Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Azofarbstoffe“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 193194
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Azofarbstoffe. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 193–194. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Azofarbstoffe (Version vom 13.03.2024)

[193] Azofarbstoffe, Teerfarbstoffe, welche ihrer Mannigfaltigkeit, Leichtigkeit der Darstellung und Farbenpracht halber eine hohe, noch immer wachsende Bedeutung gewonnen haben. Sie wurden von Grieß entdeckt, welchem man auch die Kenntnis der Diazoverbindungen verdankt, aus denen die neuen Farben bereitet werden. Die Diazokörper entstehen bei der Einwirkung von salpetriger Säure auf die Salze der Amidoprodukte der Benzolreihe. Man löst die Amidokörper in zwei Äquivalenten verdünnter Salpetersäure oder Schwefelsäure und setzt die äquivalente Menge von salpetrigsaurem Kali hinzu. Aus Amidobenzol (Anilin) C6H5.NH2 entsteht dann salpetersaures Diazobenzol C6H5.N2.NO3. Die Salze der [194] Diazoverbindungen sind meist kristallinische farblose Körper, die sich an der Luft leicht bräunen. Sie lösen sich leicht in Wasser, wenig in Alkohol, sind meist sehr unbeständig und zersetzen sich beim Erhitzen oder durch Schlag unter heftiger Explosion. Diese Körper sind außerordentlich reaktionsfähig und liefern ganz allgemein bei der Einwirkung auf Amine und Phenole Farbstoffe. Läßt man die salpetrige Säure nicht auf Salze der Amidokörper, sondern auf die freien Amidokörper in alkoholischer oder ätherischer Lösung einwirken, so entstehen die Diazoamidoverbindungen, z. B. aus Anilin das Diazoamidobenzol C6H5.N2.NH.C6H5. Die Diazoamidokörper sind meist gelb, neutral, löslich in Alkohol und Äther, nicht in Wasser und viel beständiger als die Diazokörper. Sie verbinden sich nicht mit Säuren, erleiden aber ganz ähnliche Reaktionen wie die Diazokörper. Den Diazokörpern stehen die Azokörper nahe. Reduziert man Nitrokörper in saurer Lösung, so entstehen Amidokörper, aus Nitrobenzol erhält man z. B. Amidobenzol (Anilin); wenn man aber reduzierende Körper in alkalischer Lösung auf Nitrokörper einwirken läßt, so entstehen Azokörper: Nitrobenzol C6H5NO2 liefert Azobenzol C6H5.N2.C6H5. Diese Azokörper erhält man auch durch Oxydation von Amidokörpern in alkalischer Lösung und durch mehrere andre Reaktionen. Sie sind viel beständiger als die Diazokörper, meist gelb bis braun gefärbt und verbinden sich nicht mit Säuren. Aus den Azokörpern kann man auf gewöhnliche Weise Nitroazokörper darstellen, und wenn man diese reduziert, so erhält man Amidoazokörper, wie z. B. aus Nitroazobenzol C6H5.N2.C6H4.NO2 das Amidoazobenzol C6H5.N2.C6H4.NH2. Diese Amidoazokörper sind gelb bis braun, schwach basisch und bilden mit Säuren rote Salze. Das Amidoazobenzol bildet gelbe rhombische Kristalle und löst sich schwer in heißem Wasser. Seine kristallinischen Salze sind gelb oder violett und zeigen einen stahlblauen Schimmer. Das käufliche Anilingelb (Echtgelb) besteht im wesentlichen aus Amidoazobenzol oder in neuerer Zeit aus dem Natriumsalz der Sulfosäure dieses Körpers und wird dargestellt, indem man salpetrigsaures Natron auf eine stark saure Lösung von salzsaurem Anilin oder Anilin auf Diazobenzolchlorid wirken läßt. Läßt man Diazobenzolsulfosäure auf Diphenylamin einwirken, so entsteht die Sulfosäure des Phenylamindiazobenzols, deren Kalisalz als Tropäolin 00 oder[WS 1] Orange Nr. 4 in den Handel kommt und goldgelb färbt. Läßt man eine Mischung von Salpetersäure und Schwefelsäure in Nitrobenzol einfließen, so entsteht Dinitrobenzol, welches, mit Eisen und Salzsäure reduziert, Phenylendiamin liefert. Dieses gibt mit Diazobenzolsalzen Chrysoidin, dessen Chlorwasserstoffsalz in den Handel kommt und orange färbt. Eine Mischung von salpetrigsaurem Natron und Salzsäure gibt mit salzsaurem Phenylendiamin Phenylenbraun (Vesuvin, Bismarckbraun). Dies ist Triamidoazobenzol und wird in der Wollfärberei und in der mikroskopischen Anatomie benutzt. Aus dem bei der Fuchsinfabrikation (s. Anilin) abfallenden Destillat, welches aus Toluidin und Anilin besteht, bereitet man das Safranin. Das Öl wird mit salpetriger Säure in Diazoamidokörper verwandelt, diese gehen in die Amidoazoverbindungen über, und diese werden nach dem Abpressen mit überschüssiger Anilin- und Toluidinmischung behandelt. Dann oxydiert man mit Arsensäure oder chromsaurem Kali. Das Safranin ist das salzsaure Salz einer Base C21H20O4, bildet ein braunrotes Pulver, löst sich mit prachtvoll hellroter Farbe