Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ausland“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 118119
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Ausland. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 118–119. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ausland (Version vom 24.03.2022)

[118] Ausland, im staatsrechtlichen Sinn und mit Rücksicht auf das Gebiet eines gegebenen Staates jedes nicht zu diesem Gebiet (Inland) gehörige Territorium. Was das Verhältnis zwischen Inland und A. und das zwischen den beiderseitigen Angehörigen derselben, den Inländern und den Ausländern, anbelangt, so liegt es zunächst in der Natur der Sache, daß sich die inländische Staatsgewalt nur auf das ihr unterworfene Staatsgebiet, das Inland, beziehen kann, und daß folgeweise der Ausländer, eben weil er jener nicht unterworfen ist, auch an und für sich deren Autorität nicht zu respektieren braucht. Auf der andern Seite kann aber auch der Ausländer im Inland nicht die staatsbürgerlichen und politischen Rechte eines inländischen Staatsangehörigen beanspruchen, weil ja seine staatsrechtliche Persönlichkeit einem andern Staatswesen angehört. Beide Grundsätze haben jedoch im modernen Völkerleben wesentliche Veränderungen erfahren. Die Autorität befreundeter [119] ausländischer Staaten wird auch im Inland geachtet. Es ist in dieser Beziehung namentlich an das heutige Gesandtschaftsrecht, an die Exterritorialität des Gesandtschaftspersonals, an die Gerichtsbarkeit der Konsuln und an die sonstigen wichtigen Befugnisse der Gesandten und Konsuln zur Wahrung der Interessen ihrer Staatsangehörigen im A. zu erinnern. Es wird ferner auch im Inland die Rechtsordnung des Auslandes insofern anerkannt, als der Ausländer, welcher gegen sie gefrevelt hat, in schweren Fällen regelmäßig an die ausländische Regierung ausgeliefert wird (s. Auslieferung von Verbrechern). Endlich gehören auch die strafrechtlichen Bestimmungen (deutsches Strafgesetzbuch, § 102 ff.) hierher, welche in betreff der feindlichen Handlungen gegen befreundete ausländische Staaten gegeben sind. Auf der andern Seite ist aber auch der Ausländer im Inland nicht mehr, wie im Altertum, rechtlos; er genießt vielmehr den Schutz des Staates und wird auch zur Ausübung aller derjenigen Rechte zugelassen, deren Genuß nicht durch die Staatsangehörigkeit des Berechtigten bedingt ist. Umgekehrt steht aber auch der Ausländer im Inland unter der inländischen Staatshoheit und Gesetzgebung. Deshalb ist er bei Eingehung von Rechtsgeschäften, wenigstens bezüglich der Form, an die inländische Gesetzgebung gebunden (locus regit actum); dieselbe ist für ihn in Ansehung des Erwerbs und des Verlustes von Rechten im Inland maßgebend, und ebenso ist der Ausländer wegen etwaniger im Inland begangener strafbarer Handlungen nach der Rechtsordnung des letztern zu behandeln und zu bestrafen. Was dagegen die im A. verübten Verbrechen anbelangt, so ist deren Behandlungsweise in der Theorie wie in der Gesetzgebung eine verschiedene. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (§ 3 ff.) nähert sich in dieser Hinsicht dem sogen. Territorialitätsprinzip. Es bestraft nämlich die im A. begangenen Verbrechen der Regel nach nicht, doch kann (nicht „muß“) 1) ein Ausländer bestraft werden, welcher im A. eine hochverräterische Handlung gegen das Deutsche Reich oder gegen einen einzelnen Bundesstaat, oder ein Münzverbrechen begangen hat; 2) ein Inländer, welcher im A. eine hochverräterische oder landesverräterische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat, eine Beleidigung gegen einen Bundesfürsten oder ein Münzverbrechen verübte; 3) ein Deutscher, der im A. eine nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen (also nicht als eine Übertretung) zu bestrafende Handlung zu schulden gebracht hat, wofern nur diese Handlung auch nach den Gesetzen, welche am Orte der That gelten, mit Strafe zu belegen ist. A. im Sinn des deutschen Strafgesetzbuchs ist aber jedes nicht zum Deutschen Reiche gehörige Gebiet, wie es denn überhaupt einer der größten Fortschritte auf der Bahn unsrer nationalen Entwickelung ist, daß seit der Gründung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs die Angehörigen der beteiligten deutschen Staaten vermöge des gemeinsamen Bundesindigenats (s. d.) im Verhältnis zu einander nicht mehr als Ausländer erscheinen. Vgl. v. Rohland, Internationales Strafrecht (Leipz. 1877).