden Ordnung der Dinge eine vollständige Umkehr drohte, und um so größer war die Bedeutung dieses Aufstandes, als auch schon eine große Anzahl von Städten daran teilnahm. Zuerst waren es die kleinern Städte, die sich zu den Bauern gesellten, wie Kempten, Leipheim und Günzburg a. d. Donau, die kurmainzischen Städte im Odenwald, die Städte im Breisgau. Auch einige Reichsstädte, wie Memmingen, Dinkelsbühl, Wimpfen, wurden mit Güte oder Gewalt herbeigezogen. Aber auch in den größern Städten thaten sich ähnliche demokratische Bestrebungen mit Macht hervor. So forderte die Bürgerschaft von Mainz die ihr nach dem letzten Aufruhr entrissenen reichsstädtischen Rechte wieder zurück. Der Rat von Trier stellte sich an die Spitze der Bewegung und drang auf Herbeiziehung der Geistlichen zu den bürgerlichen Lasten. Solche Fortschritte veranlaßten einige Männer von größerer politischer Einsicht, die Neuorganisation der ganzen Reichsverfassung ins Auge zu fassen; es waren besonders Wendel Hippeler und Friedrich Weigand v. Miltenberg. Heilbronn wurde zum Mittelpunkt der ganzen Bewegung erwählt, dort sammelten sich im Mai 1525 Abgeordnete der verschiedenen aufgestandenen Gaue, und in diesem „Bauernparlament“ entstand der Heilbronner Reichsverfassungsentwurf. An der Spitze desselben stand die Säkularisation der geistlichen Güter, welche zur Entschädigung der weltlichen Herren für die Aufhebung der Feudallasten dienen sollten; die Steuern sollten beschränkt oder ganz aufgehoben werden, der Kaiser sollte eine größere Macht bekommen gegenüber den Fürsten und Herren; dem Volk sollte das alte nationale Recht zurückgegeben, Doktoren des römischen Rechts sollten nur an Universitäten angestellt werden; eine neue Gerichtsordnung war beabsichtigt, Einheit von Münze und Gewicht, Sicherheit des Handels, Schutz gegen Wucher wurden verlangt; alle Stände sollten sich zur Erhaltung von Frieden und Ruhe verbinden. Ein Schiedsgericht wurde in Aussicht genommen, zu welchem als Beisitzer Erzherzog Ferdinand, Kurfürst Friedrich von Sachsen, Luther, Melanchthon u. a. vorgeschlagen wurden. Es war also eine vollständige Reichsreform in demokratischem Sinn beabsichtigt, welche Deutschland einen neuen Staats- und Rechtsboden und damit die Möglichkeit einer glücklichen, ja großartigen Entwickelung hätte geben können. Indessen Kaiser Karl V. hatte kein Verständnis für die deutschen Dinge, ihm kam der Gedanke gar nicht, die mächtige populäre Bewegung zur Errichtung eines starken, einheitlichen Reichs zu benutzen. Noch wichtiger war, daß die zügellosen Ausschreitungen und die rohen Gewaltthaten der Bauern den Mittelstand davon abschreckten, sich der Erhebung anzuschließen, daß vor allem Luther, in dessen Geiste die Führer der Bewegung zu handeln glaubten, sich entschieden gegen sie erklärte und zwar veranlaßt durch die Art, wie sie in Thüringen auftrat.