in Wasser und hat in der Woll- und Seidenfärberei den Safflor vollständig verdrängt. Der in Wasser und Salzsäure unlösliche Teil der Fuchsinschmelze gibt beim Erhitzen mit Anilin Violanilin, welches, mit Anilin und Essigsäure erhitzt, bis kein Ammoniak mehr entweicht, dann mit Natron neutralisiert und gereinigt, Indulin liefert. Dies ist in Alkohol löslich, kann aber in eine wasserlösliche Sulfosäure übergeführt werden und färbt Tier- und Pflanzenfaser grau bis schwarz. Sehr ähnlich ist das Nigrosin, welches ebenfalls durch Oxydation von Anilin, z. B. mit Hilfe von Arsensäure, bei 220° gewonnen wird; es färbt tierische und pflanzliche Farbstoffe blau und bei Anwendung eines toluidinhaltigen Anilins blauschwarz. Was den Azofarbstoffen eine besonders großartige Bedeutung verleiht, ist der Umstand, daß dieselben einen Ersatz für die natürliche Kochenille bieten und diese ebenso sicher wie das künstliche Alizarin den Krapp aus dem Feld schlagen werden. Unter den zahllosen Azofarbstoffen, welche in der letzten Zeit dargestellt wurden, sind nämlich zwei, welche sich durch ihre prächtige Ponceau-, bez. Scharlachfarbe auszeichnen. Sie sind prozentisch gleich zusammengesetzt (isomer) und entstehen bei der Einwirkung von Diazoxylolchlorid auf die beiden Disulfosäuren des Naphthols. Die Kali- und Natronsalze dieser Azoxylolnaphtholdisulfosäuren werden als Xylidinponceau und Xylidinscharlach in den Handel gebracht und als Surrogat der Kochenille benutzt.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 72
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[72] Azofarbstoffe. Den mächtigen Aufschwung, den die Teerfarbenindustrie in den letzten Jahren genommen hat, verdankt sie vor allem den Azofarbstoffen, welche durch die Mannigfaltigkeit ihrer Farbe und die Leichtigkeit ihrer Darstellung bei fast theoretischer Ausbeute dem Fabrikanten hohen Gewinn brachten, zumal die einfache Art, diese Farbstoffe auf der Faser zu fixieren, den Konsum derselben ganz enorm steigerte. Es genügt, die wässerige verdünnte Lösung des Farbstoffs mit einer geringen Menge Säure zu versetzen, zu kochen und die Faser tüchtig in dem Bade durchzuziehen, um letzteres vollständig zu erschöpfen. Die gefärbte Wolle und Seide erleidet durch Waschen mit Seife u. am Licht wenig Veränderung. Baumwolle freilich nimmt A. nicht auf. Nur die Krocine lassen sich mit Hilfe von Thonerdesalzen auf Baumwolle niederschlagen, die Färbung ist aber unecht und konkurriert nicht entfernt mit Alizarinrot. Erst in der neuesten Zeit ist eine Gruppe von Azofarbstoffen, die Kongofarbstoffe, entdeckt worden, welche sich nicht auf Wolle, dagegen in der einfachsten Weise auf Baumwolle fixieren lassen, indem man letztere lediglich durch die mit wenig Alkali versetzte kochende Farbstofflösung durchzieht. Die kongorot gefärbte Baumwolle ist nicht so echt wie die alizarinrote, doch hat die Einfachheit des Färbeprozesses der Alizarinrotfärberei enormen Abbruch gethan. Zur Herstellung der ältern A. benutzt man primäre aromatische Amine, welche neben dem Benzolkern eine Amidogruppe enthalten (Anilin C6H5.NH2), und verwandelt sie durch Behandeln in saurer kalter Lösung mit salpetrigsaurem Natron in eine Diazoverbindung (Diazobenzol C6H5.NN.OH), welche mit einer alkalischen Lösung eines Phenols oder Amins den Farbstoff erzeugt. Die aus verschiedenen Aminen und Phenolen erhaltenen A. zeigen große Mannigfaltigkeit in Nüance, Löslichkeit und Echtheit. Die Kongofarbstoffe werden aus Diaminen dargestellt, welche zwei Amidogruppen enthalten. Nitrobenzol C6H5.NO2 wird in saurer Lösung zu Anilin C6H5.NH2 reduziert, in alkalischer Lösung dagegen (Nitrobenzol mit Zinkstaub und Natronlauge) tritt aus zwei Molekülen Nitrobenzol Sauerstoff in Form von Wasser aus, und die Nitrobenzolreste verketten sich mit ihren Stickstoffatomen zu Azobenzol C6H5NNC6H5, welches unter Aufnahme von Wasserstoff in Hydrazobenzol C6H5.NH.NH.C6H5 übergeht. Dies reduziert sich in saurer Lösung weiter und bildet Benzidin C6H5.NH2.NH2.C6H5, welches nun wie Anilin diazotiert werden kann. Es entsteht Tetrazodiphenyl C6H4.NN.OH.OH.NN.C6H4, welches nun bei der Einwirkung auf Phenol oder Amine A., die Kongofarbstoffe, liefert. Man hat rote, blaue und gelbe Farbstoffe hergestellt, erstere aus αNaphthylaminαsulfosäure, die blauen aus αNaphtholαsulfosäure, die gelben aus Salicylsäure. Die schönsten roten und blauen Kongofarbstoffe liefert das dem Benzidin homologe Tolidin, nämlich Benzopurpurin und Benzoazurin.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: oder oder