Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Attribūt“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 34
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Attribūt. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 34. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Attrib%C5%ABt (Version vom 28.12.2022)

[34] Attribūt (lat.), „das Beigelegte“, daher die einem Ding zukommende Eigenschaft, das Kennzeichen, Merkmal. Das logische Wesen eines Begriffs ist der Inbegriff derjenigen (innern) Merkmale desselben, durch welche er sich von allen andern unterscheidet, und worauf alle andern beruhen. Diese innern Merkmale, die allen übrigen zu Grunde liegen, heißen grundwesentliche Stücke (essentialia constitutiva), diejenigen innern Merkmale hingegen, die aus ihnen abgeleitet werden können, Attribute (essentialia consecutiva). Definiert man den Begriff „Mensch“ als „ein Tier mit Vernunft“, so sind Tier und Vernunft grundwesentliche Stücke; die daraus abgeleiteten Merkmale, die ebenfalls innere sind und auch Notwendigkeit haben, als: organisierter Körper, Empfindung haben, Begriffe bilden, urteilen etc., sind Attribute. Sie sind, wie die grundwesentlichen Stücke, von doppelter Art: gemeinsame (communia), welche der Begriff mit mehreren einer Gattung gemein hat, oder eigentümliche (propria), welche ihm allein zukommen. So ist ein gemeinsames A. des Menschen, daß er ein organisiertes Wesen ist, ein eigentümliches, daß er schließt. – In der Theologie versteht man unter Attributen wesentliche Eigenschaften Gottes, z. B. Allmacht, Ewigkeit etc., im Unterschied von den Prädikaten, welche von ihm in seinem Verhältnis zur Welt (in concreto) ausgesagt werden, z. B. Schöpfer, Regierer, und den Proprietäten, welche sich auf die Dreieinigkeit beziehen. – In den bildenden Künsten, besonders in der Bildhauerkunst, sind Attribute gewisse dem Hauptgegenstand der Darstellung beigegebene Zeichen bestimmter Eigenschaften und Zustände, eine Art von Symbolen, welche dazu dienen, der Figur oder dem Bild mehr Bedeutsamkeit und Deutlichkeit zu geben. Die Anwendung der Attribute in den bildenden Künsten gründet sich auf das Unvermögen der letztern, sowohl geistige Eigenschaften und Begriffe auszudrücken, als auch besondere Umstände und historische Thatsachen darzustellen, welche der sichtbaren Darstellung unfähig sind. Man unterscheidet wesentliche und zufällige (konventionelle) Attribute. Zu den wesentlichen Attributen gehören solche, welche in sich selbst ihre Bedeutung tragen, z. B. die Flügel der Genien, das Schlangenhaar der Furien, die Strahlenkrone der Heiligen. Zufällige Attribute sind solche, welche bloß auf einem gewissen, historisch gewordenen Übereinkommen beruhen, ohne daß in der Beschaffenheit ihres eignen Wesens ein bestimmter Grund ihrer Bedeutung gegeben ist, z. B. das Kreuz als Sinnbild des Glaubens und der Liebe, die Taube als Symbol des göttlichen Geistes, der Schlangenstab des Heilarztes, die Palme des Friedens. Da die Bestimmung des Attributs ist, die Bedeutung des Kunstwerks in seiner bestimmten Besonderheit anschaulich zu machen, so kann es niemals den charakteristischen Ausdruck der Hauptfigur selbst entbehrlich machen und ebensowenig die Schwäche des Künstlers in Darstellung desselben verdecken. Die Poesie, welche unmittelbar ausdrücken kann, was die bildende Kunst nur anzudeuten vermag, bedarf aus ebendiesem Grunde des sinnlichen Attributs zur Ausstattung ihrer Charaktere gar nicht und verfällt, wenn sie sich dessen bedient, leicht in tote, frostige Schilderei. Vgl. Allegorie.