Hier waren die sozialpolitischen Bestrebungen aufs engste mit den kirchlichen Reformideen, aber in der schwärmerischen und fanatischen Weise Thomas Münzers verbunden. Dieser war in Mühlhausen zum Ansehen eines gottbegeisterten Propheten gelangt. Er entschied im Rat, im Gericht nach seiner innern Offenbarung, ließ Geschütz gießen, die Pfarrer vertreiben, zahllose Klöster zerstören und die Schlösser und Burgen der Herren stürmen. Vom Thüringer Wald bis zum Harz hin war alles in wilder Bewegung, und hier war nicht die Rede von Bedingungen und Verträgen, wie in Oberdeutschland, sondern alles ging auf „allgemeines erbarmungsloses Verderben“ hinaus. Blut und Zerstörung folgten Münzers Bahnen, es sollte ganze Arbeit gemacht werden: „Nur dran“, rief er, „dran, dran! Lasset euch nicht erbarmen, lasset euer Schwert nicht kalt werden vom Blut, schmiedet Pinkepank auf dem Amboß Nimrod, werft ihm den Turm zu Boden! Dran, dran, dieweil ihr Tag habt, Gott geht euch vor, folget!“ Er wollte von keiner Obrigkeit, keinem Eigentum wissen, Staat, Kirche und Gesellschaft sollten umgestürzt werden. Hiergegen erhob sich nun Luther, auf den seit Beginn des Bauernkriegs aller Augen gerichtet waren. Als ihm die Bauern die zwölf Artikel zugeschickt hatten, hatte er mit einer „Ermahnung zum Frieden“ geantwortet; er sprach offen aus, daß manche Forderungen billig seien, daß die Fürsten und Herren anders werden und Gottes Wort weichen sollten; aber er war weit entfernt, das revolutionäre Auftreten der Bauern zu billigen. Gehorsam gegen die Obrigkeit stand ihm ja stets in erster Linie, er schied streng zwischen Geistlichem und Weltlichem [475] und warnte die Bauern, die evangelische Freiheit nicht zum Schanddeckel ihres unchristlichen Treibens zu machen. Als nun aber der Aufruhr immer ärger und blutiger wurde, ward Luther von grimmigem Zorn ergriffen und schrieb in der leidenschaftlichen Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Bauern“: Jetzt müsse jedermann zum Schwert greifen, um die Mordpropheten und Rottengeister niederzuschlagen; hundertmal solle ein frommer Christ den Tod leiden, ehe er eine Haaresbreite in die Sache der Bauern willige; die Obrigkeit solle kein Erbarmen haben, die Zeit des Zorns und des Schwerts sei gekommen, sie solle dreinschlagen, weil sie eine Ader regen könne, das sei die göttliche Pflicht, die ihr obliege. Wer in diesem Dienst umkomme, der sei ein Märtyrer Christi. Hiermit waren die Bauern als wilde Empörer gebrandmarkt, und nun ermannten sich die weltlichen Gewalten, um dem drohenden Umsturz des Bestehenden vorzubeugen. Landgraf Philipp von Hessen verband sich, nachdem er durch Unterwerfung des Fulda- und Werragebiets eine Vereinigung der fränkischen und thüringischen Haufen verhindert hatte, mit Kurfürst Johann und den Herzögen Georg und Heinrich von Sachsen und griff 15. Mai 1525 die Bauern an, welche unter Münzers Führung an den Anhöhen über Frankenhausen Stellung genommen hatten. Die Fürsten errangen über den ungeordneten, schlecht bewaffneten Haufen einen leichten, aber vollständigen Sieg. Über 5000 Bauern wurden auf dem Schlachtfeld und auf der Flucht getötet, Mühlhausen fiel, ohne eine ernstliche Verteidigung zu wagen; Münzer ward in dem Lager vor der Stadt, wo er unumschränkt geherrscht hatte, hingerichtet.

Um dieselbe Zeit begann auch in allen übrigen vom Aufstand ergriffenen Gegenden die nachdrückliche Bekämpfung desselben von seiten der Fürsten und Herren. Zuerst wurden die Unruhen im Elsaß gedämpft und zwar durch den Herzog Anton von Lothringen. Nachdem er einige zerstreute Bauernhaufen im freien Feld zersprengt hatte, kapitulierten die in Zabern versammelten Aufständischen. Da man sie aber beschuldigte, daß sie den Frieden nicht gehalten und die Landsknechte zum Abfall gereizt hätten, wurden sie am Morgen des 19. Mai, als sie aus der Stadt auszogen, angegriffen und, an der Zahl 18,000, niedergemetzelt. Einen nicht weniger unglücklichen Ausgang nahm die Sache der Bauern in Schwaben. Ihr Besieger war hier der Hauptmann des Schwäbischen Bundes, Georg Truchseß v. Waldburg. Durch einen Vertrag mit den Seebauern, unter denen die Empörung den thatkräftigsten Charakter angenommen hatte, im Rücken vor einem Angriff ziemlich gesichert, rückte er gegen die württembergischen Bauern vor und erreichte und schlug sie bei Böblingen. 9000 Bauern sollen hier erschlagen worden sein. Auch hier war mit dieser einen Niederlage die Kraft des Widerstandes in den Bauern gebrochen; alle Ortschaften, welche an dem Aufstand teilgenommen hatten, fielen ohne Verzug in die Gewalt des Siegers. Darauf wandte sich Truchseß über Weinsberg, welches zur Strafe in Asche gelegt wurde, nach Franken, wo die Kurfürsten von der Pfalz und von Trier von Bruchsal her zu ihm stießen; das vereinigte Heer, 8000 Mann zu Fuß und 2500 Reiter, zog Ende Mai nach Würzburg. Hier hatten sich die Bauern seit 14 Tagen vergeblich bemüht, den tapfer verteidigten Frauenberg zu erstürmen. Auf die Kunde vom Herannahen des Fürstenheers rückte der Odenwälder Haufe ihm entgegen, löste sich aber auf dem Marsch auf, zumal der Führer Götz von Berlichingen heimlich entwich. Nur 2000 Bauern unter Metzler hatten den Mut, bei Königshofen dem Feinde die Spitze zu bieten, wurden aber 2. Juni gänzlich vernichtet. Eine falsche Siegesnachricht lockte auch die vor Würzburg zurückgebliebenen Haufen herbei, die nun ein gleiches Geschick ereilte. Das Frankenland war jetzt der Züchtigung und Gewaltthat der ergrimmten Herren wehrlos preisgegeben. Würzburg, dessen Bürgerschaft sich den Bauern angeschlossen hatte, mußte sich 7. Juni auf Gnade und Ungnade ergeben; 60 besonders Beteiligte aus der Stadt und Umgegend wurden mit dem Schwert hingerichtet. Die Bürgerschaft von Würzburg mußte alle Waffen ausliefern, bedeutende Brandschatzungen zahlen und dem Bischof von neuem Gehorsam schwören. Markgraf Kasimir von Brandenburg-Ansbach durchzog das ganze übrige Frankenland und warf überall die Aufständischen nieder. 57 Bürgern von Kitzingen ließ er die Augen ausstechen, weil sie einst gerufen, sie wollten keinen Markgrafen mehr sehen! Keine einzige Stadt leistete ernsten Widerstand; Schweinfurt, Bamberg, Rotenburg und andre Städte beugten sich demütig dem Sieger und erkauften Schonung um schwere Geldbußen. In Rotenburg wurde ein strenges Blutgericht gehalten; die Haupträdelsführer des Aufstandes wurden enthauptet. Götz von Berlichingen wurde zwei Jahre in Augsburg gefangen gehalten und dann innerhalb der Markung seines Schlosses Hornberg interniert. Metzler war spurlos verschwunden; Wendel Hippeler starb im Gefängnis.

Nur noch am Ober- und Mittelrhein hielten sich einige Überreste der Empörer. Die am Mittelrhein wurden 24. Juni von dem sich zurückziehenden pfalz-trierschen Heer bei Pfeddersheim zersprengt und aufgerieben, wobei der kriegerische Erzbischof mit eigner Hand die Fliehenden erlegte. Brandschatzungen, Auslieferung der Waffen, Hinrichtungen erstickten auch hier und im ganzen Rheingau bald jede Spur des Aufstandes; Mainz büßte für seine Befreiungsversuche mit dem Verlust seiner kaum errungenen Freiheiten. Länger dauerte die Unterdrückung der Unruhen am Oberrhein und in den Alpen, wo der Aufruhr seine tiefsten Wurzeln geschlagen hatte und die Bauern noch nicht im entscheidenden Kampf geschlagen worden. Indes von einem nachhaltigen, einmütigen Widerstand konnte auch hier nicht die Rede sein. Meist zerstreuten sich die Bauernhaufen von selbst.

So war endlich die gewaltige Bewegung gedämpft, welche dem gemeinen Wesen in Deutschland eine völlige Umkehr gedroht hatte. Nach der Entscheidung durch die Waffen wurde strenges Kriegsrecht geübt; die grausamsten Exekutionen wurden vollzogen, schwere Strafgelder eingetrieben, und in den meisten Gegenden folgte härterer Druck für die Bauern. Einige Erleichterungen gewannen die Bauern durch den Aufstand nur da, wo sie nicht entscheidende Niederlagen erlitten hatten, wie im Kemptenschen. Im ganzen und großen wirkte der B. verderblich und zerstörend. Es hatten sich zwar im Lauf desselben manche fruchtbare Gedanken zu erkennen gegeben, wie namentlich im Heilbronner Entwurf; aber im allgemeinen fehlte es an Klarheit der Zwecke und Gemeinsamkeit des Handelns, und als das Toben der Bauern die gewaltsame Niederschlagung herausforderte, verschwand bald alle Hoffnung auf eine Besserung. Die Folge war schließlich eine noch größere Unterdrückung des niedern Bauernstandes, eine noch weiter gehende Spaltung der Nation, [476] eine Lähmung des nationalen und politischen Lebens, wozu noch kam, daß auch die Reformation vielfach in üble Nachrede kam und Zurückdrängung erlitt. So war das Ende Besiegung der Gewalt durch Gewalt, ohne innere Heilung der Schäden.

Die meisten Quellenschriften über den B. sind noch Manuskript und die Gesamtdarstellungen der Geschichte desselben (von Sartorius, Burckhardt, Wachsmuth, Bensen u. a.), von denen Zimmermanns „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkriegs“ (2. Aufl., Stuttg. 1856, 2 Bde.) die bekannteste ist, veraltet. Neuere Spezialwerke sind: Jörg, Deutschland in der Revolutionsperiode 1522–26 (Freiburg i. Br. 1851); Cornelius, Studien zur Geschichte des Bauernkriegs (Münch. 1861); A. Stern, Über die zwölf Artikel der Bauern (Leipz. 1868); Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkriegs aus Oberschwaben (Freiburg i. Br. 1877); Fries, Die Geschichte des Bauernkriegs in Ostfranken (Würzb. 1877–83); W. Vogt, Die bayrische Politik im B. (Nördling. 1883); Hartfelder, Zur Geschichte des Bauernkriegs in Südwestdeutschland (Stuttg. 1884).